Hormonell aktives Mineralwasser

Ernährung

Auslaugung von Plastikadditiven in Lebensmittel

Mit rund 138 Liter Mineralwasser nimmt das Getränk einen Spitzenplatz im deutschen Haushalt ein. Frankfurter Ökotoxikologen haben sich das Mineralwasser ganz genau angeschaut und Umwelthormone festgestellt, die da gar nicht hinein gehören. Die unerwünschten Stoffe stammen aber nicht aus dem Wasser, sondern aus der Verpackung.

Cocktaileffekte
Das Umweltbundesamt (UBA) hat ein Forschungsprojekt gefördert, welches die Belastung mit Umwelthormonen, so genannten Endokrinen Disruptoren, untersucht: „Wir wussten, dass Lebensmittel mit bestimmten Umwelthormonen kontaminiert sein können“, erklärt Prof. Jörg Oehlmann von der Frankfurter Goethe-Universität. Beispielsweise laugt Bisphenol A aus Polycarbonatflaschen aus und kann als östrogenartig wirkende Chemikalie in Lebensmittel gelangen. „Allerdings haben wir es in der Realität nicht nur mit einer einzelnen Chemikalie, sondern mit einer Vielzahl von Umwelthormonen zu tun.“ Deshalb haben sich die Wissenschaftler nicht auf eine einzelne Substanz konzentriert, sondern die gesamte Hormonaktivität von Mineralwasser gemessen. Dabei geholfen hat ein gentechnisch veränderter Hefestamm der Östrogenbindungen angezeigte.

PET FlaschePET schlechter als Glas
In zwölf von 20 untersuchten Mineralwasserproben haben die Wissenschaftler eine erhöhte Hormonaktivität festgestellt. Auch wenn das Ergebnis die Experten überrascht hat, grenzt Doktorand Martin Wagner die Bedeutung ein: „Allerdings mussten wir feststellen, dass Mineralwasser hormonell betrachtet in etwa die Qualität von Kläranlagenabwasser aufweist.“
Die Tests haben jedoch gezeigt, dass ein Teil der Hormone aus der Kunststoffverpackung stammt. Die Ergebnisse belegen, „dass die östrogene Belastung in Wasser aus PET-Flaschen etwas doppelt so hoch ist, wie in Wasser aus Glasflaschen.“ Wagner und Dr. Oehlmann glauben, dass die Plastikadditive in der Verpackung auslaugen. Wenn das allerdings ein generelles Phänomen sei, „würde dies bedeuten, dass nahezu die gesamte Bandbreite unserer Lebensmittel hormonell belastet ist.“

Offene Fragen
Die Arbeit hat eine ganze Reihe von offnen Fragen produziert. Es kann nicht abgeschätzt werden, „ob die östrogene Kontamination des Mineralwassers ein gesundheitliches Risiko darstellt.“ Dr. Oehlmann sieht zwar, dass die Menschen mit einer größeren Menge an Umwelthormonen in Kontakt kommt, „allerdings wissen wir noch nichts über deren Aufnahme und Abbau im menschlichen Körper.“ Welche Substanzen genau verantwortlich sind, wird derzeit analysiert.

BUND zieht Notbremse
Für die BUND-Expertin für Chemiepolitik, Patricia Cameron, ist das Ergebnis „ein echter Skandal, dass Mineralwasser in PET-Flaschen, das von Millionen Verbrauchern täglich getrunken wird, sich nun als hormonell wirksam erweist.“ Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland hat am Freitag ein Verbot dieser Chemikalien in Lebensmittelverpackungen gefordert. Bereits in früheren Tests seien Weichmacher wie Bisphenol A und Nonylphenol nachgewiesen worden und auch das Schwermetall Antimon, welches als Katalysator bei der PET-Herstellung Verwendung findet, sei in Mineralwässern enthalten. Der BUND rät: „Auch wenn das Ausmaß der Gesundheitsgefährdung durch hormonelle Schadstoffe in Mineralwässern noch unklar ist, sollten Verbraucher vorsorglich Trinkwasser aus dem Wasserhahn oder aus Mehrweg-Glasflaschen bevorzugen.“

Wissenschaft uneins
Das Beispiel Bisphenol A zeigt aber auch, dass in der Wissenschaft unterschiedliche Meinungen bestehen. Während die einen den festgelegten Grenzwert von 0,05 mg/kg/Tag für zu hoch halten, sind andere der Meinung, der Wert sei sicher. Zuletzt führten Wissenschaftler von der Universität Dortmund und der Universität Würzburg ihren Disput über den Weichmacher in offenen Briefen fort.

Lesestoff:
Wagner, M., Oehlmann, J. (2009): Endocrine disruptors in bottled mineral water: total estrogenic burden and migration from plastic bottles, Environmental Science ans Pollution Research, Online First: http://dx.doi.org/10.1007/s11356-009-0107-7

Roland Krieg; Foto: roRo

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