Hygienesiegel: Verschoben oder aufgehoben?
Ernährung
Hygienesiegel: Kontrolliertes Scheitern?
Berlin vergibt Minuspunkte. Gaststätten, die ihren ausreichende Hygienepflichten nicht nachkommen, erhalten Minuspunkte. Die Ergebnisse werden im Internet veröffentlicht. Berlin möchte mit diesem neuerlichen Vorstoß, nach mehrheitlicher Ablehnung des „Pankower Smiley“, den Mai-Beschluss der Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK) unterstützt wissen, die bundeseinheitliche Hygienekennzeichnung umzusetzen. Das erklärte eine Sprecherin zur Einführung gegenüber Herd-und-Hof.de. Doch weil beispielsweise im Gastronomiebezirk Kreuzberg-Friedrichshain nur fünf Lebensmittelkontrolleure für 1.200 Gaststätten verfügbar sind und wöchentlich lediglich zehn neue Einträge in die Datenbank eingestellt werden, könnte aus dem gewollten Vorgriff der Berliner ein dokumentiertes Scheitern des Hygienesiegels werden. Die Umsetzung bietet der Kritik des Gaststättengewerbes alle möglichen Angriffspunkte.
Ende 2012 – vielleicht
Der Optimismus Nordrhein-Westfalens, mit der aktuellen VSMK die Hygienekennzeichnung in trockene Tücher zu bringen, ist am Freitag gescheitert. Die Kritik der Wirtschaftsminister ist so stark, dass wieder neue Arbeitsgruppen gebildet werden, die diesmal nicht federführend im Bereich Verbraucherschutz liegen. Eine bundeseinheitliche Kennzeichnung wird es vor Ende 2012 nicht geben. Das Kontrollbarometer, wie es NRW grafisch bereits aufgelegt hat, kann auch ganz anders aussehen. Zwischen Sternen und Kochlöffeln ist alles möglich. Auch eine freiwillige Kennzeichnung ist wieder im Gespräch. Damit ist die Einführung nicht nur verschoben, sondern durch die Summe der Diskussionspunkte und Verlagerung der Arbeitsgruppen in den Wirtschaftsbereich auch das Aufheben des VSMK-Beschlusses vom Mai 2012 greifbar nah.
Verzögerungstaktik
NRW-Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne)
ist in seiner Kritik dann auch deutlich und sagt Bundesministerin Ilse Aigner
(CSU) „Verzögerungstaktik“ nach. „Eine Verwässerung des Systems darf es nicht
geben“, so Remmel. Alleine die Ministerin verantworte, dass es bis heute noch
keinen Gesetzesentwurf gebe, den die VSMK im Mai beschlossen hat. Für den
Verbraucherschutz sei das „ein herber Rückschlag.“
Remmel führt an, dass der Verweis auf eine notwendige
Einigkeit bei den Ländern nicht stimme. Sowohl die Laufzeitverlängerung der
Atomkraftwerke als auch der Mövenpick-Steuer-Bonus wurde gegen die Kritik der
Länder vom Bund „durchgeboxt“. Die Ministerin könne eine Änderung des
Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches durchsetzen, weil es ein
Bundesgesetz ist.
Ins gleiche Horn stößt Brandenburgs Verbraucherschutzministerin
Anita Tack (Linke): „Es ist ein Armutszeugnis für die Bundesministerin, dass
sie immer noch nicht einen Gesetzentwurf auf den Tisch gelegt hat.“
Alle Bedenken einbeziehen
Dr. Juliane Rumpf, Verbraucherschutzministerin in
Schleswig-Holsten (CDU), plädiert für eine zügige Umsetzung des
Kontrollbarometers, gibt aber zu bedenken, dass die Kritik aus der Wirtschaft
berücksichtigt werden müsste. „Ich begrüße es daher, dass hierzu eine
Arbeitsgruppe eingesetzt wird.“ Im Detail geht es dabei um rechtliche
Konsequenzen bei Beanstandungen, Fragen der Finanzierung sowie konkrete
Vorgaben für das Kennzeichen.
Mechthild Heil, verbraucherpolitische Sprecherin der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion: „Ohne einen gemeinsamen Vorschlag wäre ein solches
Projekt nicht durchsetzbar.“
Roland Krieg