Inflationsverlierer Fleisch

Ernährung

Teuerungen machen den Einkauf selektiver

Der Konsum von Fleisch sinkt in der Europäischen Union. Derzeit steigen die Kosten der Rohstoffpreise, für Verpackung, Transport, Energie und Personal in einzigartiger Weise. Dass die Lebensmittelpreise anziehen ist kein Geheimnis und wissen auch die Marktforscher der Rabobank. Sie haben aber tiefer geschaut und kommen zu dem vorsichtigen Schluss, dass Fleisch einer der größten Verlierer im Lebensmittelsegment ist.

Die Inflation drückt auf alle Nahrungsmittelsegmente und setzt sich bis auf die erzeugerebene fort. Es ist offen, wer in der Wertschöpfungskette die Rechnung zu tragen hat. Prognosen sind schwierig, weil die Laufzeiten für Produkte zwischen den Unternehmen variieren, und passen sich zu unterschiedlichen Zeiten an die neuen Gegebenheiten an. Preisspitzen werden mit Verzögerung und uneinheitlich umgesetzt.

Im Durchschnitt werden Preise auf der Händlerebene zwischen neun und zehn Prozent teurer. Einzelne Produkte erreichen ein Preisplus von 30 Prozent – und Fleisch wird nach Ansicht der Marktforscher der Rabobank dazu gehören. Nicht alle Unternehmen können angesichts der geringen Margen entlang der Wertschöpfungskette Lebensmittel steigende Kosten ausgleichen. Viele haben bereits deutlich gemacht, dass sie sich eine Quersubventionierung nicht leisten können und nach unten härter verhandeln wollen.

Somit müssen die Kunden in den ersten Monaten 2022 mit nach und nach steigenden Lebensmittelpreisen rechnen. Die Teuerung wird Verbraucher nach preisgünstigeren Alternativen suchen lassen, bei denen die einfachen Standardprodukte gegenüber den teureren Markenprogrammen gewinnen können. Die Vorhersage, dass die Pandemie mit ihren negativen Effekten die Discounter zu den Gewinnern machen wird, trifft jetzt ein – allerdings durch die indirekten Effekte steigender Rohstoffpreise.

Die Erzeugungs- und Verarbeitungsstufe wird sich auf den Billig-Fleischmarkt konzentrieren, der damit einen Aufschwung erfährt. Daher klingt es nur auf dem ersten Blick erfreulich, wenn die alljährliche Umfrage von Greenpeace über das Frischfleischangebot im Lebensmittelhandel einen Übergang zu „besseren“ Haltungsformen feststellt. Wann Aldi aus den ersten beiden Stufen aussteigt, hat der Discounter allerdings noch nicht festgelegt. Die Freude darüber, dass Billigfleisch in Supermärkten „zum Auslaufmodell“ wird, kommt zu früh.

Beispiel Rindfleisch

Marktexperte Albert Hortmann Scholten von der Landwirtschaftskammer Niedersachen spricht derzeit von „guten Aussichten“ für die Rindfleischerzeuger. Bei nur noch 11,2 Millionen Rindern bleibt Rindfleisch knapp. Zwar steigen auch die Kosten für die Betriebsmittel, aber bei den Rinderhaltern sei die Relation zwischen erzeugererlösen und Kosten günstiger als bei den Schweinehaltern. Die Rinder finden ausreichend Mais- und Grassilage im Trog. Auch für Heu und Stroh war es ein gutes Erntejahr.

Zudem wird der Preis global gestützt, denn trotz Ausweitung der Rinderproduktion ist das Angebot auch weltweit knapp. In der EU macht sich das knappe Angebot vor allem auf dem Markt für weibliche Tiere bemerkbar. Denn die Futtermittelpreise haben vielen Erzeugern zugesetzt und mehr Rinder zur Schlachtbank gebracht. In Frankreich und Deutschland stehen rund 42 Prozent der europäischen Rinder und stocken überdurchschnittlich ab.

Ob die guten Preise wirklich ein Grund zur Freude sind, bezweifelt Martin Lüking, Vorsitzender des Rindfleischausschusses des Landvolks Niedersachsen: „Ein Teil der Preissteigerungen bleibt bei uns Erzeugern hängen, einen Teil werden wir aber wieder an die Verarbeiter und den Handel durchreichen müssen“. Und ob die ausreichend Zahlungsbereit sind, bleibt offen.

Roland Krieg

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