Keime lieben es warm...

Ernährung

...und reisen gerne um die Welt

> Letzte Woche stand das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ganz im Focus internationaler Wissenschaftler. 400 Gäste aus 50 Ländern trafen sich beim BfR, das in seiner Funktion als "Collaborating Centre for Research and Training in Food Hygiene and Zoonoses" für die Weltgesundheits- und die Welternährungsorganisation den Kongress veranstaltete. Es wurden eigentlich bekannte Ergebnisse, jedoch auch überraschende Neuigkeiten bekannt.

Regionales Gefahrenpotential
In den letzten Wochen sind in mehreren Bundesländern gehäuft Infektionen aufgetreten, die durch seltene Salmonellentypen verursacht wurden. Salmonellosen sind oft sehr ernste, mit Durchfall, häufig auch Fieber, Kopfschmerzen und Kreislaufproblemen einhergehende Erkrankungen, deren Ursache in der überwiegenden Mehrzahl mit Salmonellen belastete Lebensmittel sind. Bei den jetzt aufgetretenen Infektionen wurden die Keime über Schweinefleisch auf den Menschen übertragen.
Salmonellen sind weit verbreitet und gehören zu den Zoonoseerreger. Zoonosen sind Infektionen, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden und dort zur Erkrankung führen können. Bei Tieren wie Schwein oder Geflügel bleibt die Erkrankung häufig unentdeckt, weil die Tiere selbst meistens keine Krankheitssymptome zeigen. Von den weit über 2000 verschiedenen Salmonellen-Untertypen treten einige häufig als Erreger von Erkrankungen auf. Dazu gehören zum Beispiel Salmonella Typhimurium und Salmonella Enteritidis. Andere, wie die jetzt als Verursacher nachgewiesenen Salmonella Goldcoast und Salmonella Give, kommen sehr selten vor.

Da Keime sich besonders in der Sommerzeit stark vermehren (und das muss kein heißer Sonnentag sein) sollten folgende elementare Hygienemaßnahmen unbedingt eingehalten werden:
- Fleisch, Hackfleisch und frische Bratwurst beim Kochen, Braten und Grillen unbedingt völlig durch erhitzten (Kerntemperatur im Fleisch von 70 °C für mindestens 10 Minuten);
- Lebensmittel, die gekühlt werden müssen, nicht zu lange außerhalb des Kühlschranks lagern;
- Temperatur im Kühlschrank auf unter 7 °C einstellen, bei sehr empfindlichen Lebensmitteln unter 4 °C;
- empfindliche Lebensmittel nicht zu lange im Kühlschrank aufbewahren;
- immer nach dem Umgang mit rohen Lebensmitteln, besonders tierischer Herkunft, Hände waschen, damit keine Keime auf andere Produkte übertragen werden;
- rohe Lebensmittel tierischer Herkunft und Rohkost (Salat etc.) separat behandeln, Küchengeräte (Messer, Schneidbretter, Arbeitsplatten) nach jedem Arbeitsgang gründlich reinigen;
- auf Sauberkeit in der Küche achten, Spüllappen regelmäßig wechseln;
Und ganz wichtig: Händewaschen nicht vergessen!

Bei jährlich 200.000 Erkrankungen, davon 60.000 Salmonellosen in Deutschland lohnt es sich diesen Hinweis zu erneuern, denn verpackte Lebensmittel spiegeln auch einen unbedenklichen Umgang nur vor. Fachleute gehen davon aus, dass die tatsächliche Zahl der Erkrankungen um einen Faktor 10 bis 20 höher liegt. Die Kosten, die dem Gesundheitswesen nur durch Salmonellen-Erkrankungen entstehen, beziffert die Europäische Union auf drei Milliarden Euro jährlich.

Globales Gefahrenpotential
"Lebensmittelinfektionen", so der Präsident des BfR, Professor Andreas Hensel, auf dem 5. Weltkongress Lebensmittelinfektionen und -intoxikationen, "sind ein globales Problem." Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben jährlich rund zwei Millionen Menschen weltweit durch verdorbene Lebensmittel.

Durch die Einführung des "Farm to Fork"-Konzepts, das die Lebensmittelhygiene prozessbegleitend vom Futtermittel für das Tier bis zum verzehrsfertigen Lebensmittel auf dem Teller des Verbrauchers etabliert, haben sich die Risiken in den Industrieländern verlagert. Während in der Verarbeitung durch hohe Hygienestandards und die Einführung des "Hazard Analysis and Critical Control Point (HACCP)"-Konzepts das Gefahrenpotential deutlich gesunken ist, gibt es nach wie vor Probleme bei der Sanierung der Tierbestände: Lebensmittel liefernde Tiere können Krankheitserreger tragen, ohne selbst klinische Symptome zu zeigen. Die Belastung mit den Keimen wird deshalb häufig übersehen; geeignete Sanierungsmaßnahmen stehen oft nicht zur Verfügung. Neben den Tieren sind vor allem die Lagerung und die Zubereitung sensible Bereiche im Hinblick auf spätere Lebensmittelinfektionen. Das belegen zahlreiche epidemiologische Untersuchungen. Kritisch sind vor allem unter Vakuum oder Schutzgas verpackte empfindliche Lebensmittel mit einer Haltbarkeit von bis zu 3 Wochen. In derart verpackten Fisch- und Fleischprodukten, insbesondere in Aufschnittware, können sich während langer Lagerzeiten Listerien so stark vermehren, dass damit belastete Lebensmittel geeignet sind, Erkrankungen auszulösen.

Ein weiterer kritischer Punkt ist die Rekontamination von Lebensmitteln bei der Zubereitung. Untersuchungen zur Gemeinschaftsverpflegung als Quelle von Lebensmittelinfektionen legen dar, dass besonders das abendliche erneute Aufwärmen von Speisen, die für den Mittagstisch zubereitet wurden und aufgetragen waren, risikoreich ist. Vor allem toxinbildende Erreger wie Bacillus cereus haben so Lebensmittelinfektionen ausgelöst. Diese Keime stellen gerade in Lebensmitteln, die der Verbraucher als relativ sicher einschätzt, wie Reis, Möhren oder Erbsen, eine Gefahr dar. Ähnliches wie für die Gemeinschaftsverpflegung gilt vermutlich auch für den Privathaushalt. Allerdings gibt es hierzu wenig dokumentierte Fälle, weil Einzelfälle selten gemeldet werden.

Mit der Erweiterung des europäischen Binnenmarktes könnten Krankheiten erneut aufflammen, die in der Europäischen Union als besiegt galten: So warnten die am Kongress teilnehmenden Lebensmittelhygieniker etwa vor einer Rückkehr der Trichinellose. In einigen Regionen der neuen Mitgliedstaaten ist die Trichinen-Befallsrate von Schweinen vergleichsweise hoch. Deshalb wird befürchtet, dass mit Trichinen verseuchtes Schweinefleisch zum Verbraucher gelangen könnte. Hier gilt es, das Risiko für den Verbraucher kurzfristig durch den Aufbau eines lückenlosen Überwachungssystems und die Sanierung der Viehbestände einzudämmen.

Auch der wachsende globale Handel mit Lebensmitteln und die Veränderungen des heimischen Speisezettels bergen neue Risiken mit altbekannten Erregern. Nicht nur Schnittsalate, sondern auch andere pflanzliche Lebensmittel, die roh verzehrt werden, wie Kichererbsenbrei oder Mandeln, können mit Salmonellen belastet und damit eine Quelle für Lebensmittelinfektionen sein. In den Ländern Asiens sind Aquakulturen häufig in Einzugsgebieten von Ballungsräumen angesiedelt. Fisch und Meeresfrüchte aus diesen Regionen können deshalb durch Cholera-Erreger oder Hepatitis A-Viren aus Abwässern verunreinigt sein. Vor allem Shrimps, Muscheln oder Tintenfische sollten deshalb grundsätzlich nicht roh verzehrt werden. Hier gilt, wie immer auf Reisen, der Wahlspruch englischer Touristen des 19 Jahrhunderts: Kochen, Schälen oder Vergessen - cook it, peel it or forget it!

VLE

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