Keine Medikamente gegen Übergewicht

Ernährung

DIfE widerlegt Hoffnung auf "PYY"

> Das Hormon "PYY" galt als große Hoffnung auf der Suche nach neuen Medikamenten gegen Übergewicht. Jetzt meldet eine vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) angeführte internationale Forschergruppe einen unerwarteten Rückschlag: Sie konnte die angeblich Hunger dämpfende Wirkung des Hormons nicht bestätigen. Vor zwei Jahren hatten diese Hoffnung zwei in den renommierten Zeitschriften "Nature" und "New England Journal of Medicine" veröffentlichte Berichte britischer Forscher ausgelöst, die das normalerweise vom Darm freigesetzte Hormon an Ratten und menschlichen Versuchspersonen erprobt hatten (Batterham et al. Nature 418, 650-654 [2002]): Tiere wie Menschen nahmen in den 24 Stunden nach Behandlung mit PYY offenbar ohne Hungergefühle ein Drittel weniger Kalorien zu sich.

Sättigungshormon PYY(3-36): kein satter Erfolg
In seiner neuesten Ausgabe veröffentlicht das Wissenschaftsmagazin Nature eine ungewöhnliche Publikation (Tschöp et al. Nature, 8. Juli [2004]), in der die vor zwei Jahren in derselben Zeitschrift berichtete appetithemmende Wirkung des Darmhormons bezweifelt wird. Ein Team unter Leitung von M. Tschöp und H.G. Joost vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke testete gemeinsam mit 36 Wissenschaftlern aus 12 verschiedenen Institutionen die Wirkung des Hormons unter Anwendung neuester Methoden der Appetit- und Adipositasforschung. Überraschenderweise konnte in zahlreichen verschiedenen Versuchsanordnungen keinerlei Hemmung von Futteraufnahme oder Gewichtszunahme nach akuter oder chronischer Applikation festgestellt werden. PYY(3-36) war vor knapp zwei Jahren als Durchbruch in der Adipositas-Forschung gefeiert worden und weltweit sahen Wissenschaftler und Öffentlichkeit die Arbeit als Meilenstein auf dem Weg zu einer wirksamen und verträglichen Therapie der Adipositas an. Die jetzt publizierten, bei weitem ausführlicheren und detaillierteren Daten der internationalen Gruppe um Tschöp sind deshalb überzeugender, weil die Versuche unabhängig voneinander in sieben verschiedenen Universitäts-Laboratorien und fünf Forschungseinrichtungen der pharmazeutischen Industrie durchgeführt wurden. Zudem wurden ausgedehnte Serien von Kontrollen durchgeführt, welche die biologische Aktivität der Substanz in anderen Versuchssystemen sowie die Empfindlichkeit der Versuchstiere gegenüber appetithemmenden Substanzen belegten.

Die Autoren dieser aufwändigen Studie hatten eigentlich beabsichtigt, die Forschung zum Therapieprinzip PYY(3-36) voranzutreiben, und hatten die negativen Ergebnisse nicht erwartet. Sie schließen nicht aus, dass es besondere, in der ersten Publikation nicht beschriebene Bedingungen gibt, unter denen das Hormon die Nahrungsaufnahme hemmt; damit wäre es zum therapeutischen Einsatz aber wenig geeignet. Mit der Publikation dieser Daten sollen deshalb Adipositas- und Diabetesforscher weltweit auf eine potentielle Sackgasse auf dem schwierigen Weg zu einem wirksamen und sicheren Adipositasmedikament aufmerksam gemacht werden, um die Verschwendung wertvoller Ressourcen zu verhindern.

VLE

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