Klöckner: Erst mal zu Penny…
Ernährung
Verbraucherinfo gegen Lebensmittelverschwendung
Am Mittwoch hatte das Bundeskabinett die Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung aus dem Bundesernährungsministerium verabschiedet. In der anschließenden Regierungsbefragung zeigte Ressortchefin Julia Klöckner, dass Kritik lediglich im Detailbereich vorhanden ist.
Hohe Verluste
Das Thema drängt, denn werden Lebensmittel verschwendet, sind die Ressourcen Boden, Wasser, Diesel und Arbeitskraft umsonst aufgewandt worden. Rund elf Millionen Tonnen landen in Deutschland pro Jahr auf dem Müll. Die Lebensmittelverschwendung beginnt, von den Vereinten Nationen definiert, nach der Ernte und nach der Schlachtung. Die Vorernteverluste sind also nicht mitgezählt. Lebensmittel verschwinden als Nachernteverluste durch falsche Lagerung, im Handel durch Verpackungsfehler, in der Gastronomie, im Lebensmitteleinzelhandel durch fehlerhafte Warenbeschaffung und im privaten Haushalt.
Den Verbraucher informieren
Penny-Chef Stefan Magel aus der Rewe Group Köln wendet sich dazu direkt an die Verbraucher und stellte am Freitagvormittag in einem Penny-Markt in Berlin-Friedrichshain zusammen mit der Ministerin eine neue Kampagne vor, die ab Montag in allen 2.200 Discountern anläuft und dauerhaft angelegt ist.
Vorher legte Klöckner noch einmal den Finger in die Wunde. Konsumenten werfen kaum etwas weg, wenn man sie befragt, aber mit 4,4 Millionen Tonnen ist ein Großteil der Lebensmittelverschwendung in den Wohnungsküchen verortet. Rund ein Drittel der Produkte stammen aus dem Obst- und Gemüsesegment. 16 Prozent ist Zubereitetes, das nicht mehr aufgegessen wird und 14 Prozent sind Brot und Backwaren.
Hauptursache ist das Missverständnis über das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD). Die Angabe ist seit 1981 Pflicht in Deutschland und die Abschaffung europarechtlich nicht einfach. Aber auch der vielfach geäußerte Wunsch, das durch ein Verbrauchsdatum zu ergänzen ist nicht einfach. Das unterscheidet sich nach Klöckner je nach Produkt, ob es durchgängig in der Kühlkette gewesen ist oder auch, ob es zwischendurch Licht ausgesetzt war [1].
Besser als das MHD ist der eigene Geschmacks- und Geruchssinn. Hier setzt Penny an und hat auf Frischmilch sowie bei Eigenmarken Joghurt und Quark den Hinweis angebracht, das Sahne und Co. auch nach Ablauf des MHD noch gut schmecken, riechen und genossen werden kann. Da die Kunden weder Milch noch Quark zu Hause umfüllen, haben sie beim Frühstück und Abendessen den Hinweis stets vor sich auf dem Tisch [2].
Bundespreis „Zu gut für die Tonne“
Während Aldi-Süd mit seiner MHD-Kampagne in das Rennen um den Bundespreis „Zugut für die Tonne“ geht, startet Penny mit einer weiteren Aktion. Seit 2016 zeigt der Rewe-Discounter das auch Obst und Gemüse Fehler haben darf. „Optisch nicht ganz einwandfreie Ware“ bekommt den Sticker „Kostbares Retten“ und wirbt bei Kunden um Genuss. Magel weist darauf hin, dass die Landwirte den gleichen Preis wie bei makellosem Obst und Gemüse erhalten und Verbraucher ebenfalls keinen Abschlag zahlen.
Die Anstrengungen gegen die Lebensmittelverschwendung reichen bei Penny bis in die Logistik. Das Warenwirtschaftssystem wurde so organisiert, dass 99 Prozent der bestellten Ware auch verkauft wird. 0,5 Prozent der nicht verkauften Ware geht kostenfrei an die Tafeln und nur noch das andere halbe Prozent steht noch auf der Minusliste.
Im Penny-Markt widerholte Klöckner ihre Ablehnung gegen den Erlass ordensrechtlicher Schritte. Die Franzosen gelten Kritikern als Vorbild, die ein Gesetz für Supermärkte ab 400 Quadratmeter erlassen haben, die nicht verwendeten Lebensmittel abzugeben. Doch reicht das Klöckner nicht. Die Ansätze sind vielfältig. Soll das Gesetz die Portionsgröße in der Gastronomie vorschreiben oder die Lagerung im häuslichen Kühlschrank? Hier ist beispielhaft das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) seit langem mit seinem „Fehlerkühlschrank“ auf der Internationalen Grünen Woche aktiv [3].
Julia Klöckner hatte auch die „Beste-Reste-Box“ dabei, die mittlerweile wieder hoffähig geworden ist. Darin können sich Gastronomie-Besucher ihr Essen einpacken lassen [4].
Promotionen erziehen den Kunden
Der generelle Wunsch von Politik und Bauern ist die Erhöhung der Wertschätzung von Lebensmitteln. Das allerdings ist nicht nur eine Kopf-Sache, sondern kann sich auch in der Geldbörse zeigen. Doch der Lebensmitteleinzelhandel fährt dauernd Werbeaktionen, hat Sonderrabatte und bindet seine Kunden mit Rabattmarken und Kundenboni an sich. Welchen Erzeugungswert ein Lebensmittel hat, weiß heute kein Verbraucher mehr. Für Stefan Magel ist das aber kein Grund, auf Webeaktionen zu verzichten, sagte er gegenüber Herd-und.Hof.de. Rabatte sind Wunsch der Kunden und gehören zu einem freien Markt. Wenn irgendjemand die Preise senke, dass müssten die anderen mitziehen: „Wir werden bis auf weiteres Angebotspreise machen müssen!“. Auch hier haben die Franzosen seit Januar 2019 ein Gesetz, die Sonderaktionen zu reduzieren. Für Paris ein Baustein gegen die Lebensmittelverschwendung.
Die Promotion ist im LEH unverändert hoch und geht vereinzelt nur leicht zurück, wie die Düsseldorfer Information Resources GmbH in ihrer Analyse zeigt [5]. Es dauert lange, bis der Handel reagiert. Julia Klöckner warf einen Seitenblick auf Magel: „ Sie erziehen ihre Kunden zu niedrigen Preisen.“
Die Ministerin braucht also kein Gesetz, um erfolgreich zu sein. Sie lässt es durch das Thünen-Institut über ein Monitoring wissenschaftlich begleiten. Ende Juni 2019 wird es vorgestellt und zeigt dann an, wer wo am effektivsten gegen Lebensmittelverschwendung vorgeht.
Lesestoff:
[1] Das MHD wird sogar auf Salz, Zucker und Essig aufgedruckt. Julia Klöckner: „Salz liegt Millionen von Jahren unter der Erde. Kaum gelangt es in den Handel, wird es mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum versehen.“
[2] Okay, das ist nicht neu. Die Politik hat im letzten Jahr endgültig die vormals angekündigte Überprüfung des MHD aufgegeben. Aldi Süd fährt zusammen mit den Landfrauen eine vergleichbare Kampagne: https://herd-und-hof.de/ernaehrung-/mhd-die-ewige-ueberpruefung.html
[3] Der Kühlschrank ist in der Regel höher temperiert als das Kühlmöbel im Handel: https://herd-und-hof.de/ernaehrung-/der-fehlerkuehlschrank.html
[4] Die Metro bietet ihren Gastro-Kunden die Resteboxen an: https://herd-und-hof.de/ernaehrung-/das-ist-gut-genug-fuer-den-naechsten-tag.html
[5] Sonderaktionen führen nicht zu mehr Abverkauf: https://herd-und-hof.de/handel-/fmcg-markt-muss-endlich-umdenken.html
Roland Krieg; Fotos: roRo