Kochen auf dem Holodeck

Ernährung

Hausgeräte für jeden Kunden

Den Verbraucher gibt es schon lange nicht mehr. Es gibt viele Verbraucher. Neben dem traditionellen Familienhaushalt spaltet sich die Familie oft in ein Patchwork auf mehrerer Haushalte auf. Studenten bewohnen Einpersonenhaushalte mit wenig, der Karrierist mit viel Einkommen, Alleinerziehende haben beim Einkauf einen anderen Fokus als Doppelverdiener ohne Kinder.
Die Gesellschaft wird älter, 40 Prozent der Lebensmittelausgaben werden „Außer-Haus“ ausgegeben, Tiefkühlkost und Chilled Food nehmen zu. Trotz der täglichen Kochshows im Fernsehen beklagen Ernährungswissenschaftler den zunehmenden „Analphabetismus“ in der Küche. Auf der anderen Seite liegt Wellness genauso im Trend, wie frische Biokost und das eigene Zubereiten. Allen Unkenrufen zu Trotz hat die Mikrowelle den Herd noch nicht verdrängt und die Küche behält ihren eigenen Raum im Wohnkonzept.
Die erstmals auf der Internationalen Funkausstellung IFA präsenten Haushaltsgeräte und Küchen passen sich den jeweiligen Lebensstilen und Bedürfnissen an. Überalterung, steigende Anzahl an Einpersonenhaushalten und kleiner werdende Küchen: Für Bosch und Miele kein Problem. Mit Showkochen wie auf der Grünen Woche locken sie die Kunden in ihre am Stand aufgebauten Welten – und präsentieren maßgeschneidertes.

CAVE für Design und Wartung
CAVE steht bei Miele für Computer Aided Virtual Environment und kommt eigentlich aus dem Flugzeugbau. In Gütersloh haben die Andreas EnsliniKüchenmeister einen 15 Quadratmeter großen Bildschirm aus Glas aufgebaut auf dem acht Kinobeamer gleichzeitig bis zu 14 Millionen Dreiecke berechnen und umwandeln können. Damit schafft Chefdesigner Andreas Enslin dreidimensionale Welten. Küchenwelten.
Auf der IFA ist ein kleiner Bruder des Geräts aufgebaut und nimmt den Betrachter in die Küche mit. Er kann nicht nur alle Blickwinkel im Raum ausprobieren, sondern die Haushaltsgeräte von der Waschmaschine bis zum Herd und Geschirrspüler richtig bedienen.
Bei dem Projekt geht es nicht um Forschung, sondern um den aktuelle Stand der Technik: Die Küchenbauer erzielen, so Dr. Markus Miele, rund 40 Prozent der Einnahmen aus dem Einbaubereich. Und so können die Betrachter die Holzvertäfelung an der Wand öffnen und Herd oder Backofen zur Benutzung herausfahren lassen.
Andreas Enslin blendet einmal das Bild durch. Sichtbar werden die vom Computer erstellten Dreiecke, die allen Gegenständen ihre dreidimensionale Form geben. Je mehr, desto präziser. So werden die Geräte virtuell designed, ihre Raumordnung zueinander verändert– und der Techniker kann schon jetzt ausprobieren, ob er bei einer späteren Wartung auch an die letzte Schraube an der Rückwand herankommt. Der ins Bild kommende Staubsauger besteht, so Enslin, aus 160.000 Dreiecken.
Miele hat mit der CAVE-Technik gerade erst begonnen und setzt branchenweit Maßstäbe. Die Entwicklungszeit eines neuen Haushaltsgerätes kann mit dieser Technik von acht auf fünf Jahre verkürzt werden und Miele spart sich den Bau eines teureren Prototyps, so Enslin. CAVE verursacht deshalb auch keine Mehrkosten auf das Endgerät.

Die Küche passt sich dem Alltag an
Auch wenn es bei CAVE vordergründig um die technischen Aspekte geht, so sind dennoch auch andere Alltagsdimensionen umsetzbar. Die Veränderung der Haushaltsgrößen, der Markt für Convenience und das Kochverhalten sind für Andreas Enslin keine Fremdworte. Von Herd-und-Hof.de danach befragt, kann die CAVE-Technik auch die Interaktion zwischen Mensch und Küche widerspiegeln. Wenn der alleinstehende Berufstätige von Montag und Freitag keine eigene Küche braucht, weil er die Mikrowelle nutzt oder gleich Außer-Haus isst, kann er die Küche am Wochenende mit seiner Familie für die frische Zubereitung einer Mahlzeit dennoch haben wollen. Was also werktags überflüssig ist, muss am Sonntag für das Kocherlebnis jeden Komfort bieten. Auch solche Konzepte lassen sich mit CAVE abbilden.

Kochen im Jahr 2030
So hat die Raumdesignerin Miriam Wüstefeld für ihre Abschlussarbeit am Fachbereich Objekt- und Raumdesign der Fachhochschule Dortmund CAVE für einen Blick in die Zukunft nutzen können. Sie hat Zukunftstrends, wie beispielsweise von Matthias Horx, zusammen getragen und in 3-D projiziert. In der Stadtwohnung ist die Küche nicht mehr als solche zu erkennen. Sie verbirgt einen Teil in dem inselförmigen Objekt, welches sich in die gesamte Wohnlandschaft unauffällig einfügt. Geräte wie der Backofen befinden sich in dem Wandpaneel im Hintergrund und werden durch Antippen zur Bedienung herausgefahren.
Das entspricht nicht der Durchschnittsküche in einem Berliner Altbau, räumt die Designerin gegenüber Herd-und-Hof.de ein – aber der Herausforderung, Realität und Illusion überschreiten zu können. Die Vision beschreibt eben auch die emotionale Dimension der Küchenwelt:
Wohnen im Holodeck

Kunden bauen ihren Wunschherd
Harte Fakten über den Wunschherd privater Köche präsentiert Bosch. Zusammen mit einem Kölner TV-Sender, der sich täglich 24 Stunden mit dem Thema Kochen beschäftigt, rief Bosch die Kochliebhaber im April auf, anhand von 10 Fragen ihren Wunschherd zusammen zu basteln. Im Rahmen der Aktion „Deutschland kocht“ haben mehr als 25.000 Teilnehmer mitgemacht und Bosch konnte den „Wunschherd“ der Verbraucher auf der IFA erstmals präsentieren.
Hans-Joachim Winzeck, Designer von Bosch, sieht demnach die Farbe Weiß beim Herd im kommen. 80 Prozent wünschen zwar noch Edelstahl, aber weißes Design nimmt schon acht Prozent der Kundenwünsche ein. Ein weiteres wichtiges Ergebnis des Verbrauchervotums ist das Thema Energiesparen. Bei 87 Prozent der Hans Joachim Winzeck praesentiert den WunschherdKöche steht das auf der Wunschliste ganz oben. Daher läuft das Induktionsfeld dem Gasherd mittlerweile den Rang ab. Rund 90 Prozent der Energiesparkunden wären auch bereit, mehr die entsprechende Technik auszugeben.
Eine Umkehr gibt es bei den Displays. Hier wünschen sich die Kunden eine Rückkehr zur Schriftform und das Verschwinden der Symbole. Und noch etwas steht bei den Verbrauchern ganz hoch im Kurs: Die Programmwahl beim Herd. Vorbei sind die Zeiten, als die Kunden mit Topflappen und Holzstäbchen den Backofen öffnen, um nach dem Fleisch zu schauen. Heute gibt der Konsument Fleischart und Gewicht im Display ein und die Kalbshaxe ist nach zwei Stunden und 20 Minuten fertig. Ohne Drehen und Wenden, ohne den Ofen einmal zu öffnen. Der Herd reguliert die Temperatur selbsttätig.
Im Gespräch mit Herd-und-Hof.de spricht Winzeck vom veränderten Kochverhalten der Menschen. Bedienfreundlichkeit steht an erster Stelle. Die Kunden wollen sich nicht mehr um die Zubereitung der Speisen kümmern und den Herd einfach bedienen können. Deshalb weist der Wunschherd auch 50 Programme für den schnellen Abruf auf – inklusive Fisch. Diese Zahl überraschte auch Winzeck.
Das muss nicht mit den Wünschen nach gesundem Gemüse und Produkten aus der Region widersprechen, sagt Hans-Joachim Winzeck. Zeit wird immer wichtiger, auch in der Küche.
Zwei der drei Gewinner aus der Wunschherdaktion haben das Gerät gleich in Berlin in Empfang genommen. Der Herd soll auch in den allgemeinen Handel kommen, doch steht dafür der Termin noch nicht fest.

Klimagaren
Klimagaren, der neue Trend auf der IFA. Den Kniff, mit dem Bäcker ihre Kunden verwöhnen, hat Einzug in den privaten Haushalt gefunden. Hitze trocknet Brot und Backwaren aus. Deshalb hat der Bäcker immer ein bisschen Wasser auf das Brot gespritzt, damit es knuspriger wird und sogar glänzt. Das machen heute die Backöfen selbsttätig und verteilen nach Programm Wasserdampf im Backraum. Für das Brot wie beim Bäcker.

IFA wird Alltag
Vorbei sind die Zeiten, als Dieter-Thomas Heck die Hitparade aus dem Sommergarten des Berliner Messegeländes „live von der IFA“ präsentierte. Im Dezember 1924 fiel der Startschuss für die erste „Große Deutsche Funkausstellung“. Rundfunk und Fernsehen hatten ihre großen Auftritte und die Messe für sich vereinnahmt. Hier wurde die Ultrakurzwelle UKW 1950 vorgestellt, fünf Jahre später das Transistorradio, 1979 die CD oder das Breitbildfernsehen 1989. Nach Fernsehen und Rundfunk spielte zuletzt die Unterhaltungsindustrie eine wachsende Rolle.
Doch weil sich die Märkte immer stärker Verzahnen hat sich mit der „Home Appliance“ jetzt auch die Elektrohausgeräte-Industrie mit ihrer „weißen Ware“ hinzugesellt. Damit wird die IFA, obwohl vordergründig Ordermesse für die Auftragsbücher, eine Messe für den Alltag.
Das Thema Energiesparen ist bei allen Herstellern vertreten. Alte Hausgeräte verschwenden nach Angaben des Zentralverbands für Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) rund 44 TWh elektrische Energie. In europäischen Haushalten sind noch etwa 180 Millionen Geräte vorhanden, die älter als 10 Jahre sind.
Umfangreiche Informationen über den Energieverbrauch von Haushaltsmaschinen bietet www.ecotopten.de.

Roland Krieg; Fotos: roRo (2); Designstudie: Miriam Wüstefeld

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