Kochen zwischen Radio und Licht - Teil I
Ernährung
Jubiläumsjahr der schnellen Welle
Als Don Murray das Büro von Percy Spencer in der Raytheon Manufacturing Co. in Waltham, Massachusetts, betrat, überfiel ihn Percy Spencer von seinem Tisch aus gleich mit einem Hagel an Fragen: „Hi Don! Wo hast du die Schuhe her? Sind sie bequem zu tragen? Warum sind sie auf diese Weise genäht?“
Obwohl es durchschnittliche Mokassins gewesen sind, trug Don wenig später nur noch einen Schuh – der andere wurde von Percy Spencer auf das genaueste untersucht.
So müssen sie sein. Die Erfinder, deren Entdeckungen um die Welt gehen. Percy Spencer half ein Magnetron, eine Röhre, die im Vakuum Mikrowellen erzeugt und für das britische Radarsystem gegen Ende des Zweiten Weltkriegs anfliegende Bomber identifizierte. Die Wissenschaftler wussten um den Wärmeeffekt des Magnetron. Aber Spencer wusste ihn zu nutzen.
Geschmolzene Schokolade
Spencer hatte den Wärmeeffekt eher zufällig entdeckt, als ihm neben dem Magnetron der Erdnussschokoriegel in seiner Tasche schmolz. Darauf hin ließ er sich eine Packung Maiskörner holen und hielt sie vor das Gerät: Popkorn explodierte durch das gesamte Labor. Readers Digest-Autor Dan Murray beschreibt 1958 weiter, wie Spencer am nächsten Tag mit einem Kessel wieder kam, ein Loch hineinbohrte, ein rohes Ei hineinlegte und vor das Magnetron hielt. Genau in dem Moment, als eine Ingenieur über den Kesselrand hineinlugte, spritzte das gekochte Ei hinaus. Das Eigelb kochte vor dem Eiweiß und brachte das gesamte Ei zum platzen. Spencer hatte zwei Dinge gelernt: Mit Mikrowellen kann man kochen. Mit Mikrowellen kann man ganz schnell kochen.
Die Welle für den Haushalt
Vor 40 Jahren baute die amerikanische Firma Amana, ein Tochterunternehmen von Raytheon, die erste Mikrowelle im kleinen Haushaltsdesign. Die Leistung betrug 115 Volt, das Gerät kostete 495 US-Dollar und briet Hamburger in 35 Sekunden.
Da gab es die Mikrowelle bereits seit 20 Jahren – aber nur in Maxigröße. 1947 brachte Raytheon das erste Gerät auf den Markt: Gut 1,80 Meter groß, 340 kg schwer und 5.000 Dollar teuer. Die ersten Geräte der schnelle Küche wurden in Restaurants, Zügen und auf Kreuzfahrtschiffen aufgestellt. Das Magnetron brauchte zur Kühlung noch zwingend eine Wasserinstallation.
Anteile Haushalte mit Mikrowelle | |||||
1998 |
2003 | ||||
D |
Alte Länder |
Neue Länder |
D |
Alte Länder |
Neue Länder |
50,8 % |
53,0 % |
41,2 % |
62,7 % |
63,2 % |
60,3 % |
Q: Statistisches Bundesamt |
Raytheon taufte das Gerät „Radarrange“, ein Name der noch heute von Amana genutzt wird. Möglich wurde die Verkleinerung der Geräte durch japanische Weiterentwicklung des Magnetrons in handliche Bauelemente. 1975 wurden in Amerika schon mehr Mikrowellenöfen als Gasherde verkauft.
Die kleine Welle passte in den amerikanischen Lifestyle. „Es war die Zeit der Astronauten, des intensiv aromatisierten Instant-Orangesaftpulvers und die Zeit der TV-Dinner“, sagte Amana Vize-Präsident Dixie Trout damals. Die Mikrowelle versinnbildlichte das Ende der Schufterei in der Küche und schien den Grundstein für die „Supermom“ zu legen: Haushalt, Kinder und Arbeit unter einem Hut.
Die Hitze kommt von innen
Mikrowellengeräte geraten öfters in Verdacht gesundheitsgefährlich zu sein. Bis 1971 war es auch so. 1968 hatten Untersuchungen des Walter Reed Hospitals herausgefunden, dass Wellen die Geräte auch verlassen können. Verbesserte Herstellungsstandards von 1971 haben das Problem jedoch gelöst. Die zugelassene Leckstrahlung ist international einheitlich geregelt und mit 5 mW/cm2 im Abstand von 5 cm zum Gerät festgelegt. Nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz weisen die aktuell zugelassenen Geräte nur ein Prozent dieses Wertes auf.
Mikrowellen sind keine Röntgenstrahlen und wesentlich energieärmer. Die Frequenz der elektromagnetischen Strahlung liegt zwischen Radiowellen und Infrarotwellen. Mikrowellen sind nicht ionisierend, d. h. sie spalten keine Atome ab und hinterlassen damit keine elektrisch unausgewogene überzählige Plus- oder Minuspartikel.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) weist auch eindringlich einen Bericht zurück, dass Mikrowellen eine L/D-Isomerisierung bei Aminosäuren in Milch hervorrufen würden. Lebensmittelinhaltsstoffe werden durch die Zubereitung in der Mikrowelle nicht anders belastet, als bei anderen Garmethoden auch.
Mikrowellen sind die kürzesten Radiowellen mit einer Länge von 0,1 Millimeter und Schwingungen von 3 x 109 Hertz. An den elektronisch erzeugten Mikrowellen schließt sich die Temperaturstrahlung, die durch die Temperatur des strahlenden Körpers bestimmt sind, an. Ultrarote und elektronisch erzeugte Mikrowellen überschneiden sich etwas.
Die Wellen selbst sind nicht warm oder heiß. Sie stoßen aber Teilchen an, die darauf in Schwingungen geraten und sich durch diese Reibung erhitzen. Unterschiedliche Teilchen, unterschiedliche Reibung und unterschiedliche Erwärmung. Das ist der Grund, warum es in Lebensmitteln zu so genannten „cold spots“ und „hot spots“ kommen kann. Der Drehteller sorgt für eine gleichmäßigere Einwirkung der Wellen. Milchfläschchen immer vor Gebrauch schütteln und testen, denn das Babyfläschchen fühlt sich von außen noch recht kühl an, die Milch jedoch ist bereits sehr heiß.
Hier liegt auch das einzige Manko der Mikrowellen: Durch die unterschiedliche Erhitzung besteht die Gefahr, dass Erreger wie Salmonellen oder Listerien in den „kälteren“ Lebensmittelregionen nicht vollständig abgetötet werden.
Morgen folgt Teil II: Mikrowelle: Hilfe oder Lebenseinstellung?
Roland Krieg