Laminaria ist Alge des Jahres 2007
Ernährung
Alginsäure aus Laminaria-Seetang
Wissenschaftler der Sektion Phykologie der Deutschen Botanischen Gesellschaft haben den Seetang der Gattung Laminaria zur Alge des Jahres ausgerufen. Dieser Seetang wird mehrere Meter groß und bildet mit anderen Großalgen den „Regenwald des Meeres“.
Es ist das erste Mal, dass eine „Alge des Jahres“ gewählt wurde. Die Algenforscher wollen damit die Öffentlichkeit auf die wichtigsten Produzenten des Sauerstoffs unserer Erde aufmerksam machen. Allein die Gruppe der Kieselalgen, die Diatomeen, ist für ein Viertel der weltweiten Sauerstoffproduktion verantwortlich. Zwei Drittel der Erdoberfläche ist vom Meer bedeckt und die lichtdurchfluteten Zonen sind die Heimat der Algen.
Palm-, Finger- und Zuckertang
Seetange der Gattung Laminaria wachsen in ausgedehnten Unterwasserwäldern in den kühlen Meeren der Nordhalbkugel. In Nord- und Ostsee krallen sich der Palmentang (Laminaria hyperborea), der Zuckertang (Laminaria saccharina; neuer Name Saccharina latissim) und der Fingertang (Laminaria digitata) auf felsigem Meeresgrund fest und streben dem Licht entgegen. Dabei halten sich die Braunalgen ähnlich wie Landpflanzen mit wurzelähnlichen Haftkrallen, den Rhizoiden, fest und weisen einen stammähnlichen Stiel (Cauloid) mit einem blattähnlichen Wedel, dem Phylloid, auf.
Insgesamt bilden sie ein einzigartiges Ökosystem, dass ihnen den Beinamen „Regenwald des Meeres“ eingebracht hat. Diese Unterwasserwälder sind Lebensraum und Kinderstube vieler Meerestiere, wie Fische und Krebse. Vom Seetang ernähren sich Seeigel, Schnecken und Meerasseln, Mikroben zersetzen abgeworfene Algenteile und dienen ihrerseits wieder als Futter für Tiere, die Schwebteile aus dem Meer filtern. Vor Helgoland reichen die Unterwasserwälder bis in 10 Meter Tiefe hinab – im Mittelmeer sogar bis zu 120 Meter. Vor Norwegen dehnen sie sich auf mehrere Quadratkilometer aus, ein Mehrfachs der Fläche des Saarlandes.
Ungewöhnliches Wachstum
Während im offenen Wasser einzellige, schwebfähige, mikroskopisch kleine Algen vorkommen, die gemeinhin als Phytoplankton bekannt sind, gedeihen an Felsküsten bis zu 50 Meter lange Großalgen. Die drei genannten Laminaria-Arten wachsen hauptsächlich im Spätwinter und im Frühjahr, also wenn nur wenig Licht bis zu ihnen vordringt. So bildet der Palmentang in dieser Jahreszeit jährlich ein Blatt. Das junge Blatt schiebt dabei das vorjährige langsam nach oben. Die notwendigen Bausteine für das Wachstum gelangen in speziellen Transportbahnen, den so genannten Trompetenzellen, zur Wachstumszone zwischen Stiel und Blatt. Dabei werden Stoffe aus den Blättern des Vorjahres wieder verwendet.
Trotzdem ist es sinnvoll, in dieser Jahrezeit zu wachsen: beginnt die Frühjahrssonne intensiver zu scheinen, kann das junge Blatt gleich mit der Energieproduktion beginnen.
Als und in Lebensmittel
Algen bilden in Ostasien eine wertvolle Ergänzung zur Reis- und Fleischkost und sorgen für eine ausreichende Versorgung mit Vitaminen und Mineralien. Laminaria wird in Japan traditionell auf mehrere Arten zubereitet: Dünn geschnitten als Beilage zu Fleischgerichten, oder mit Wasser als Getränk oder Suppe, gefriergetrocknet als Knabbernahrung, aber auch überzuckert als Süßigkeit. Asienbesuchern sind die Vokabeln Kombu (japanisch) oder Haidai (chinesisch) sicher ein kulinarischer Begriff für Laminaria. Daneben finden Arten der Gattung Undaria (Wakame und Qundai-cai) Verwendung. Diese Arten sind etwas weicher im Geschmack und Hauptbestandteil der japanischen Miso-Suppe.
Allerdings sind uns Algenbestandteile auch in der europäischen Küche alles andere als unbekannt. Aus wechselnden Anteilen Mannuronsäure und Guluronsäure baut sich in Braunalgen das Polysaccharid Alginsäure auf, das als Salz Alginat in vielen Lebensmitteln und Kosmetika vorhanden ist. Es wird industriell durch eine alkalische Reaktion aus Braunalgen gewonnen.
E 400
Braunalgen weisen 15 bis 40 Prozent Alginat in ihrem Trockengewicht auf und erfahren eine wachsende Wertschätzung der Nahrungsmittel-, chemischen und medizinische Industrie. Der Bedarf an Alginat stieg nach Angaben der Universität Tübingen seit der ersten Nutzung in den 1920er Jahren von 8.000 Tonnen im Jahr 1958 über 14.000 t (1964), 21.500 t (1985) auf 27.000 t im Jahr 1996.
Alginat verleiht cremigen Lebensmitteln eine gelartige Konsistenz und wird daher gern in Marmeladen, Desserts, Puddingpulver, Speiseeis oder Aspik eingesetzt. Bei der Herstellung von Schaumweinen dient Alginsäure zum Entfernen der Hefen. Zudem wird sie als Trägerstoff für Aromen und anderen Zusatzstoffe eingesetzt – oder als Kapselbestandteil in der Medizin. Auf der Zusatzstoffliste muss Alginat als E 400 gekennzeichnet sein, und hat außer bei Marmeladen und Konfitüren (10 g/kg) und bei Desserts (5 g/kg) keine festgelegte Höchstmenge. Dann darf es aber nur so weit zugesetzt werden, wie es für die gewünschte Wirkung notwendig ist: Quantum satis.
Alginate gelten als unbedenklich, da sie nicht vom Körper aufgenommen werden. Auf Grund der blutstillenden Wirkung wird Kalzium-Alginat häufig als Wundverschluss verwendet.
Seetang-Ernte
Um den stetig anwachsenden Bedarf an Alginsäure zu decken, schneiden spezielle Trawler allein in Frankreich mittlerweile jährlich rund 75.000 Tonnen Laminarien aus den natürlichen, nachwachsenden Beständen. Das meiste in Europa kommt aus den Meereswäldern der Bretagne und Hebriden. In den USA ist die kalifornische Küste das Hauptnutzungsgebiet. Zur Deckung des steigenden Bedarfes werden derzeit landgestützte Produktionsstellen entwickelt.
In Ostasien werden Zoosporen von Laminaria japonica im Sommer auf dünnen Seilen in Tanks gehängt, die mit 10 Grad Celsius kühlem Meerwasser durchspült werden. Die Seile werden mit einem Betonsockel beschwert und mit einem schwimmfähigen Luftballon versehen senkrecht ins Meer gestellt. In Asien werden dabei wöchentlich Wirtschaftsdünger in die Tanks gespritzt, um Nährstoffengpässe zu vermeiden.
In den vergangenen Jahren gab es wiederholt alarmierende Hinweise über einen drastischen Rückgang der Laminarien-Bestände, der, so die Algenforscher, möglicherweise mit der Erwärmung der Ozeane zusammenhängt – denn Seetang gedeiht nur in kühlen Meeren.
Lesestoff:
Das auf die Algen spezialisierte Teilgebiet der Botanik ist die Algenkunde: Phykologie. Gleichzeitig ist es eines der fünf Sektionen der 1882 in Berlin gegründeten Deutschen Botanischen Gesellschaft (DBG) und damit eine der ältesten Botanischen Gesellschaften der Welt. Die Algenkundler untersuchen Algen wissenschaftlich und bearbeiten unter anderem taxonomische, ökologische, physiologische und molekularbiologische Fragestellungen an Mikro- und Makroalgen. Zu erreichen ist die DBG unter www.deutsche-botanische-gesellschaft.de
roRo; Fotos: Dr. Markus Molis; Alfred-Wegener-Institut