Lebensmittel oder Arzneimittel?
Ernährung
Expertenkommission will Klarheit bei Lebens- und Arzneimittel
Kräuter wie Melisse, Johanniskraut und Ginkgo, probiotische Kulturen oder der aus fermentiertem roten Reis gewonnene Stoff Monacolin K - die Liste von Rohstoffen und Substanzen, denen arzneiliche Wirkungen zugesprochen werden können ist nahezu unerschöpflich. Solche Zutaten dürfen grundsätzlich in Lebensmitteln enthalten sein. Dabei reicht oft allein die Präsenz dieser und auch anderer exotischer Zusätze, um einem Produkt eine gesundheitsförderliche Note zu verleihen oder um auf andere Weise Bedürfnisse beim Verbraucher zu wecken.
Insbesondere der Online-Handel bietet eine große Vielfalt von Produkten, die zwar den Anschein eines Lebensmittels erwecken, jedoch möglicherweise als zulassungspflichtiges Arzneimittel oder als nicht sicheres Lebensmittel einzustufen wären. Das bereitet den Überwachungsbehörden zunehmend Kopfzerbrechen. Häufig müssen Gerichte entscheiden, ob im Einzelfall ein Lebensmittel oder ein zulassungspflichtiges Arzneimittel vorliegt. Das Problem dabei: Zu ein und demselben Stoff gibt es mitunter widersprüchliche Urteile.
Mangels wissenschaftlicher Studien und konkreter Wirknachweise tendiert die Rechtsprechung dazu, ein Produkt als Lebensmittel einzustufen, wenngleich es Stoffe enthält, die auch arzneilich wirken könnten. Hinzu kommt, dass es mitunter um Stoffe geht, bei denen gänzlich unklar ist, welche Wirkungen sie im menschlichen Körper haben. Manch ein Hersteller greift bei der Kreation innovativer Lebensmittel auf die Traditionen von Naturvölkern oder der fernöstlichen Medizin zurück - eine Wissensgrundlage, die durchaus Fragen offen lässt. Doch auch um ein Lebensmittel als nicht sicher im Sinne des Gesetzes zu beurteilen, werden wissenschaftlich fundierte Belege gefordert. Ein Teufelskreislauf.
Vor diesem Hintergrund ist es zumindest fraglich, ob dem gesundheitlichen Verbraucherschutz angemessen Rechnung getragen wird. Klare Kriterien für die Einstufung innovativ zusammengesetzter Lebensmittel und ihre Sicherheitsbewertung sind daher dringend erforderlich, etwa um den Vollzug der amtlichen Überwachung vor Gericht besser durchsetzen zu können. Klarheit soll hier eine neue Expertenkommission des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) schaffen.
Ende Januar 2013 wurden sechs externe Sachverständige unterschiedlicher wissenschaftlicher Disziplinen wie der Toxikologie, der Pharmakologie, der Ernährungsmedizin sowie des Arzneimittel- und Lebensmittelrechts in das Gremium berufen. Sie sollen gemeinsam mit Vertretern aus der Lebensmittel- und Arzneimittelüberwachung und der behördlichen Risikobewertung Stellungnahmen und Kriterienkataloge erarbeiten, die die Abgrenzung von Lebensmitteln und Arzneimitteln in der Praxis erleichtern und zudem eine Sicherheitsbewertung ermöglichen sollen.
Dr. Christina Rempe, www.aid.de