Lebensmittelwerbung: Verbot bis 21:00 Uhr?
Ernährung
Präventionsgesetz und Selbstverpflichtung
In dieser Woche hat das Bundesgesundheitsministerium einen Referentenentwurf für ein Präventionsgesetz zur Vermeidung von Krankheiten vorgelegt. Das Vorhaben zielt darauf ab, ungesunden Lebensweisen, wie etwa schlechter Ernährung, entgegenzuwirken. Es soll ein Nationaler Präventionsrat gebildet werden, der über Ziele und Qualitätsansprüche sowie über bundesweite Aufklärungskampagnen in Abstimmung mit den Ländern entscheidet. Derzeit geht es noch vornämlich um die Finanzierung der Umsetzung, an der gesetzliche und private Krankenkassen, gesetzliche Renten- und Unfallversicherung wie auch die Pflegeversicherung beteiligt werden sollen.
Übergewicht und Schlankheitswahn
Die KIGGS-Studie hat herausgearbeitet, dass Migrationshintergrund und schlechter sozialer Status von Familien Fehlernährung bei Jugendlichen begünstigen kann. Umgekehrt bemängelt der aid infodienst in dieser Woche, dass keine „Werbeanzeige, kein Cover einer Modezeitschrift, kein Musikvideo ... heute noch ohne elektronische Retusche“ auskommt. Das schlanke Schönheitsideal haben Marketingstrategen und Designer in den 1960er Jahren kreiert.
Fehlernährung nimmt zu, weil Verbraucher wirklich nicht mehr das richtige Maß kennen? Kann nur noch ein Gesetz uns schützen?
Selbstverpflichtung der Industrie
In Brüssel diskutierten jüngst Lebensmittelindustrie und Verbraucherschutzorganisationen über die beste Prävention. Aleksandra Wesoloska, Ernährungsreferentin vom Büro der Europäischen Verbraucherorganisationen steht Selbstverpflichtungen der Industrie und dem europäischen Weißbuch gegen Übergewicht skeptisch gegenüber: „Wir sind enttäuscht, dass die EU nicht konkrete Regeln für Lebensmittelwerbung bei Kindern erlassen hat.“ Unterstützt wurde sie von Marleen Kestens vom Europäischen Herznetzwerk: „Wir glauben nicht, dass eine Selbstverpflichtung bei Werbung sinnvoll ist. Es sollte ein generelles Werbeverbot bis 21:00 Uhr geben.“
„Über den Tellerrand“ |
Zumindest bei Kindern unter sechs Jahre verzichtet Unilever auf gezielte Bewerbung, sagte Marketing-Vizepräsident Cees ´t Hart. Bei Kindern bis 12 Jahre würden nur Produkte beworben, die „gut für Kinder“ seien.
Problem Etikettierung
Wie Lebensmittel richtig zu kennzeichnen sind, wird auch das Präventionsgesetz nicht lösen. Die derzeitige Eckpunkteregelung steht auch in der Kritik. Das führt auch ´t Hart an: Trotz vielfältiger Ansätze, finden Verbraucher die Etikettierung immer noch zu kompliziert. Mangelnde Erkennbarkeit ist nach Basil Mathioudakis, EU-Generaldirektor für Gesundheit und Verbraucherschutz die häufigste Beschwerde von Verbrauchern.
So haben sich im Juni 2007 Campina, Friesland Foods und Unilever zur Choices International Foundation zusammen gefunden , um ein einziges Label zu entwickeln, dass dem Verbraucher Einfachheit und Vertrauen signalisiert und dem Handel ein offenes und internationales Programm zum Einstieg anbietet.
Verbraucher müssen nicht mehr viele Informationen ablesen, sondern finden hinter dem Siegel gleich ein ganzes Paket an Kriterien. Dabei werden gesättigte Fettsäuren, Transfettsäuren und Salz sowie hinzugegebenes Salz und Inhaltsstoffe berücksichtigt, die negative Effekte auf die Gesundheit haben. Ein günstiger Gehalt an Ballaststoffen ist berücksichtigt:
Inhaltsstoff |
Empfehlung WHO |
Choice-Siegel |
Gesättigte Fettsäuren |
10 % |
13 % |
Transfette |
1 % |
1,3 % |
Salz |
1,2 mg/kcal |
1,6 mg/kcal |
Hinzugefügter Zucker |
10 % |
13 % |
Ballaststoffe |
1,3 mg/kcal |
1,3 mg/kcal |
Q: Choices International Foundation |
Die Werte weichen nach oben ab, weil die Choice Foundation davon ausgeht, dass den Tag über auch Produkte verzehrt werden, die keine oder nur wenig dieser Inhaltsstoffe aufweisen.
Dr. Léon Jansen von der Foundation beschreibt, dass die Kriterien alle zwei Jahre neu bewertet werden. Eine unabhängige Kontrollstelle prüft, ob die Produkte für das Siegel zugelassen werden, ein Audit prüft die Ware im Handel und ein Evaluierungsprogramm wertet aus, inwieweit das Programm bei den Kunden ankommt, analysiert das Kaufverhalten sowie die gesundheitlichen Auswirkungen.
In den Niederlanden sind mittlerweile über 1.500 Produkte mit dem Choice-Siegel ausgezeichnet.
Lesestoff:
Mehr Informationen gibt es unter www.choiceinternational.org
roRo