Lesen, Schreiben und gesundes Essen

Ernährung

Wedding startet mit „Iss bunt und gesund“

Die beiden Schirmherren der bundesweiten 5 am Tag-Aktionswoche vom 13. bis zum 20. Oktober, Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und Landwirtschaftsminister Horst Seehofer, sind sich einig: Damit Kinder sich gesund ernähren, muss es neben Aufklärung und Projekten auch ein praktisches Angebot geben. Basis ist der Wissenschaftsrat von 5 am Tag, der Erfolge aus verschiedenen Schulfruchtprogrammen verzeichnen kann. Norwegische Kinder wurden durch ein neunmonatiges kostenfreies Schulfruchtprogramm motiviert, selbst drei Jahre später noch eine halbe Portion Obst am Tag mehr zu essen.
Die Aktionswoche „Iss bunt und gesund“ wird das in der kommenden Woche an 300 Schulen bundesweit in die Praxis umsetzen.

„Mehr als nur Lesen und Schreiben“
Drei Viertel der Kinder geht es gut. Der Kinder- und Jugendsurvey (KiGGS) zeigte jedoch auch, dass 15 Prozent der Kinder übergewichtig und davon sechs Prozent adipös sind. „Gesunde Kinder lernen besser“, sagte Ulla Schmidt gestern in einer Weddinger Grundschule zur Iss bunt und gesundAuftaktveranstaltung der Aktionswoche. Am liebsten sähe sie es, dass die Kinder morgens eine halbe Stunde Sport treiben, damit auch die Bewegung nicht zu kurz kommt. Die Schule als Aktionsort sei besonders wichtig, weil hier das Essverhalten bereits im Kindesalter geprägt wird. Jetzt könne man bereits realisieren, was mit dem Präventionsplan erst noch festgelegt werden muss: Die Aktion schärfe und präge das Bewusstsein, für sich selbst etwa zu tun. Gegen Krebs und Demenz. Die Grundschule in Wedding wurde für den Start der Aktionswoche ausgesucht, weil sich in dem Berliner Bezirk Migrationshintergrund und Familien mit sozialen Schwächen konzentrieren. Und damit den Hintergrund für die Kinder bilden, die besonders anfällig für Übergewicht sind. „Wir gehen dort hin, wo die Probleme sind“, konstatierte Schmidt.

„Den meisten Menschen ist nicht bewusst, dass es nicht nur die Menge an Nahrung, sondern auch die Qualität des Essens ist, die kritische Auswirkungen auf das Wachstum, die Gesundheit und Lernfähigkeit von Kindern hat. Essen ist nicht nur ein biologischer Prozess, sondern beruht auf erlernten Gewohnheiten und Erkenntnissen, sowie auf kultureller und sozialer Basis. Deswegen ist Ernährungserziehung so wichtig.“ Das sagte gestern Ezzeddine Boutrif, Direktor der Abteilung Ernährung und Verbraucherschutz bei der FAO in Rom . Zwei Drittel übergewichtiger und adipöser Menschen leben bereits in Entwicklungsländern. Deshalb hat die FAO gestern ein in englischer und französischer Sprache verfügbares Handbuch für gesunde Ernährung vorgestellt. Es richtet sich an Ministerien, Lehrer und Gesundheitsexperten, dient nicht dem eigentlichen Unterricht, sondern gibt Richtlinien vor, an Grundschulen ein Ernährungsprogramm aufzubauen: www.fao.org. „Ernährungsunterricht in Schulen hilft, die Kosten für ernährungsbedingte Krankheiten zukünftiger Generationen zu verringern“, fügte Boutrif hinzu.
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Einarmiger Handstand ...
Die jüngeren Leser werden „Sportacus“ sicher kennen. Im fein gestreiften Anzug wirbelte Aerobicweltmeister Magnus Scheving vor der Gesundheitsministerin in den einarmigen Handstand – lächelte und biss in den Apfel, seinem „Sport-Candy“. Den älteren Lesern sei erklärt, dass er der Superheld in Lazy Town ist, einer Kindersendung, die er in Island konzipiert hat. Über lustige und spannende Geschichten im Fernsehen transportiert er ein gesundes und sportives Vorbild für die kleinen Zuschauer: „Umwelt und Gesundheit sind die beiden wichtigsten Schwerpunkte“ und Scheving hatte festgestellt, dass es dort noch keinen eigenen Raum für Kinder gebe.

Nordrhein-Westfalen hat gestern in Düsseldorf das neue Ernährungsportal NRW freigeschaltet. Informationen rund um das Thema richten sich mit Beispielen aus der Praxis auch an Kindertagesstätten und Schulen. Mit einer Karte von NRW können Akteure und Fachleute Ansprechpartner in ihrer Nähe finden. Das Portal ist ein Gemeinschaftsprojekt des Landwirtschafts- und Umweltministeriums, der Verbraucherzentrale NRW, der AOK und dem Landesamt für Natur und Umwelt: www.ernaehrungsportal.nrw.de
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In Island sei der Obstverzehr um 22 Prozent erhöht und der Anteil übergewichtiger Kinder um 16 Prozent auch durch diese Serie zurückgegangen, sagte „Sportacus“. Die Serie läuft mittlerweile in 107 Ländern und hat sogar eine Live-Show auf die Beine gestellt.
Nicht nur Privatfernsehen und das Gesundheitsministerium bestreiten die Aktionswoche. Das 5 am Tag-Netzwerk wird bundesweit an 700 Ganztagsschulen eine Viertelmillion Äpfel verteilen. Die Aktionswoche wird in Supermärkten, Betriebsrestaurants, auf Märkten und in Freizeiteinrichtungen auf sich aufmerksam machen.
In Berlin sind noch die Berliner Krebsgesellschaft und die Barmer Krankenkasse als Unterstützung dabei.

... und ein Drahtseilakt
Nun ist das ganze im Kern ja nicht neu und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat kürzlich zusammen mit dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BMELV) die Qualitätsstandards für die Schulverpflegung vorgestellt. Neben Lebensmitteln sind Raumgestaltung und Management genauso wichtig und könnten den Schülern auch in anderer Weise nützlich sein. Trotzdem oder deswegen scheint das alles kein Selbstläufer zu sein, denn die Lieblingsidee des BMELV, Ernährung und Bewegung ein eigenes Schulfach zu geben, findet offenbar keine Ländermehrheit. Da hat Herd-und-Hof.de gestern auf dem Pausenhof bei Staatsekretär Dr. Gerd Müller noch einmal nachgefragt:
Die Bundespolitik könne nur Anstöße geben und Kriterien formulieren, sagte er. Umsetzen müssen das die Bundesländer in eigener Regie, wobei es dort noch „erhebliche Defizite“ gäbe, formulierte Dr. Müller. Wenn Kinder ohne Frühstück in die Schule kämen, sei das ein unhaltbarer Zustand. Konkret gehe es bei den Aktionen und Standards um die Veränderung der Wirklichkeit, um das Anpassen an das Ideal. Und dazu gehöre weiterhin die Vermittlung von Ernährungsbildung. In den Schulen müsse es einen Mindeststandard an Verpflegungsqualität geben.
Und damit hält das BMELV an seinen Plänen fest, eine eigenes Schulfach zu kreieren.

Schulhof oder Bauernhof?
Die Schulfachinitiative hat auch bei Deutschlands ältestem Ökoverband, Demeter, Anklang gefunden. Vorstand Joachim Bauck geht sogar noch einen Schritt weiter und fordert zur Initiative „Schüler auf die Höfe“ auf. Auf seinem Hof in der Lüneburger Heide erleben zwölf bis 14 Schulklassen mit bis zu 40 Schülern für jeweils zwei Wochen hautnah, wie Lebensmittel entstehen. „Das überzeugt mehr als jeder Unterricht“, sagte Bauck. Die Schüler arbeiten auf dem Feld, im Stall, im Wald oder bei der Heckenpflege mit und helfen in der Küche, wo für die gesamte Hofmannschaft gekocht wird. Bauck wünscht sich, dass dieses Beispiel im wahrsten Sinne des Wortes Schule macht.
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Die Weddinger Grundschule bietet in diesem Jahr erstmals ein so genanntes Freitagsbüfett für die 6. Klasse an. Schüler, Lehrer und Erzieher setzen dabei Erfahrungen über gesunde Ernährung gleich in die Tat um.

Lesestoff:
Weiteres zur Aktionswoche und alle Termine in Ihrer Nähe finden sie unter www.machmit-5amtag.de
Weitere Teilnehmer sind www.berliner-krebsgesellschaft.de und mit ihrem Bewegungstest die www.barmer.de.
Die Ministerien erreichen Sie unter www.bmg-bund.de und www.bmelv.de. Mehr über Lazy Town finden Sie unter www.toggo.de

Roland Krieg; Foto: 5 am Tag

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