Linsen, nicht nur in der Not
Ernährung
Hülsenfrüchte kommen wieder in die Küche
>Auf dem Land ist es vielfach noch eine Selbstverständlichkeit, dass Kartoffeln eingekellert werden, eigene Konfitüre gekocht wird und manche sogar Schinken und Speck räuchern. Angesichts der ständigen Warenvielfalt des Supermarktes gibt es kaum noch die Notwendigkeit, einen Notvorrat an Lebensmitteln im Haus zu haben. Damit geraten aber auch Lebensmittel in den Hintergrund, die es alles andere als verdient haben: Linsen beispielsweise, von denen früher immer welche in den Vorratsschrank gehörten.Gourmet-Linsen
Große, kleine, helle, grüne, gelbe und sogar schwarze Linsen gehören weltweit in die Küche, haben allerdings durch die schlechten Nachkriegszeiten und Eintopfsonntage bei uns den Ruf des Arme-Leute-Essens. Feinschmecker bringen aber die flachen Hülsenfrüchte wieder zurück in die Küche.
Für ein Linsengericht gab Esau sein Erstgeburtsrecht her und es werden wohl rote Linsen gewesen sein, die noch heute in der arabischen Welt besonders beliebt sind. Vor 10.000 Jahren wurde das Gemüse bereits in Ägypten angebaut und gehört damit zu den ältesten Lebensmitteln der Menschheit. Haupthandelszentrum und Anbaugebiet war die Stadt Phacusa, die von den Römern "Lentulus" getauft wurde. Daher haben sie auch den botanischen Namen Lens culinaris. Während sich das Imperium Romanum aus Ägypten versorgte, stammen die europäische Linsen fast nur noch aus Spanien. Die meisten werden heutzutage aus Russland, Chile, Argentinien, den USA und aus Vorderasien importiert.
Ältere Linsenfunde gibt es bereits auf dem Peloponnes in altsteinzeitlichen Schichten. Jüngere Funde zeigen, dass die Größe der Linse zunahm, so dass die Universität Giessen eine gezielte Kultivierung annimmt. Im Wesentlichen war die Linse eine Trauermahlzeit und bei den antiken Griechen und Römern eine Speise für das niedere Volk. Erwähnt wird sie aber ständig: In den Kräuterbüchern Karl des Großen oder bei der heiligen Hildegard. In den europäischen Mittelgebirgen wird sie meist mit Erbsen und Ackerbohnen angebaut, allerdings in kleinerem Maße. Bereits um 1840 hieß es: "Die Linse allgemein bekannt und eine sehr beliebte Kochfrucht, wird in Deutschland doch nur in geringer Ausdehnung und mehreren Gegenden gar nicht gebaut, hauptsächlich wegen der unsicheren und geringen Erträge." In der Eu-15 waren es rund 50.000 Hektar auf denen die Bauern Linsen anbauen. Weltweit werden auf drei Millionen Hektar etwa 2,5 Millionen Tonnen Linsen erzeugt und gewinnen auf der schwäbischen Alb auch wieder bäuerliche Beachtung.
Vom Brei zum Wirsingpäckchen
Die Linse ist ein Schmetterlingsblütler mit dem Gattungsnamen Lens Miller. Die Art Lens culinaris wird in die beiden Unterarten nigricans und esculenta unterteilt. In wärmeren Anbaugebieten überwintert die Pflanze, ist in Mitteleuropa aber einjährig. Die Linse hat eine schwache und wenig verzweigte Wurzel und einen Stängel, der aufrecht bis halbliegend, vom Grunde her verzweigt und weich behaart bis zu einem halben Meter groß werden kann. Die Blüten sitzen einzeln oder zu zweit auf Stielen, die so lang wie die Laubblätter sind.
Darin befinden sich die Hülsen von rhomboider Form und enthalten ein bis drei charakteristisch diskusförmige Samen. Diese sind bräunlich grün, hellbraun bis graubraun, rötlich und dottergelb bis dunkelbraun einfarbig oder fein punktiert bis marmoriert mit einem strichförmigen, schmalen etwa 1 mm langen Nabel. Die kleinen Linsen haben ein Tausendkorngewicht zwischen 20 und 35 g, die "großen" Linsen von 40 bis 60 g.
Aber sie haben es in sich, denn sie enthalten sehr viele Aminosäuren und dabei die essentiellen Methionin, Phenylalanin, Threonin, Isoleucin, Leucin, Trytophan und Valin. Deshalb werden sie in der modernen Vollwertküche auch empfohlen.
Allerdings sollte man sie auf jeden Fall kochen, denn Linsen enthalten "Phasin" - ein Stoff, der das Blut gerinnen lässt, aber durch das Kochen unschädlich wird.
Kleine Linsen sind meist so schnell gar, dass sie gar nicht eingeweicht werden müssen. Schwarze Beluga-Linsen sind nach 20 Minuten bereits wunderbar zart. Hingegen können uralte Tellerlinsen noch nach zwei Stunden einen mächtigen Biss aufweisen. Deshalb am Vorabend bereits mit zwei Handbreit Wasser bedecken, um die Garzeit auf 30 Minuten zu begrenzen. Der WDR gibt in seiner Servicezeit Essen und Trinken den Rat, trotz aller Rezeptvorschläge mit Salzwasser zu kochen. Das Salz muss nämlich in die Linsen eindringen können, sonst werden sie hart. Da Linsen überwiegend aus Eiweiß bestehen, soll auf sprudelndes Kochwasser ebenfalls verzichtet werden, denn Eiweiß wird bei zu großer Hitze hart.
Der WDR hat auch das Rezept Linsen im Wirsingpäckchen für vier Personen bereitet (von Martina Meuth und Bernd Neuner-Duttenhofer):
Dafür kocht man zunächst ein Linsengemüse, das mit ein paar pürierten Linsen eine schöne dicke Konsistenz bekommt. Mit den Linsen wird gepökeltes Schweinefleisch gegart, ganz langsam und am Stück, damit es schön saftig bleibt. Die Linsen werden in blanchierte Wirsingblätter zu Päckchen gewickelt und zum servieren noch kurz im Dampf erwärmt.
Zutaten Linsengemüse:
300 g Tellerlinsen; 2 Lorbeerblätter; 1 Bund Suppengrün; 800 g gepökelte und leicht geräucherte Schweineschulter oder Kasseler; 1 getrocknete Chilischote; Petersilie, Pfeffer, Muskat, Balsamico
Außerdem: 1 Wirsingkopf, 1-2 Zwiebeln; 50 g Butter
Zubereitung:
Die eingeweichten Linsen mit Lorbeerblättern und Salz gar kochen, dabei das fein gewürfelte Suppengrün sowie das Suppenfleisch von Beginn an mitkochen. Chilischote mitköcheln lassen (Schweineschulter braucht in etwa so lange wie Tellerlinsen, bei kleinen Linsen Kasseler nehmen).
Linsen und Schweinefleisch nur leise ziehen lassen, bis sie weich sind. Abkühlen lassen, bis man das Fleisch anfassen kann.
Das Fleisch mit Lorbeerblätter und Chilischote herausnehmen und das Wasser abgießen. Mit dem Pürierstab ein paar mal in den Linsen herumfahren, um einen Teil von ihnen zu zermusen und so die Masse anzudicken. Dabei auch die Petersilie mitmixen.
Erst jetzt das Fleisch zentimetergroß würfeln und unter das Linsengemüse mischen. Mit Salz, Pfeffer, Muskat und Balsamico abschmecken.
Den Wirsingkopf entblättern und die schönsten waschen und in Salzwasser blanchieren. Wenn nötig den Strunk entfernen. Jeweils ein Blatt oder sogar zwei Blätter so auf die Arbeitsfläche legen, dass man sie füllen kann: Die keilförmige Öffnung des Strunks übereinander legen, jeweils einen Löffel Linsengemüse mit Fleischwürfeln in die Mitte setzen, das Blatt zusammen schlagen und aufrollen. Das Röllchen auf die Nahtstelle setzen, damit es gut zusammenhält. Auf einen mit Öl eingepinselten Teller oder auf einen Dämpfkorb über Wasserdampf etwa 15 Minuten dämpfen. Die Röllchen auf einer Platte anrichten und servieren.
Die Zwiebeln fein würfeln und in Butter ganz langsam weich dünsten und erst am Ende so regulieren, dass sie sanft bräunen. Über die gedämpften Päckchen verteilen und dazu sahniges Kartoffelpüree reichen.
VLE