Lucy hatte Lust auf Fleisch
Ernährung
Fleischgenuss vor 3,4 Mio. Jahren
>Der Oberschenkelknochen einer Ziege, die Rippe einer Kuh – Schnitt- und Schlagspuren auf den Knochen und die räumliche und zeitliche Nähe von „Lucys Baby“: Mit diesen Funden und Datierungen haben Zeresenay Alemseged von der kalifornischen Akademie der Wissenschaften in San Francisco und Shannon McPherron vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig die Geschichte des menschlichen Fleischgenusses um eine Million Jahre vorverlegt.Werkzeuggebrauch und Fleischgenuss
Die ältesten Belege für das Schlachten von Tieren stammten bislang aus Bouri in Äthiopien. Knochen mit Schnittspuren konnten auf ein Alter von 2,5 Millionen Jahren datiert werden, die ältesten Steinwerkzeuge sind rund 2,5 bis 2,6 Millionen Jahre alt. Archäologen fanden allerdings keine Fossilien der Werkzeugmacher, so dass sie diese dem Skelett eines Homo-Vertreters zuordneten, den sie in der Nähe von Hadar fanden.
Allerdings ist der Vertreter der Menschenart Homo zu jung für die jetzt gefundenen Spuren, die rund eine Million Jahre früher entstanden und verraten, dass Fleisch vom Knochen abgeschabt wurde und der Knochen für das Knochenmark aufgebrochen wurde. Dafür kommt nur der Australopithecus afarensis in Frage, dessen Jagd- und Essverhalten die Forscher nun in neuem Licht sehen.
„Diese Entdeckung verschiebt den bisher bekannten Zeitpunkt erheblich nach vorne, ab dem unsere Vorfahren die Spielregeln komplett änderten“, sagt der Paläoanthropologe Zeresenay Alemseged. „Der Werkzeuggebrauch hat die Interaktion unserer Vorfahren mit der Natur maßgeblich verändert, indem er den Verzehr neuer Nahrungsmittel und die Erschließung neuer Territorien ermöglichte. Er führte auch zur Herstellung neuer Werkzeuge - den Vorläufern von hochentwickelten Technologien wie Flugzeug, Magnetresonanztomographie und iPhone“.
Lucy |
Lucy mit dem Steinwerkzeug
Die Funde der Tierknochen sind nur einige Hundert Meter von der Stelle entfernt, wo das Team um Alemseged „Selam“ gefunden hat, „Lucys Baby“. Nur Australopithecus afarensis lebte zu dieser Zeit in Afrika und die nächsten Verwandten des Menschen, Schimpansen und Bonobos jagten keine Tiere in der Größenordnung von Ziegen und Kühen. Daher können nur diese Vorfahren das Fleisch genossen haben. Ob sie es allerdings erjagden oder Aas verzehrten, können die Wissenschaftler nicht sagen.
Die Funde lassen auch nicht den Schluss zu, dass die Australopithecinen die Werkzeuge herstellten. Möglicherweise haben sie diese gefunden:
„Wenn wir uns Lucy bei Durchstreifen der ostafrikanischen Landschaft auf der Suche nach Nahrung vorstellen, sehen wir sie nun erstmals mit einem Steinwerkzeug in der Hand auf Fleischsuche“, so Shannon McPherron. Und weiter: „Mit Steinwerkzeugen ausgerüstet, mit deren Hilfe man Fleisch schnell vom Knochen schaben oder Knochen aufbrechen kann, wurden Tierkadaver zu einer attraktiven Nahrungsquelle. Dieser neue Verhaltenstypus wies unseren Vorfahren den Weg, der später zu zwei Eigenschaften führte, die unsere Art Homo definieren - der Verzehr von Fleisch sowie die Herstellung und der Gebrauch von Werkzeug.“
Lesestoff:
Shannon P. McPherron, Zeresenay Alemseged, et al.: Evidence for stone-tool-assisted consumption of animal tissues before 3.39 million years ago at Dikika, Ethiopia; Nature, 12. Juli 2010
roRo; Fotos: Dikika-Forschungsprojekt