Mangelernährung im Krankenhaus

Ernährung

Mangelernährung im Krankenhaus kostet 9 Mrd. Euro

Mangelernährung in Deutschland? Dieses Problem ist in unserer Gesellschaft eher in Drittweltländer und Krisenregionen angesiedelt. Insbesondere für Laien ist es schwer nachzuvollziehen, wie es in Ländern, deren Ernährungsproblem hauptsächlich in Übergewicht und Adipositas besteht, zu Mangelernährung kommen soll.

Belastung des Gesundheitssystems
„Mit jährlich rund neun Milliarden Euro zusätzlichen Kosten für das deutsche Gesundheitssystem sind die Aufwendungen bereits ohne Betrachtung indirekter volkswirtschaftlicher und privater Kosten beachtlich,“ sagt Prof. Dr. Arved Weimann, Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V. (DGEM) und Tagungspräsident, anlässlich des Kongresses „Ernährung 2010“ in Leipzig. Die Kosten ergeben sich aus den drei Versorgungssektoren Krankenhaus (5 Mrd. €), Pflege (2,6 Mrd. €) und ambulanter Bereich (1,3 Mrd. €). Die Prognose für 2020 sei erschreckend, da die Kosten um fast 25 Prozent auf rund elf Milliarden Euro steigen würden. Die Studie „Mangelernährung in Deutschland“, die im Zeitraum Januar bis Mai 2007 von CEPTON als unabhängiger Beratungsgesellschaft produkt- und herstellerübergreifend durchgeführt wurde, ergab zum Beispiel, dass mehr als jeder siebte Patient mit einem bauchchirurgischen Eingriff mangelernährt ist. Dies führt zu einem schwierigeren Krankheitsverlauf und höherer Sterblichkeit der betroffenen Patienten. Ebenso verlängert sich die durchschnittliche Verweildauer der Patienten im Krankenhaus, es kommt zu mehr postoperativen Komplikationen, höheren Behandlungskosten und geringerer Lebensqualität.

Lebensqualität auch im Krankenhaus sicherstellen
In deutschen Krankenhäusern ist fast jeder dritte bis vierte Patient mangelernährt. Höheres Alter, Krebs- und Mehrfacherkrankungen sind die Hauptfaktoren für eine Mangelernährung. Sie führt zu einem längeren Krankenhausaufenthalt und Genesungsverlauf sowie zu höheren Kosten. Besondere Risikogruppen für Mangelernährung seien geriatrische Patienten, Patienten mit bösartigen Tumoren und solche mit schweren chronischen Erkrankungen, insbesondere auch vor Organtransplantation. Ein zielgerichtetes Ernährungsmanagement (stationär und ambulant) sowie die rechtzeitige und richtige Ernährungstherapie bieten ein hohes Einsparpotenzial für das Gesundheitswesen und können in vielen Fällen auch zumeist für eine bessere Lebensqualität sorgen.

Europaweit vernachlässigt
Der Europarat hat vor einigen Jahren eine Initiative zur „Hospital Malnutrition“ ins Leben gerufen. 2009 wurde unter der tschechischen EU-Präsidentschaft in Prag erneut eine Resolution verabschiedet. Wesentliches Ziel war hierbei, in den Mitgliedsländern die Bedeutung des Ernährungsstatus in das öffentliche Bewusstsein zu bringen. Bisher bestand große Unsicherheit bei der Erfassung des Ernährungsstatus und beim frühzeitigen Erkennung von Risikopatienten. Die Initiative setzt sich für einheitliche Standards und Richtlinien ein. Eine weitere Initiative ist der europaweite „NutritionDay“, der an einem Stichtag die Ernährungssituation in europäischen Krankenhäusern und in 2008 auch erstmalig in Pflegeheimen erfasste.

Klare Indikation möglich
Deutlich haben diese Daten gezeigt. Die Definition der Mangelernährung der WHO mit BMI von unter18,5 erfasst nur die Spitze des Eisbergs. Es gibt einheitliche Empfehlungen der European Society for Clinical Nutrition and Metabolism (ESPEN) zur Erkennung von Risikopatienten – den Nutritional Risk Score (NRS). Liegt der Gewichtsverlust bei mehr als fünf Prozent in den letzten drei Monaten, ist der Körpermassenindex (BMI) kleiner als 20,5 und wurde in der letzten Woche nur 75 Prozent der üblichen Kalorienmenge verzehrt, so deutet das auf ein metabolisches Risiko hin und sollte eine weitergehende Untersuchung nach sich ziehen. Danach kann eine klare Indikation zur Ernährungstherapie gestellt werden, deren Erfolg im weiteren Verlauf überwacht und kontrolliert werden muss. Nur hierdurch können die mangelernährungsbedingten Komplikationen vermieden und durch kürzere Krankenhausverweildauern auch Kosten gespart werden. Die aus dem metabolischen Risiko resultierende Fallschwere und der erhöhte Aufwand für die Krankenhäuser müssen andererseits auch abrechnungsrelevant kodiert werden können. Die DGEM hat für 2011 einen entsprechenden Antrag beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) gestellt. Der Antrag beinhaltet die Definition der Mangelernährung nach dem NRS für die Kodierung im DRG-System, ferner soll enterale und parenterale Ernährung als Nebenprozedur verschlüsselt werden können - bislang war das nur als Hauptprozedur möglich.

Rita Wilp, DGEM

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