MCC für fettreduzierte Lebensmittel

Ernährung

Mikrokristalline Cellulose aus Stroh und Miscanthus

Cellulose ist die Gerüstsubstanz in Pflanzen schlechthin und wächst immer wieder nach. Die Zellstoffindustrie deckt den großen Bedarf an Papier, der trotz Digitalisierung heute noch besteht. Holz als nachwachsender Rohstoff ist für die Herstellung von Papier viel zu wertvoll, als das nicht nach Alternativen für die Cellulose-Gewinnung gesucht werden sollte. Nachwachsende Biomasse bietet zahlreiche Lösungen durch ungenutzte Rohstoffpotenziale. Stroh, Miscanthus und Buchen-Waldrestholz sind in den Fokus der Zellstoff-Industrie gelangt.

E 460 ff

Einfache Verfahrenstechnologien für die Cellulose-Gewinnung kann eine hohe Wertschöpfung bieten. Denn Cellulose wird in der Pharmazie und Lebensmittelindustrie als Füllstoff, Stabilisator und Trennmittel eingesetzt. Cellulose löst sich weder in Wasser noch in Alkohol auf und verleiht Lebensmitteln einen sahnigen Geschmack im Mund. Zudem kann der Mensch die Cellulose nicht verdauen. Daher wird sie in kalorienarmen Lebensmitteln als Füllstoff eingesetzt. Im Speiseeis reduziert sie die Eiskristallbildung und macht die kalte Speise cremiger. Zu erkennen ist Cellulose als zugelassener Zusatzstoff mit einer E-Nummer auf der Lebensmittelverpackung. Cellulosepulver wird mit E 460 bezeichnet, andere Formen wie Methylcellulose (E 461), Ethylcellulose (E 462) und weitere Formen erhalten eigene Nummern.

Miscanthus statt Baumwolle

In großem Maßstab wird Cellulose weltweit aus Holz und Baumwolle gewonnen. Präzise: Aus den am Baumwollsamen hängenden kurzen Baumwollfasern, die „Linters“ genannt werden. Diese Fasern können nicht versponnen werden und gelten als „Reststoff“. Mahlen und Sieben sind die gängigen Prozessschritte für die Cellulose-Gewinnung.

Wird das erhaltene Cellulose-Pulver mit Salzsäure versetzt, entsteht mikrokristalline Cellulose (MCC). Das ist die Pulverform mit der E-Nummer 460. Stroh als Nebenprodukt der Getreideproduktion oder das mehrjährige Miscanthus-Gras bieten sich als Alternative an. Die Faserproduktion aus Holz umfasst 140 Millionen Tonnen pro Jahr. Die aus einjährigen Pflanzen ist mit 12,4 Millionen Tonnen eher eine Nischenproduktion. Lediglich in Indien werden mehr Faserstoffe aus Einjahrespflanzen als aus Holz gewonnen. Das Verhältnis liegt bei 3 zu 2,4 Millionen Tonnen. In Europa werden 32 Millionen Tonnen Faser aus Holz und 1,3 Millionen Tonnen aus Einjahrespflanzen gewonnen.

Stroh ist in Deutschland reichlich vorhanden. Unter Berücksichtigung der Humusbilanz, kann rund ein Viertel der Strohmenge als „Überschussstroh“ für weitere Verwendungen genutzt werden. Allerdings ist die Qualität inhomogen und nimmt mit der Lagerzeit ab. Gegenüber Holz hat Stroh als Cellulose-Quelle sowohl Vor- als auch Nachteile.

Miscanthus gilt zwar als gute nachwachsende Pflanze, besitzt mit einem Anbau auf 4.000 Hektar derzeit lediglich eine Nischenfunktion in Deutschland. Das Thünen-Institut hat in einem kleinen ungarischen Zellstoffwerk die Nutzung von Miscanthus als vielversprechend einstufen können. Über einen Zeitraum von 20 Jahren sind Ernteerträge von 15 bis 25 Tonnen Biomasse pro Hektar realistisch. Die Qualität ist homogener als bei Getreidestroh und Miscanthus weniger anfällig für Klimaschwankungen. Die größte Anbaufläche besitzt Kroatien mit 15.000 Hektar, wo jährlich rund 300.000 Tonnen geerntet werden.

Preisgünstige Herstellungsverfahren gesucht

Über den Projektträger Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) sind jetzt zwei Förderprojekte zu Ende gegangen. Das Thünen-Institut hat zusammen mit dem Faserhersteller Rettenmaier aus Heilbronn ein neues Herstellungsverfahren für MCC entwickelt, das im kleintechnischen Maßstab die bisherigen Eigenschaften von MCC sichert und bei der Gel-Stabilität sogar übertrifft. Letzteres wurde durch eine intensive Scherung im Herstellungsprozess erreicht, wobei die Geleigenschaften zunahmen.

Verfahrenstechnisch haben neue Schritte wie Kochen und Bleichen MCC hervorgebracht, die neuen Anwendungen zur Verfügung stehen könnten, für die es bisher technologische Grenzen gegeben hat.

Mit den neuen Verfahren können Softeis, Mousse und Mayonnaise bei reduziertem Fettgehalt über MCC besonders cremig hergestellt werden. Ein Thema, das mit der Nationalen Reduktionsstrategie für weniger Zucker, Fett und Energie genau zum richtigen Zeitpunkt kommt.

Gesundheitsgefahren

Die Zulassung als Lebensmittle-Zusatzstoff bescheinigt die gesundheitliche Sicherheit der Stoffe. Cellulose wird im menschlichen Körper nicht verwertet und wieder ausgeschieden. Sie darf in den Mengen zugesetzt werden, wie es für den Zweck erforderlich ist. Mikrokristalline Cellulose allerdings wird zerkleinert, ist aber kein Nanopartikel.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat im Auftrag der EU-Kommission im September 2017 die Risikobewertung für MCC (E 460 i) und Cellulose-Pulver (E 460 ii) wiederholt. Die Erstbewertung stammt aus dem Jahr 1999 und gab keinen Wert für die duldbare tägliche Aufnahme (ADI-Wert) an.

Es gibt kritische Stimmen über MCC, die über verborgene Gefahren berichten. Eine Studie aus dem Jahr 1976 über Gefahren von Mikrofeststoffen sei bislang nicht widerlegt. Hintergrund ist die so genannte Persorption durch den Darm. Was dann geschieht, sei unklar.

Die EFSA schreibt in ihrer Bewertung, dass MCC und Cellulose-Pulver nicht als intaktes Molekül in den Darm aufgenommen werde. Die Teile werden durch die Bakterien fermentiert. Es gibt aber durchaus Forschungsdefizite, räumt die EFSA ein. Etwaige Gewichtsabnahmen bei Verabreichung höchster MCC-Dosen lassen sich allerdings auf die hohe Menge an leeren Kalorien und daher durch Defizite in der ausgewogenen Nährstoffversorgung zurück führen. Bei Werten bis 9.000 mg MCC pro Kilo Körpergewicht sind keine gegenteiligen Beobachtungen (NOAEL) aufgetreten.

Die EFSA hat daher weiterhin keinen ADI-Wert für MCC festgesetzt. Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat im Archiv keine Stellungnahme über MCC und Ergänzungsfragen nicht beantwortet.

Lesestoff:

Die Abschlussberichte der beiden Teilprojekte finden Sie bei der FNR: https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=22015316  und https://www.fnr.de/index.php?id=11150&fkz=22000517

Roland Krieg

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