Medikamente im Wasser

Ernährung

Abfallentsorgung zu Hause mangelhaft

Glücklich ist, wer sein Trinkwasser durch die Uferfiltration gewinnen kann, denn die Berliner Wasserwerke konnten beim Abschluss ihres NASRI-Projektes zeigen, dass der Boden durchaus in der Lage ist, auch Medikamente „zu verdauen“.
Doch damit ist das Problem natürlich nicht gelöst, denn dazu muss die Quelle des Eintrags betrachtet werden. Da schauten jetzt Wissenschaftler des Frankfurter Instituts für sozial-ökologische Forschung (ISOE) einmal genau hin. Sie erfassten in einer repräsentativen Umfrage im Juni 2006 das Entsorgungsverhalten von 1.977 Personen über 18 Jahre bei nicht verbrauchten Medikamenten.

Klärwerke kämpfen gegen Arzneimittel
Öfters berichten Tageszeitungen über Arzneimittelrückstände im Grund- und Trinkwasser. In Deutschland lässt sich mittlerweile ein breites Spektrum von Wirkstoffen in nahezu allen Oberflächengewässer nachweisen. Nach der Einnahme der Arzneimittel werden die Wirkstoffe zum Teil unverändert ausgeschieden und gelangen so in die Abwässer. „Inwieweit jedoch auch die unsachgemäße Entsorgung von Medikamentenresten über Toilette oder Spüle zu den gemessenen Umweltkonzentrationen beiträgt, ist für Deutschland bisher weitgehend ungeklärt – aussagekräftige Daten zum Entsorgungsverhalten liegen kaum vor“, betont Projektleiter Dr. Florian Keil vom ISOE. Jetzt liegt ein deutliches Ergebnis vor.

Dal des Vergessens
Die repräsentative Umfrage zeigt, dass mehr als 90 Prozent der Befragten einen Vorrat von sechs bis 20 Medikamenten im Haushalt hat. Rund drei Viertel weisen dabei spezielle „Entsorgungsroutinen“ auf und räumen mindestens einmal oder häufiger im Jahr ihre Hausapotheke auf. Einige betreiben gar keine Vorratshaltung, sondern entsorgen ihre nicht verbrauchten Medikamente sofort.
Grafik ISOE
Über die Toilette entsorgen dabei 16 Prozent der Befragten ihre Arzneimittel in Tablettenform. Drei Prozent gaben an, dies regelmäßig zu tun und 13 Prozent wählen diesen Weg „manchmal oder selten“. Bei flüssige Arzneimitteln hingegen scheint der Gang aufs Klo leichter zu sein: Insgesamt 43 Prozent gaben an, dass sie dies zumindest gelegentlich tun, während nahezu 20 Prozent die flüssigen Arzneimittelreste immer oder häufig über die Spüle oder die Toilette entsorgen. Als Grund für diesen hohen Anteil gaben die Verbraucher das Glas-Recycling an: Im Zuge der getrennten Entsorgung der Glasbehälter werden diese vorab entleert und ausgespült.

Apotheke und Restmüll
Nicht verbrauchte Medikamente sollen in der Apotheke zurückgegeben werden. Das wissen auch zwei Drittel der Befragten. Aber nur 29 Prozent setzen das Wissen auch in die Tat um.
Die Entsorgung von Medikamentenresten samt Verpackung über den Restmüll wird von 16 Prozent der Befragten immer oder häufig betrieben und von 27 Prozent gelegentlich.
Grafik ISOE

Unklarheit oder Bequemlichkeit?
Dr. Keil resümiert: „Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass die unsachgemäße Entsorgung von unverbrauchten Medikamenten über die häuslichen Abwässer in deutlichem Umfang erfolgt. Die erhobenen Daten legen die Vermutung nahe, dass der direkte Eintrag der Arzneimittelstoffe in den Abwasserstrom einen nicht zu vernachlässigenden Anteil an der gemessenen Konzentration in den Gewässern darstellt. Eine genaue Bestimmung dieses Anteils ist wegen der unzureichenden Datenlage bei Produktions- und Verbrauchsmengen für einzelne Wirkstoffe nur unter erheblichen Unsicherheiten möglich. Die Erhebung zeigt aber auch, dass in der Bevölkerung Unklarheit über die sachgemäße Entsorgung von nicht verbrauchten Arzneimitteln besteht.“
Das ISOE sieht „eine verbesserte öffentliche Diskussion“ im Umgang mit Medikamentenresten als wirksame Strategie die Gewässerbelastung mit Arzneiwirkstoffen zu reduzieren. Sagt aber auch, dass dies nicht die einzige Strategie bleiben darf.

Die Umfrage wurde im Rahmen des Forschungsprojektes „Strategien zum Umgang mit Arzneimittelwirkstoffen im Trinkwasser – start“ durchgeführt. Weitere Ansätze sind beispielsweise ein nachhaltiges Wirkstoffdesign. Sie finden weitere Informationen auf www.start-project.de

roRo; Grafiken: ISOE

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