MenschMikrobe - Wissen statt Mythen

Ernährung

Wanderausstellung zu Mikroben: Freund und Feind

Titelmotiv der Ausstellung„Wenn die Zahl der Opfer, welche eine Krankheit fordert, als Maßstab für ihre Bedeutung zu gelten hat, dann müssen alle Krankheiten, namentlich aber die gefürchtetsten Infectionskrankheiten, Pest, Cholera u.s.w. hinter der Tuberculose zurückstehen. Die Statistik lehrt, dass 1/7 aller Menschen stirbt und dass, wenn nur die mittleren productiven Altersklassen in Betracht kommen, die Tuberculose ein Drittel derselben und oft mehr dahinrafft.“
Das schrieb Robert Koch am 10. April 1882 in der Berliner Klinischen Wochenschrift. Robert Koch hat nicht nur die Tuberkelbazillen entdeckt. Er riß mit ihnen die Welt des Unsichtbaren aus dem Verborgenen und legte mit seinen wissenschaftlichen Grundlagen das Fundament der Infektionsforschung. Bis dahin zweifelten Menschen an die Existenz von Bakterien oder dachten, sie seinen Spaltprodukte von Pilzen.
Durch seine Arbeit hat der Sohn einer Clausthaler Bergarbeiterfamilie die moderne Infektionsmedizin begründet, die Mythen entzaubern half. Für Pest und Cholera wurden im Mittelalter in Pogromen andere Verantwortlich gemacht, doch heute identifiziert die Wissenschaft einen Erreger, sein Umfeld und kann Gegenstrategien ausarbeiten.
So will die am Mittwoch in Berlin eröffnete Ausstellung MenschMikrobe den Besuchern zwischen acht und 80 Jahren eine ganze Ära Infektionsmedizin nahe bringen, sagte Dr. Martin Lindner über die Konzeption. Anlass für die Ausstellung ist der 100. Todestag des Mediziners.

Freund und Feind
Mikroben verursachen nicht nur tödliche Seuchenzüge wie die Pest im Mittelalter, oder sind für Menschen als Zoonose von Bedeutung, Krankheiten die von Tieren auf Menschen überspringen, sondern sind auch notwendige Helfer. Der Mensch wird von zehnmal mehr Mikroben besiedelt, als er Zellen hat. Rund Hundert Billionen Mikroben leben auf der Haut oder arbeiten in den Organen. Darmbakterien beispielsweise produzieren Vitamine und Aminosäuren, die Mikroben der Haut bauen Hauttalg zu Fettsäuren ab und bilden dadurch einen schützenden Säuremantel. „Ohne Mikroben kann der Mensch nicht leben“, stellt Prof. Dr. Matthias Kleiner, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) fest. Manche allerdings machen krank.

In den verschiedenen Ökosystemen der Erde leben möglicherweise Millionen unterschiedliche Bakterienspezies. Nur rund 5.000 von ihnen sind bekannt. Etwa 200 davon machen krank.
Auf einen Gramm Darminhalt kommen etwa 10 Milliarden Bakterien.
Ein Grippevirus repliziert sich in der Wirtszelle bis zu 100.000 Mal.
Bei einer Erkrankung an Cholera verliert der Körper bis zu 20 Liter Wasser am Tag.

Robert Koch 1896 in SüdafrikaDinge, die erklärt werden müssen
Für Prof. Dr. Martin Mielke vom Robert-Koch-Institut sind die Themen der Infektionsforschung und -prävention ein breites Thema, das aber auch der Öffentlichkeit erklärt werden muss. Wichtige Konzepte gegen eine Pandemie müssen von der Bevölkerung verstanden werden. Daher sei die Ausstellung ein wichtiger Ankerpunkt, das Thema interessant und abwechslungsreich darzustellen.
Auf zehn Stationen verteilt beantwortet die Ausstellung die Fragen, was Mikroben sind, was eine Epidemie ist und wie sich Infektionskrankheiten kontrollieren lassen. Parallel gibt es Audio-Stationen, die soziale und historische Bezüge erklären. Die dritte Ausstellungsebene ist für Kinder da, für die es auch spezielle interaktive Monitore gibt.
Die Ausstellung ist also nicht nur für Erwachsene – und für Kinder bereits ein Renner. Im Vorfeld wurden alle Schulen in Berlin und Brandenburg angeschrieben, worauf sich bereits 127 Schulklassen für einen Besuch angemeldet haben. Der Besuch ist kostenfrei und wird inhaltlich betreut.
Im Gespräch mit Herd-und-Hof.de erklärt Prof. Mielke, dass Kinder auch die wichtigste Zielgruppe ist. Nur wer Bescheid weiß, kann das Risiko von Erkrankungen einschätzen. Was einen nicht selbst betrifft, ist bereits weit weg. Einfache Hygieneregeln, wie das Hände waschen, sind sehr effektiv. Die entsprechende Kampagne im Rahmen der so genannten „Schweinegrippe“ habe das Bewusstsein für saubere Hände deutlich erhöht. Das sind aber Dinge, die wie auch das Impfen immer wieder aufs Neue erklärt werden müssen. Die Gesundheitserziehung fängt früh an und setzt Wissen voraus. Prof. Mielke ist sicher, dass Besucher durch die Ausstellung zumindest im Bereich der Infektionskrankheiten zu einer fundierten Risikoabschätzung gelangen können.
Eine lohnende Ergänzung, wer auf der Grünen Woche bereits die bakteriellen Gefahren in der Küche beim Bundesinstitut für Risikobewertung kennen gelernt hat.

Bakterien reisen mit
Seuchen sind schon immer den traditionellen Handelswegen gefolgt. Doch heute hat sich die Geschwindigkeit des Reisens erheblich beschleunigt. Darin sieht Prof. Mielke die Gefährdung durch Mikroben im internationalen Handel. Glücklicherweise habe sich auch die Forschungsintensität beschleunigt. So konnte der SARS-Erreger, der sich rasend schnell auszubreiten drohte, schnell identifiziert und eingedämmt werden.

Lesestoff:
Die Ausstellung MenschMikrobe ist bis zum 06.07. täglich von 10:00 bis 18:00 Uhr und donnerstags bis 22:00 Uhr im Thaersaal der Humboldt Universität in Berlin, Invalidenstraße 42 zu sehen. 10115 Berlin, Eintritt frei. Vorab können sie sich den Mikroben virtuell auf www.menschmikrobe.de nähern. Vom 21.07. bis zum 17.10 ist die Ausstellung im Museum König in Bonn und ab dem 05.11. im Rudolf-Virchow-Zentrum in Würzburg.

Roland Krieg; Fotos: Ausstellungsmotiv: K-Projects; Robert Koch forscht in Südafrika an der Rinderpest: Robert-Koch-Museum

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