Mikrobielle Helfer schonend einsetzen
Ernährung
Schaumartige Starterkulturen trocknen schneller
Die Lebensmittelproduktion kommt seit Jahrtausenden ohne mikrobielle Helfer nicht aus. Milchsäurebakterien sind für Joghurt, Käse und den vielen traditionellen fermentierten Milchgetränken auf der Welt allgemein bekannt. Auch wer Sauerkraut noch selber herstellt, braucht die kleinen Helfer. Deutlich weniger bekannt ist, dass auch die Fleischproduktion Starterkulturen braucht und einsetzt.
Fleischreife und Aromaschutz
Vor allem bei Rohwürsten und bei Rohpökelware werden
Milchsäurebakterien und lebensmittelkonforme Staphylokokken eingesetzt. Fleisch
reift durch Säuerung, die durch eigene Enzyme durch eine anaerobe Glykolyse
umgesetzt wird. Starterkulturen beschleunigen den Prozess und können außerdem
die Bildung von unerwünschten Stoffen hemmen oder verdrängen. Sie dienen auch
der Aromabildung. Spezialisten unter den Pilzen bilden den beliebten weißen
Austrocknungsschutz bei der Salami.
Starterkulturen gelten aber als „Sensibelchen“. Sie
reagieren empfindlich auf Temperaturen, Druck und Scherkräfte. Außerdem halten
Bäcker und Metzger keine „hauseigenen Starterkulturen“ vor. Sie werden im Fleischbereich
überwiegend von den Gewürzhändlern angeboten, sind deshalb flächendeckend von
gleichbleibender Qualität, müssen aber „handelsfähig“ sein, also Lagerung und
Transport überstehen. Das ist bei lebendigen Helfern keine einfache Aufgabe.
Schließlich dürfen sie ihre biologische Funktionalität nicht verlieren. Daher
spielt das Trocknungsverfahren für die Herstellung der Starterkulturen eine
besondere Rolle. Es muss nicht nur schonend sein, sondern auch einer neuen
Herausforderung entsprechen: Wenig Energie verbrauchen. Bislang haben die
Hersteller auf die übliche Gefriertrocknung zurückgegriffen. Diese ist
energieaufwendig und für kälteempfindliche Kulturen nicht geeignet.
Niedertemperatur …
Die TU München hat bereits in den Jahren 2008 bis 2010 an der „Entwicklung eines Niedertemperatur-Vakuumtrocknungsverfahrens zur Herstellung von Starterkulturen“ geforscht. Das Zentralinstitut für Ernährungs- und Lebensmittelforschung um Prof. Dr. Ulrich Kulozik und Dr. Petra Först hatten für die Vereingung zur Förderung der Milchwissenschaftlichen Forschung an der TU München hat ein Verfahren entwickelt, dass weniger Energie verbraucht und Schädigungen der Zellen durch Gefrieren vermindert. Die entwickelte Niedrigtemperatur-Vakuumtrocknung zeigte höhere Überlebensraten und eine längere Lagerstabilität von Kulturen gegenüber der standardisierten Gefriertrocknung.
… und Schaumbildung
Das war aber nur der erste Schritt. Die Trocknungszeiten sind immer noch zu lang und könnten verkürzt werden. Daran forscht das gleiche Team in einem neuen Projekt, das noch bis 2014 ebenfalls vom Forschungskreis der Ernährungsindustrie (FEI) koordiniert wird. Während des „normalen Trocknens“ sind Wärme- und Stofftransportvorgänge innerhalb der Starterkultur limitiert. Wird hingegen ein Konzentrat vor dem Trocknen aufgeschäumt kann der Trocknungsvorgang mittels Mikrowellen, die durch das luftige Gebilde geleitet werden, erheblich beschleunigt werden. Deshalb sind bei diesem Projekt auch die Lebensmittelverfahrenstechniker vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit an Bord. Im „Mikrowellenvakuumtrocknungsprozess“ werden gezielt schaumartige Strukturen für die schnelle Trocknung gebildet. „Mikrowellenpuffing“ heißt das. Das Ergebnis ist bislang zufriedenstellend. Gerade bei empfindlichen Lebensmitteln bleibt die Produktqualität erhalten und es gibt deutlich verringerte Rehydrierungseigenschaften. Das könnte auch bei Starterkulturen funktionieren. Da leistet das neue Forschungsprojekt Basisarbeit, denn Daten über die Zusammenhänge von Prozessparametern und Produktqualität bei mikrobiellen Kulturen liegen noch keine Daten vor.
Das Ende der Gefriertrocknung
Der Clou liegt am Ende des Forschungsprojektes. Gelingt
es, die Niedertemperatur-Vakuumtrocknung mit der Mikrowellentrocknung zu
kombinieren, können bis zu 40 Prozent Energie eingespart werden. Während der
Trocknung verlieren die Kulturen bis zu 90 Volumenprozente an Wasser. Für jedes
Kilo entzogenes Wasser müssen bei der Gefriertrocknung zwei kWh Energie
eingesetzt werden. Bei der Mikrowellen-Vakuumtrocknung sind es lediglich 1,5
kWh.
In Deutschland werden jährlich rund 7.000 Tonnen
Konzentrat in der Kulturenindustrie eingesetzt. Fast die Hälfte wird
getrocknet, was zu rund 500 Tonnen gefriergetrocknetem Pulver führt. Zusätzlich
werden jährlich noch 1.000 Tonnen getrocknetes Pulver als
Nahrungsergänzungsmittel produziert. Umsatzzahlen sind schwer zu bekommen. In
der Schweiz beläuft sich der Umsatz allein bei Starterkulturen für Fleisch auf
jährlich eine Million Franken. Die Schäden durch Übersäuerung liegen um ein
vielfaches höher.
Lesestoff:
Roland Krieg