Mit voller Kraft am Korn vorbei

Ernährung

Die falschen Versprechen des täglichen Brotes

Brot

Brot. Die Vielfalt des Brotes wird durch sein Sinnbild für das täglich Essentielle ergänzt. So deklariert der Broterwerb die Bedeutsamkeit des Einkommens für den Haushalt. Brot und Brötchen als Ware erreichen 98,5 Prozent der bundesdeutschen Käufer. 44 Kilo Brot kauft ein Haushalt durchschnittlich im Jahr. Das sind zwei Scheiben Brot am Tag. Brötchen und andere Backwaren sind dabei noch nicht einmal eingerechnet. Mit 13,5 Prozent Anteil an den täglichen Lebensmittelausgaben nimmt Brot einen großen Teil des Warenkorbes ein.

Konsumenten in Deutschland können es sich leisten, vor dem Brotregal zu stehen und aus der Vielfalt nach aktueller Geschmacksvorliebe eine Auswahl zu treffen. In den letzten Jahren wird das immer schwieriger, denn neben dem üblichen Weizenmischbrot und dem Volkornbrot locken kernige Laiber mit Namen wie Kornkraft, Kornvital, Fitmacherbrot oder Eiweißbrot. Die Namen stoßen Assoziationen beim Kunden an und der kauft sich mit dem Namen ein Versprechen, das von den gebackenen Teiglingen gar nicht gehalten wird. Darüber hat sich zu Beginn der Grünen Woche in Berlin der Verbraucherverband Bundeszentrale (vzbv) auf der Basis einer Studie von Anke Zühlsdorf und Achim Spiller beschwert.

Brot

„Ist das Brot sein Geld wert?“, fragte vzbv-Vorsitzender Klaus Müller. Brot geht in den meisten Fällen als lose Ware über den Ladentisch und der Lebensmitteleinzelhandel hat in den Läden Selbstbedienungs-Stationen für die körnige Versorgung aufgestellt. Lose Ware muss verpflichtend nur mit Preis, den wichtigsten Allergenen und mit den verwendeten Zusatzstoffen gekennzeichnet werden. Alles andere ist freiwillig und hinterlässt beim Kunden eine Wissenslücke, die durch Fantasienamen verschleiert wird.

Das Vollkornbrot mindestens zu 90 Prozent aus vollem Korn gemahlen und gebacken wurde, wissen die einzelnen Kunden vielleicht noch. Das Eiweißbrot hingegen mehr Kalorien als traditionelles Mischbrot hat weniger. Der Gesundheitstrend bietet Bäckern die Möglichkeit individuell gestylte Brotsorten anzubieten, halten aber ihre Versprechen nicht.

„Vollkorn“ ist ein konkretes Versprechen und mehr als die Hälfte der Verbraucher orientiert sich beim Einkauf an diesem Begriff. Das wirkliche Vollkornbrot hat aber lediglich einen Marktanteil von zehn Prozent. Namensvariationen mit dem Begriff „Korn“ suggerieren volles Korn, haben es aber nicht. Da hat das Lebensmittelbuch Lücken in der Aktualität, erläuterte Achim Spiller. Er verweist auf die aktuelle Diskussion der Begriffserweiterung in der Lebensmittelbuch-Kommission.

Ein anderes Problem ist der Anteil von Ballaststoffen. Ein hoher Anteil ist gesund. Konsumenten haben dieses Wissen bereits übernommen. Doch 75 Prozent der Frauen und 68 Prozent der Männer unterschreiten den Richtwert der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) von 30 Gramm am Tag. Gesundheitsaussagen sind in den so genannten Health Claims geregelt. Produkte mit einer „Ballaststoffquelle“ müssen mindestens drei Gramm pro 100 Gramm Lebensmittel aufweisen, wo „ballaststoffreich“ steht, müssen es mindestens sechs Gramm sein. Hinweis: Das traditionelle Weizenvollkornbrot enthält schon mindestens 7,5 g/100 g. Hier wäre eine Nachschärfung der Health Claims sinnvoll.

Eiweißbrote sind die nächste Fehlerquelle. Sie gehören zur „Sportlernahrung“ und bei „Low Carb“-Diäten dazu. Bei der Herstellung wird ein Teil des Getreidemehles durch pflanzliches Protein aus beispielsweise Hülsenfrüchten ersetzt. Das Brot enthält dann tatsächlich bis zu dreimal mehr Eiweiß wie ein klassisches Vollkornbrot. Aber: statt einem bis drei Gramm Fett enthält es mit neun bis 13 Gramm auch ein Vielfaches an Fett. Der Begriff „Fettbrot“ wäre fachlich nicht falsch. Eiweißbrot enthält insgesamt rund 20 Prozent mehr Kalorien als Vollkornbrot. 

Abhilfe bietet eine fachliche Kennzeichnung unter dem Verkaufsnamen. Das kann mit einem Aufsteller auf der Theke oder einem Plakat an der Wand erfüllt werden. Unter dem Namen mit Bezeichnung (Weizenbrötchen mit Sesam) führt der Bäcker eine Nährwerttabelle und ein Zutatenverzeichnis.

Gerade für handwerkliche Bäckereien kann dieser Zusatzservice ein fachliches Abgrenzungsmerkmal zu den industriellen Bäckern sein. Verbraucher würden es offenbar honorieren.

 

Roland Krieg; Foto: roRo

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