Mittagsstress in der Kantine

Ernährung

Trends in der Gemeinschaftsverpflegung

>Die Zeiten fester Mahlzeiten im Kreise der Familie sind zwar nicht ganz vorbei, werden aber weniger. Die Tagesabläufe verschieben sich und fast rund um die Uhr gibt es an allen Ecken und Kreuzungen "Coffee to Go", Fingerfood, Croissants für die U-Bahn und kulinarisches für zwischendurch. Die Außer-Haus-Verpflegung ist ein wachsender Bereich. Ein Teil der Außer-Haus-Verpflegung ist die Gemeinschaftsverpflegung in Betriebskantinen, Schulen und im Sozialbereich. Aktuelle Zahlen sind wenig verfügbar, aber Dr. Margit Bölts von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) konnte das Gesamtmarktvolumen auf der Fachtagung der DGE Mecklenburg-Vorpommern für 2003 auf 15 Milliarden Euro beziffern.

Betriebskantine
Zwei Drittel des Umsatzes werden dabei in den 11.700 Betriebskantinen erzielt, wobei die Zwischenverpflegung über Automaten und Gästebewirtung von etwa 3,8 Milliarden noch gar nicht enthalten ist.
Die meisten Kantinen sind Kleinbetriebe mit unter 100 Essen pro Tag, die primär als Pachtbetriebe geführt werden. Die "Spielwiese der Caterer", so Dr. Bölts, sind die mittleren Kantinen mit bis zu 500 Essen pro Tag.
Interessanterweise befinden sich mehr als jede vierte Betriebskantine in Nordrhein-Westfalen, was durchaus der Historie der großen Industriewerke geschuldet ist. 75 Prozent aller Erwerbstätigen, das sind 13,8 Millionen Menschen, besuchen ihre Kantine. 40 Prozent mindestens vier Mal die Woche. Dabei zeigt sich, dass Angestellte und Menschen mit höherem Einkommen die Kantine öfters besuchen und meist zwischen 20 und 60 Jahre alt sind.

Mittagsstress
In den Kantinen werden fest Komponenten angeboten, aber auch eine freie Auswahl zum kombinieren. Zwar wünschen die meisten eine freie Auswahl, aber der Blick auf die Auswertung zeigt, dass meist ein festes Menü vorhanden ist. Ökonomisch erzielt das feste Menü einen höheren Deckungsbeitrag für den Caterer, viele Betriebs- und Personalräte plädieren für ein Menü mit festen Komponenten zu einem festen Preis und oft genug fällt die Auswahl in der Mittagspause nicht allen Kantinenbesuchern leicht. Ein Auswahlangebot führt zu "Mittagsstress".

Aktuelle Trends
Gesundheit und Frische gewinnen in den letzten Jahren an Bedeutung, weswegen Kantinen gerade mit der "Geheimwaffe" Salatbar punkten können. "Frische" kann über Salat am besten visualisiert werden und dieser rückt zunehmend als einstige Beilage in die Tellermitte. Allerdings gibt es aus ernährungsphysiologischer Sicht das Defizit, das Kantinenbesucher "Bio" und "pflanzlich" a priori mit gesund gleich setzen. So ist Fisch und Gemüse als Fingerfood durchaus kritisch zu sehen, wenn das gesunde Lebensmittel paniert ist oder in dicke Saucen gedippt wird. Gerade dann geht das Image nach hinten los: Man esse es ja nur nebenbei. Die Preisorientierung der Verbraucher hat auch die Kantinen erfasst. Oft wird nur noch der Salat aus der Kantine gegessen und das Croissant beim Bäcker gekauft, weil es dort günstiger ist. Die Kantinen versuchen daher dem Gast einen ?Mehrwert? anzubieten, indem mit regionaler Küche, Qualitätszertifikaten und dem Bio-Siegel der Mehrwert angepriesen wird.

Fast Casual
Auch in den Betrieben gewinnt der Zeitfaktor eine wachsende Bedeutung. Die Gäste werden immer mehr zu Simultanessern und verbinden eat & work mit eat & go. Caterer bieten daher bereits kleine Gerichte für den Arbeitsplatz an und in Anlehnung an das Fast Food leitet Dr. Bölts daraus den Begriff Fast Casual ab. Die Gäste wollen Convenience, aber nicht als Convenience verpackt. Das ist für die Kantinen eine große Herausforderung.
Die "Ökonomisierung der Zeit" veranlasst Betriebe sogar schon Mitarbeiter mit Büfettwagen am Arbeitsplatz zu versorgen. Dieses Verhalten ist der DGE sicher ein Dorn im Auge, aber die Gesellschaft muss eingestehen, dass die Zeitvorgabe durch die Betriebe gemacht wird.
Einfluss haben Mitarbeiter über Küchenkommissionen, was auch genutzt werden sollte: denn Essen Sie in der Kantine? Dann genießen sie es auch und gestalten die Auswahl mit.

roRo

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