Mykotoxine - Risiko für Mensch und Tier?
Ernährung
Landesfachtagung in Brandenburg
>Mykotoxine sind Stoffwechselprodukte von Schimmelpilzen und rufen Vergiftungen bei Menschen und Tieren hervor. Ergotismus ist die Krankheit nach Verzehr des Mutterkorns, die bereits in der Bibel schon beschreiben wurde und daher anzeigt, dass Mykotoxine den Menschen schon immer bedroht haben. Im Mittelalter starben Hunderttausende an Mutterkorn und Giftstoffe von Fusarien waren in der amerikanischen Kolonialzeit eine bedeutende Krankheitsursache. Chronische Mutterkornvergiftungen führen zu gefühllos und später absterbenden Gliedmaßen und werden als Brandseuche oder "Antoniusfeuer"bezeichnet.Mykotoxine sind ein weltweites Problem. Dr. Hälsig aus dem Brandenburger Agrarministerium sagte gestern in Götz bei Brandenburg, das ein Viertel der Weltlebensmittelproduktion von den giftigen Stoffen betroffen ist. In den gemäßigten Zonen sind es besonders Mais und Brotgetreide, in den Tropen zusätzlich Gewürze, Pistazien und Erdnüsse. Dort fehlt es mitunter an geeigneten Lagermöglichkeiten und vor allem an ausreichender Ausbildung, sich gegen die Stoffe zu wehren.
Der aktuelle Stand in Brandenburg wurde gestern auf der Landesfachtagung des Landesamtes für Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Flurneuordnung (LVLF) zusammen getragen.
Feld- und Lagerflora
Mit der Beschäftigung über Mykotoxine setze man sich mit einem Risiko auseinander, so Dr. Marina Müller vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaft- und Landnutzungsforschung in Müncheberg (ZALF). Dabei sind die Pilze der Feldflora, die auch produkttypische Mikroflora genannt werden, "die typische mikrobiellen Bewohner" der Pflanzen während des Wachstums. Ihre wirtschaftliche Bedeutung liegt in hervorgerufenen Ertragsverlusten und Qualitätseinbußen. Von den über 40 bekannten Toxinen dienen DON und ZEA als"?Leittoxine" in den Laboruntersuchungen.
Deoxynivalenol stammt von den Fusarienpilzen des Getreides und Zearalenon findet sich überwiegend in Mais, Soja, Sonnenblumen und Weizen. Die allerwichtigste Infektionsquelle sind Ernterückstände, die auf dem Feld verbleiben. Von dort aus gelangen die Sporen, die mehrere Monate unbeschadet verweilen können, wieder auf die neuen Pflanzen. Während de Blüte dringen sie in die Pflanze ein und verstopfen die Leitungsbahnen mit ihrem Mycel. Damit trennen sie den Fruchtstand von der restlichen Pflanze ab, was sich in Weiß- oder auch Taubährigkeit des Getreides äußert. Die Giftstoffe werden im Wachstumsverlauf des Pilzes gebildet, wobei allerdings deren Funktion noch nicht eindeutig geklärt ist.
Ob allerdings der Pilz überhaupt wächst und Toxine bilden kann, ist von mehreren Faktoren abhängig: So gibt es rund 60 verschiedene Sorten Winterweizen, die unterschiedlich anfällig sind. Der Entwicklungsstand der Feldfrucht ist entscheidend, sowie natürlich die Witterung mit Niederschlag, Temperatur und der Bodenfeuchte.
Dr. Müller zählte acker- und pflanzenbauliche Gründe auf, die Schimmelpilze begünstigen oder fördern: Eine Über- oder Unterdüngung schwächt die Abwehrmechanismen der Pflanzen, um sich gegen das Eindringen der Pilze zu wehren. Eine Beobachtung besagt, dass eine überhöhte Stickstoffdüngung mit vermehrtem Biomassewachstum in Zusammenhang steht, so dass die Pflanze mehr Stoffwechselprodukte über die vergrößerte Wurzel in den Boden ausscheidet. Praktisch als Nährlösung erhöhe sich der Infektionsdruck im Boden. Generell sei die Düngung aber eher zweitrangig, denn das Einarbeiten von Ernterückständen steht an erster Stelle. Eine pfluglose Bodenbearbeitung gilt allgemein als ungünstig.
Mais als Vorfrucht hat ebenfalls den schlechtesten Stellenwert, wenn es um die Fruchtfolge geht, weil die gelbe Kolbenfrucht den Pilzen als Zwischenwirt dient. Damit gilt der pfluglose Anbau nach einer Maisernte als die Kombination, die das höchste Risiko birgt, Schimmelpilze in das Getreide zu bringen. Raps oder Öllein reduzieren die Pilzinfektion am deutlichsten.
Gute fachliche Praxis
Die bäuerliche Arbeit wird mit der "Guten fachlichen Praxis" (GFP) bewertet. Thomas Huhn aus dem Kreis Ostprignitz konnte allerdings aufzeigen, dass die pfluglose als konservierende Bodenbearbeitung, den Befallsdruck nicht von vornherein erhöht. Sein Betrieb bewirtschaftet rund 780 Hektar Land auf den typischen eiszeitlichen Schwemmsandböden Brandenburgs mit niedriger Ackerzahl von unter 30 von 100 möglichen Bodenpunkten. Dabei fördert ein hoher Grundwasserstand unter den Flächen eigentlich die Schimmelpilzbildung. Um Kosten zu senken wurde vor 10 Jahren auf den Pflug verzichtet. Dabei hat sich herausgestellt, dass in der oberen Bodenschicht mehr organische Substanz gebildet wird, was den sandigen Böden des Landes allgemein gut tut, und sich die Umsetzgeschwindigkeit der Ernterückstände erhöht. Damit argumentieren bisher die Pflug-Bauern, die mit der Bodenwendung die Ernterückstände zudecken.
Huhn auf seinem Betrieb auch die Fruchtfolge geändert. Wurde vorher dreimal Wintergetreide nach Mais angebaut, so folgen jetzt Sonnenblumen oder Sommerraps. Danach wird zwischen zweimaligen Getreideanbau eine Jahr lang Öllein oder Körnerleguminosen eingeplant: Sonnenblumen und Öllein können die Generationsfolge der Mykotoxine unterbrechen. Wird standortangepasst gedüngt, dann ist auf seinen Böden "das Risiko beherrschbar", wenn auch die Witterungsrisiko bestehen bleibt.
Fruchtfolge und Bodenbearbeitung sind aber nicht die einzigen praktischen Tipps, die in Götz besprochen wurden. Gerhard Schröder vom LVLF beurteilte den Einsatz von Fungiziden gegen Mykotoxine knapp und deutlich: "In Grenzen ist es möglich, in der Regel nicht." Die gegenwärtig zur Verfügung stehenden Fungizide können nur eine Notmaßnahme sein, um das Risiko einer höheren Belastung zu reduzieren. Erwünschte Effekte werden nur mit den zugelassenen Höchstmengen erzielt, was allerdings die Produktion verteuert. Schröder verrechnet für den Fungizideinsatz die Erntemenge von 5 bis 6 dt/ha.
Die "Gute fachliche Praxi2? im Bereich der Mykotoxinprophylaxe in der Fruchtfolgeplanung und der Bodenbearbeitung. Ob mit oder ohne Pflug, muss je nach Standort entschieden werden. Das auf der Landesfachtagung herausgearbeitete schlechteste Ergebnis ist der pfluglose Anbau nach Mais. Mais hat vor allem in Süddeutschland als billiges Energiefutter an Bedeutung gewonnen und dabei das wiederkäuergerechte Grundfutter verdrängt. Zwar kann Mais höhere Milcherträge erzielen, aber das Risiko der Mykotoxinbelastung muss gegengerechnet werden.
Gefährdungspotenzial Brandenburg
Die Belastung in Brandenburg liegt unter dem Bundesdurchschnitt und wird durch das Institut für Getreideverarbeitung (IGV) seit 2000 kontrolliert. Die Belastungen folgten im Wesentlichen den jährlichen Witterungsverläufen, fasste Dr. Monika Springer zusammen. Über den gesamten Zeitraum war die Belastung mit Fusariumtoxinen aus dem ökologischen Anbau geringer. Die Proben aus dem integrierten Anbau waren nicht nur häufiger mit DON und ZEA kontaminiert, sondern auch höher. Das IGV empfiehlt daher, eine Kombination von verschiedenen Risikofaktoren zu vermeiden. Aber: Bis auf einige wenige Grenzwertüberschreitungen gab es bei Getreide, Brot und Getreideerzeugnissen keine auffälligen Häufungen über die Verbraucher beunruhigt sein müssen. Das wurde Anfang des Jahres bereits im Mykotoxinbericht auf der Grünen Woche vorgestellt.
Nach der Ernte
Die Lagerflora beschreibt die Pilze, die sich erst bei der Lagerung entwickeln. Dr. Jochen Mellmann vom Leibniz Institut für Agrartechnik Bornim (ATB) kümmert sich um die richtige Technik. In Deutschland werden jährlich rund 50 Millionen Tonnen , weltweit etwa 2.000 Millionen Tonnen Getreide geerntet. Zwei Drittel davon wandern in die Futtertröge. Damit Getreide haltbar ist, muss es auf unter 17 Prozent Feuchtigkeit getrocknet werden. Die neueste Entwicklung des ATB ist der Dächerschachttrockner. Dabei werden zwischen 30 und 100 Tonnen Getreide pro Stunde von oben in einen Silo gefüllt und rieseln praktisch der Schwerkraft folgend durch warme und trockene Luft. Die großen Umsatzmengen sind erforderlich, weil nur 60 bis 70 Prozent der Ernte die richtige Lagerfeuchte aufweist. Um die hohen Trocknungskosten zu senken experimentiert das ATB mit einem "Doppelwalzenstuhl" aus der Mühlentechnik. Für kleinere Betrieb, die das Getreide verfüttern, wird es gemahlen und mit Harnstoff versetzt luftdicht abgeschlossen. So entwickeln sich keine Lagerpilze.
Für den Haushalt empfehlen der aid und die Bayrische Landesanstalt für Ernährung:
Schimmelstellen auf Brot großzügig wegschneiden, bei Schnittbrot auch die beiden nächsten scheinbar unbetroffenen Scheiben;
Angeschimmelte Konfitüren oder Gelees grundsätzlich verwerfen;
Diätkonfitüren haben weniger Zucker und sind anfälliger für Schimmel: stets im Kühlschrank lagern;
Angefaultes Obst wegwerfen und auch nicht mehr zu Kompott verarbeiten; Je flüssiger ein Lebensmittel ist, desto schneller ist die Ausbreitung von Pilz und Toxinen: sofort wegwerfen;
Bei Nüssen geht die Gefahr oft von angeschimmelten Einzelnüssen aus, die deshalb unbedingt aussortiert werden müssen;
Roland Krieg