Nährwertampel eiskalt aufgebracht

Ernährung

Frosta bringt die Nährwertampel

Wie es mit der Nährwertkennzeichnung weitergeht, ist noch nicht entschieden. Zunächst einmal muss in Europa noch gewählt werden und da können sich neue Mehrheiten einstellen. Auch in Deutschland sind die Vorstellungen unterschiedlich: Klares Ampellicht, industrielles GDA oder, ein Seehofer´scher Kompromiss, die „kleine Ampel“ als farbliche GDA.
Frosta hat am Mittwoch in Berlin angekündigt, die von den Verbraucherorganisationen befürwortete „große“ Ampel auf seine Produkte anzubringen.

Frosta realisiert Verbraucherwünsche
Felix Ahlers, Vorstand Marketing und Vertrieb der Frosta AG: „Frosta nimmt die Verbraucherwünsche sehr ernst. Bereits 2003 haben wir unsere Produktion umgestellt und sämtliche Zusatzstoffe aus den Frosta Gerichten verbannt. Seitdem deklarieren wir alle Bestandteile unserer Gerichte zu 100 Prozent auf der Verpackung und haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht.“ Ein Blick auf das Produktportfolio zeigt, dass die hergestellten Fisch- und Gemüsegerichte nicht an erster Stelle der „Dickmacher“ stehen.
Gerd Billen, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverband sieht keine bessere Alternative zur Ampelkennzeichnung, „die auf einem Blick sichtbar macht, welches Produkt wie viel Zucker, Fett oder Salz enthält.“ Billen forderte die Bundesregierung auf, sich auf europäischer Ebene für die Ampelkennzeichnung einzusetzen.
Als „erste Orientierung“ unterstützt auch Jürgen Graalmann, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des AOK-Bundesverbandes die Ampelkennzeichnung. Die Ernährung ist in der Prävention gegen Übergewicht ein zentraler Baustein, aber „nicht alleine Aufgabe der Kassen“. Die Lebensmittelindustrie könne einen wichtigen Beitrag leisten und die Ampel sei ein einfaches erstes Orientierungssystem bei der Produktwahl.

Ernährungsführerschein: Nächste Runde
Im Rahmen der Kampagne „In Form“ wollen der aid infodienst und das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) den so genannten Ernährungsführerschein als Angebot zur Ernährungsbildung in die Grundschulen etablieren. 270 Landfrauen und 120 Klasse-2000-Gesundheitsförderer begleiten die Ausbildung vor Ort und 2007 haben bereits 50.000 Kinder den aid-Ernährungsführerschein erlangt.
Am Mittwoch gab das BMELV den Start in die nächste Runde bekannt. Weitere 120 Landfrauen arbeiten mit den Schülern zusammen und der Verein „Programm Klasse2000 e.V.“ ist als neuer Kooperationspartner eingestiegen. Darin beteiligen sich mehr als 3.100 Grundschulen bei der Gesundheitsförderung im Grundschulalter. Ziel ist die Erlangung von Gesundheits- und Lebenskompetenz. www.aid-ernaehrungsfuehrerschein.de

Ampel nicht unstrittig
Karin Binder, die verbraucherpolitische Sprecherin der Fraktion „Die Linke“ sieht in dem Vorstoß der Frosta AG eine Aufforderung an Verbraucherministerin Ilse Aigner „Farbe zu bekennen“: „Mit der freiwilligen Einführung der Nährwertkennzeichnung nach britischem Vorbild hat jetzt das erste Lebensmittel-Unternehmen in Deutschland auf den erklärten willen der Verbraucherinnen und Verbraucher reagiert.“ Ein Hersteller habe die Initiative ergriffen und wenn „sich Frosta damit einen Wettbewerbsvorteil vor den schnarchigen Mitbewerbern sichert: umso besser.“
Der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) hingegen erteilt dem Vorstoß eine Absage, weil die Ampelkennzeichnung „keine gute und hilfreiche Information für Verbraucher“ sei. „Die willkürliche Bewertung von Produkten anhand einzelner Nährstoffe und mittels wissenschaftlich nicht zu rechtfertigenden Kriterien wird von Experten weiter abgelehnt“, teilte der BLL mit. Auch wenn einzelne Hersteller die Ampel nutzen wollen, sei sie keine Option für die ganze Lebensmittelbranche. Die Lebensmittelwirtschaft „erteilt der subjektiven Bewertung durch Markierungen in rot, gelb und grün eine Absage.“
Besondere Kritik richtete der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) an die AOK: „Das Engagement der gesetzlichen Krankenversicherung AOK für die Ampelkennzeichnung geht zu weit. Die AOK nutze die Krankenversicherungsbeiträge, um Werbung für Produkte eines Herstellers zu machen, die keinen Deut gesünder sind als andere“, teilte der HDE mit. Geschäftsführer Stefan Genth findet, dass die wichtigste Angabe für den Kunden darin bestehe, wie hoch der Anteil des Lebensmittel an seinem täglichen Energiebedarf ist. Auf den Eigenmarken des Handels finde der Kunde ausreichend Informationen und immer mehr Markenartikler zögen nach. „Fakten statt Farben zählen. Stoppschild für die Ampel“, so der HDE

Lesestoff:
Im letzten Jahr konnte eine Fachtagung der deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) keine relativen Vorzüglichkeiten für eines der Modelle erarbeiten. Offen bleibt auch, ob die Kennzeichnung das Ernährungsverhalten wirklich umstellen kann.
Der vormalige Verbraucherschutzminister Horst Seehofer ließ mitten in der Diskussion um Ampel oder GDA eine Verbraucherbefragung durchführen und kam zu dem Ergebnis, dass die Kunden zwar die „kleine Ampel“ deutlich bevorzugen würden, sich aber weniger deutlich beim Kauf danach ausrichten.
Auch der Deutsche Ethikrat hat sich die Frage gestellt, ob jeder für seine Gesundheit selbst verantwortlich ist – oder das die Aufgabe des Staates sei.

Roland Krieg

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