Nahrungsmittelanreicherung für Mangelernährte
Ernährung
SAFO-Konferenz in Berlin
Im Schatten des Welthungers leiden mit zwei Milliarden doppelt so viele Menschen an Mangelernährung. Das bedeutet nicht nur, dass sie zu wenig zu essen haben, es bedeutet auch, dass die Qualität der Nahrung Defizite aufweist. Weil oftmals eine ausgewogene Diät nicht vorhanden ist, fehlt es Menschen an Mineralstoffen und Vitaminen. So leiden rund zwei Milliarden Menschen an durch Eisenmangel bedingter Anämie. Ein Fünftel der verstorbenen Mütter litt unter Eisenmangel. Etwa 200 Millionen Kinder sind nicht ausreichend mit Vitamin A versorgt, 250.000 erblinden jährlich. Jodmangel ist ebenfalls ein Problem: Rund zwei Milliarden Menschen nehmen nicht genug Jod zu sich, was zu Minderung der geistigen Fähigkeiten führen kann.
Anreicherung von Nahrungsmitteln
Das Anreichern von Nahrungsmitteln ist nicht neu. In
den USA wird das seit mehr als 50 Jahren gemacht1) und hat nach
Autor Jeffrey Backstrand zu großen Erfolgen in der Gesundheitspolitik geführt.
Auch in Deutschland wird seit 1980 angereichert: Mit Vitamin A, E, den
B-Vitaminen, Folsäure, Kalzium, Eisen und vieles mehr. Nach Wolfgang
Sichert-Hellert2) wurde damals bis auf Fette und Öle fast jede Kategorie
an Lebensmitteln mit einem Vitamin oder Mineralstoff angereichert. Rund 20
Prozent der Konsumenten hatten schon angereicherte Lebensmittel verzehrt.
Sichert-Hellert hatte vor 20 Jahren bereits
festgestellt, dass Vitamin C der am häufigsten zugesetzte Nährstoff ist –
obwohl es daran wirklich keinen Mangel gibt. Erst diesen April hat der
Präsident des Max Rubner-Instituts Prof. Dr. Gerhard Rechkemmer im ZDF3) die
ausreichende Versorgung mit diesem Vitamin bestätigt: „Die Versorgungssituation
ist so gut, dass an Vitamin C definitiv kein Mangel herrscht.“ Die Anreicherung
kann auch zu einem Geschäftsmodell werden.
Vitamin A im Speiseöl
Mittlerweile ist Indonesien ein Land, in dem Armut und
Reichtum nebeneinander wohnen. Nach Prof. Soerkiman, der seit den 1950er Jahren
die Ernährungspolitik des Landes mitgestaltet, leben rund 30 Millionen
Indonesier unter der Armutsgrenze und leiden damit auch unter Vitamin A –
Mangel. Vitamin A kann der Körper nicht selbst synthetisieren und ist daher
essentiell. Palmöl ist zwar reich an Beta-Carotin, der Vorstufe des Vitamin A,
es wird jedoch beim Verarbeitungsprozess durch Bleichen entfernt, um den
Kundenwünschen nach klarem Speiseöl zu genügen. Das ist nach Prof. Soerkiman
derzeit preisgünstiger als die Entwicklung einer neuen Technologie für das
Klären des Öls ohne Verluste an Beta-Carotin4).
Zudem gehe eine Selbstversorgung auf regionaler Ebene nicht automatisch mit einer
ausgewogenen Ernährung einher5). Daher ist die Anreicherung mit
Vitamin A eine gute Möglichkeit, Defizite auszugleichen.
SAFO
Hier kommt SAFO ins Spiel, das als Projekt noch bis
Ende 2012 läuft. Die „Strategische Allianz zur Nährstoffanreicherung von Öl und
anderen Nahrungsmitteln“ arbeitet mit Indonesien und Prof. Soerkiman zusammen.
Auf deutscher Seite bilden im Auftrag des Bundesministeriums für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) die BASF und die
Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) das öffentlich-private
Doppel. Die BASF stellt das Vitamin A her und unterweist die Technologen vor
Ort, wie das Vitamin am besten in das Nahrungsmittel inkorporiert werden kann,
erklärt am Donnerstag Michael Heinz vom Vorstand der BASF auf der
SAFO-Konferenz in Berlin. Die GIZ sorge quasi für die Zertifizierung und steht
hinter dem „A+“-Zeichen auf der Speiseölverpackung.
Dieses wird in Indonesien seit 2002 zum gleichen Preis
wie das herkömmliche Speiseöl verkauft. Den Herstellern entstehen maximal ein
Prozent Zusatzkosten, erklärt Heinz. Für die Anreicherung sprechen noch mehr
Gründe: Sie ist ernährungsphysiologisch effektiv, wird über den
Lebensmittelhandel flächig verteilt, die Menschen müssen ihre Diät nicht
umstellen und werden daher kontinuierlich mit Nährstoffen versorgt. Das
Programm hat in den letzten fünf Jahren mehr als 141 Millionen Menschen
erreicht.
Die Ernährung in Indonesien ist sehr reisorientiert.
Auf dem Agrarministergipfel auf der diesjährigen Grünen Woche erläuterte
Landwirtschaftsminister Sayraf Suswono, das ständig 200 Sorten, darunter auch
gentechnisch veränderter Reis, in der Erprobung sind6). Mit dem
Golden Rice, der biotechnologisch Vitamin A auf dem Feld erzeugt7),
steht eine Alternative zur Anreicherung bereit. Welche Methode die richtige
ist, wollte BASF-Vorstand Heinz gegenüber Herd-und-Hof.de nicht bewerten. Beide
würden sich am Ende ergänzen. Die Speiseölfirmen seien auch nicht verpflichtet,
das Vitamin A der Badener für die Anreicherung zu verwenden.
Ob es eine Grenze zwischen medizinischer Applikation
und verkaufsförderndem Marketing gezogen wird, bleibt offen. Prof. Soekirman
sagte zu Herd-und-Hof.de, dass eine Anwendung anhand einer reinen medizinischen
Indikation schwierig sei. Da das Pflanzenöl in allen Armutshaushalten
Verwendung findet, werde es auch die Menschen erreichen, für die es gedacht
ist. Laut Michael Heinz besitze das SAFO-Siegel jedoch auch eine
Werbewirksamkeit, mit der sich der Hersteller von Mitbewerbern unterscheiden
und neue Märkte erschließen kann.
Anreicherung bleibt ein Teil der Strategie
Die einfache Anwendung darf nicht zur Vernachlässigung
anderer Strategien führen. Das weiß auch Bundesentwicklungsminister Dirk
Niebel. Die Bekämpfung des Hungers und der Mangelernährung ist eine Kernaufgabe
des BMZ. Um die Probleme langfristig zu lösen, sind Landzugang, Betriebsmittel
und Zugang zu sauberem Wasser genauso wichtig, wie die Anreicherung. Niebel
verwies auf das 10-Punkte-Programm, dass das BMZ auf der Grünen Woche
vorstellte8).
Zumindest für die Katastrophenhilfe sind angereicherte
Lebensmittel von essentieller Bedeutung, weswegen auch die neue Direktorin des
World Food Programme an der Konferenz teilnahm. Ertharin Cousin unterstrich die
Bedeutung der privat-öffentlichen Partnerschaften für den Kampf gegen den
Hunger. Sie nimmt aus Berlin auch die Zusage des BMZ über eine Aufstockung der
Sahel-Hilfe in Höhe von drei Millionen Euro mit.
Lesestoff:
Die BASF-Initiative finden Sie unter www.food-fortification.com
1) Backstrand J.R.: The History and Future of Food Fortification in the United States: A Public Health Perspective. Nutrition reviews, Vol 60, No 1, 1 January 2002 pp. 15.23(12)
2) Sichert-Hellert, W: Consumption of fortified food between 1985 and 1996 in 2- to 14-year old German children and adolescents. International Journal of Food sciences and Nutrition, Vol 50, No 1, 1 January 1999, pp 68-72(8)
3) Heute.de des ZDF am 04. April 2012
4) “Palm Oil Natural Source Vitamin A” in http://ihealthytips.org/palm-oil-natural-source-vitamin-a/ 28.05.2011
5) Soerkiman & Latham: Sustainable Improvements In Nutrition In Indonesia; Gizi Indonesia, 1993, 18 (1/1): 29-44
6) Agrarministergipfel auf
der IGW 2012
7) Gesundheitskosten senken
durch Golden Rice
8) Zehn-Punkte-Plan des BMZ
Roland Krieg