NASRI-Forschung abgeschlossen
Ernährung
Der Boden ist der beste Wasserwerker
Nachdem die Berliner bereits im letzten Jahr international geadelt wurden, weil hier das Thema Uferfiltration weltweit führend erforscht wird, konnte es Ludwig Pawlowski, Geschäftsführer des Kompetenzzentrums Wasser Berlin, gestern im Friedrichshagener Wasserwerkmuseum zum Internationalen Tag des Wassers offiziell für abgeschlossen erklären. Die „Natural and Artificial Systems for Recharge and Infiltration“ (NASRI) beschreibt, was der märkische Sand rund um Berlin mit dem Wasser macht, das ihn aus Spree und Havel durchsickert und in den Grundwasserspeicher fließt. Dort steht es dann als Trinkwasser den Hauptstädtern zur Verfügung – in bester Qualität und ohne weitere Aufbereitung.
Der erste Meter ist der wichtigste
Bereist im letzten Jahr wurden die ersten Ergebnisse veröffentlicht. So pickte Pawlowski ein abschließendes Detail heraus, das aber bei den Verbrauchern öfters für Verwirrung sorgt: Medikamentenrückstände.
Im Gegensatz zu den rheinischen Uferfiltrationen weist der märkische Sand eine feinere Körnung auf und bietet damit einerseits dem Wasser eine langsamere Durchsickerung und gleichzeitig eine größere Reaktionsoberfläche, an der Redox-Reaktionen stattfinden, Stoffe sorbiert, Ionen ausgetauscht werden und Mikroorganismen die gelösten Stoffe zerlegen und umbauen. Dabei hat die Forschung gezeigt, dass die allermeisten Prozesse während des ersten Meters Sand stattfinden. Danach gibt es kaum noch zu entfernende Stoffe.
Dem Berliner Boden hilft es, dass er einen fast gleichmäßigen Wasserstand aufweist. Damit sind die chemischen und physikalischen Vorgänge im Boden fast nur noch von den Temperaturen abhängig.
Das Kompetenzzentrum hat mit seinen universitären Forschungspartnern und den Berliner Wasserbetrieben (BWB) 40 Arzneimittel und 30 Antibiotika gesucht. Gefunden wurden im Wasser 15 bzw. sechs Wirkstoffe. Am Beispiel der Antibiotika wurde gezeigt, wie sich die Wirkmengen im Filtrationsverlauf verhalten. Eine Tablette hat rund 1.000 mg Wirkstoff je Liter. Verbraucher müssten zwei Jahre lang täglich drei Liter pures Havelwasser, also vor der Uferfiltration, trinken, um diese Wirkmenge aus dem Fluss aufzunehmen. Der märkische Boden hat ihn dann soweit herausgefiltert, dass danach 40 Jahre Trinkgenuss notwendig wären, um das Wirkäquivalent einer Tablette zu erreichen. Die Berliner Wasserbetriebe zeigten sich optimistisch, dass mit diesen vorliegenden Zahlen dem Thema die Emotionen genommen werden können.
Zwei Löcher im Rupelton
Den Brandenburgern Bauern fehlt es generell an organischer Substanz im Boden. So auch den Berlinern. Dr. Birgit Fritz vom Kompetenzzentrum, Leiterin des Forschungsprogramms NASRI, sagte im Gespräch mit Herd-und-Hof.de, dass das Wasser die organische Substanz praktisch selbst mitbringt. Die Stoffe weisen eine große Reaktionsoberfläche auf und sind für die Filtrationsergebnisse in Berlin „im Wasser bedeutsamer als im Boden“.
Im Berliner Umland gibt es zahlreiche Salzwasserquellen, bei denen, wie in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen, Pflanzen wachsen, wie sie eigentlich typisch für die Küste sind. Zum Beispiel der Stranddreizack, so der Forschungsverbund Berlin e.V. Bevor die Eiszeit Sand und Moränenmaterial über dem norddeutschen Tiefland ablagerte, gab es hier ein Meer, das beim verdunsten das so genannte Zechstein-Salz hinterließ. Aus der Tiefe gelangt das salzige Wasser möglicherweise durch die Erdwärme. Ähnlich wie in einem Suppentopf erzeugt die Hitze Konvektionsströmungen, die das Wasser aufwallen lässt. Diese Vermutung stammt aus der Forschungsgemeinschaft des Geoforschungszentrums Potsdam, der FU Berlin und Wissenschaftlern der BTU Cottbus. Berliner Trinkwasser ist durch eine Schicht Rupelton geschützt. Dr. Fritz verriet aber, dass unter dem Müggelsee und zwischen Wannsee und Potsdam zwei Löcher in dieser Sperrschicht sind. Möglicherweise haben eiszeitliche Gletscher mit ihrem Gewicht diese Tonschicht weggeschürft. Das Salzwasser liegt aber in 200 Meter Tiefe und kommt normalerweise nicht nach oben, da es schwerer ist, als das darüber liegende Süßwasser. Es sei denn, die Wasserwerke pumpen zu viel ab. Daher müssen die BWB die Balance wahren, nicht mehr abzupumpen als Wasser nachfließt.
Speichern, filtern und versickern
1856 gab es das erste Wasserwerk in Berlin. Es brachte aber keine nachhaltige Verbesserung der katastrophalen hygienischen Zustände in der wachsenden Stadt, denn eine fehlende Entwässerung verschmutzte das Grundwasser immer wieder. Heute werden täglich 580.000 Kubikmeter Wasser gefördert. Das dies möglich ist und welche Anstrengungen dafür notwendig, sind zeigt das Museum im Wasserwerk in Berlin-Friedrichshagen. Dort ist auch zu sehen, wie mit einem kalibrierten Löffelbohrer schon sehr frühzeitig Wasserleitungen aus harzreichen Fichtenstämmen gebohrt wurden. Allerdings konnten nur Durchmesser von sieben Zentimetern erreicht werden, so dass die „Blankenfeld´sche Wasserkunst“ von 1570 nur sehr begrenzt eingesetzt werden konnte.
Zum Internationalen Tag des Wassers eröffnete Dr. Ulrich Bammert, Technischer Vorstand der BWB eine neue Sonderschau, die den Berlinern zeigt, welche innovativen Technologien zur Reinigung von urbanem Regenwasser eingesetzt werden. Die Ausstellung beantwortet Fragen, wie unbelastetes Regenwasser gezielt versickert werden kann, welche Auswirkungen die versiegelten Flächen in Berlin haben und welche stofflichen und hydraulischen Belastungen bei Starkregen auftreten. In einem Modell ist einer der größten Retentionsbodenfilteranlagen Deutschlands aufgebaut, das zeigt, wie Schilf auf 16.000 qm am Biesdorfer Baggersee für die Berliner „arbeitet“.
Das Museum ist Dienstags bis Freitags von 10:00 bis 16:00 Uhr, Sonntags und Feiertags bis 17:00 Uhr geöffnet: www.museum-im-wasserwerk.de
Alles über die NASRI-Forschung finden Sie unter www.kompetenz-wasser.de
roRo