Neues, umstrittenes Verbraucherschutzgesetz
Ernährung
Aigner: VIG ist ein Bürgergesetz
Schon
im Kabinett hatte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner das
Verbraucherinformationsgesetz (VIG) als Bürgergesetz bezeichnet. Am Freitag hat
der Bundestag die Novelle verabschiedet und will „auf allen Ebenen die
Informationskultur der Behörden“ verbessern, so Aigner.
Verbraucher
können jetzt schneller, umfangreicher und günstiger Informationen abrufen, wenn
beispielsweise ein Lebensmittelhersteller gegen Gesetze verstößt oder Hygiene-Vorschriften
nicht einhält.
Änderungen
Die
größte Änderung ist die Ausweitung des Informationsbereiches über Futter- und
Lebensmittel hinaus auf Textilien und Spielwaren, sowie technische
Verbraucherprodukte und Heimwerkerartikel. Aigner verspricht den Unternehmen,
dass Geschäftsgeheimnisse wie etwa Rezepturen geschützt bleiben – Dioxin-Werte
aber nicht dazu gehörten.
Bislang
gab es eine Frist der Unternehmen von einem Monat, um auf eine Anfrage zu
reagieren. Anhörungen können jetzt aber auch kurzfristig und mündlich erfolgen
und bei Rechtsverstößen sogar darauf verzichtet werden. Verbraucher können sich
künftig auch formlos per E-Mail melden.
Die
zweite große Änderung ist die Veröffentlichungspflicht aller Messergebnisse,
die Grenzwerte oder Höchstmengen betreffen. Eine Berufung auf
Geschäftsgeheimnisse ist nicht mehr möglich.
Gebühren
Bislang hätten schon bei einfachen Anfragen Gebühren zwischen fünf und 25 Euro anfallen können. Nur Auskünfte über Rechtsverstöße waren kostenfrei. Das neue VIG sieht Gebühren erst ab einem Aufwand von 250 und bei Anfragen zu Rechtsverstößen bis zu 1.000 Euro vor. Fallen Gebühren an, dann darf nur der tatsächliche Aufwand berechnet werden. Fallen Kosten an, dann muss dem Kunden ein Kostenvoranschlag vorgelegt werden.
Veröffentlichung
Behörden sind künftig verpflichtet, Rechtsverstöße bei Grenzwertüberschreitungen zu veröffentlichen. Als Prüfung müssen aber zwei unabhängige Laborprüfungen vorliegen. Ergebnisse werden auch veröffentlicht, wenn ein Bußgeld ab 350 Euro verhängt wird. Außer bei Gefahr im Verzug muss das Unternehmen vor der Veröffentlichung angehört werden.
Lob
Mit
dem neuen VIG habe die Bundesregierung die Rechte der Verbraucher gestärkt,
verlautbarte Dr. Max Lehmer, verbrauchspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe
im Bundestag. Mit den zwei unabhängigen Untersuchungen vor Veröffentlichung
wurden die „berechtigten Interessen von Unternehmen“ gewahrt, so Dr. Lehmer
weiter.
Die
Verbraucherschutzbeauftragte Mechthild Heil erklärte gemeinsam mit Franz-Josef
Holzenkamp, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (beide CDU/CSU): „Die Novelle ist ein wichtiges
verbraucherschutzpolitisches Vorhaben der Koalition in dieser Legislaturperiode
und ein zentraler Baustein für eine Kultur der Offenheit. Mit dem neuen VIG
werden die Verbraucher zu Verbündeten der redlich arbeitenden Betriebe. Als
Kontrollinstanz belohnen sie gutes Wirtschaften und strafen schlechtes ab.“
Industrie übt Kritik
Der
Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) lehnt die Änderung ab: „Das Gesetz
gefährdet Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und schafft keinen tatsächlichen
Nutzen für den Verbraucher“, sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber. Vor
allem die Möglichkeit der sofortigen Veröffentlichung sei ein Widerspruch des „im
Verwaltungsrecht geltenden Regel-Ausnahme-Verhältnis zulasten der Betroffenen
auf dem Kopf“.
Nach
Kerber reichten die bestehenden Gesetze zur Lebensmittel- und Produktsicherheit
für eine schnelle Information der Verbraucher aus.
Die
Kritikpunkte wurden in dem parlamentarischen Verfahren vorgetragen und der Bund
für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) zeigt sich angesichts der
Entscheidung enttäuscht, dass sie kaum Berücksichtigung gefunden haben. BLL-Geschäftsführer
Dr. Marcus Girnau warnt namentlich vor frühzeitiger Veröffentlichung von
ungesicherten Informationen: „Das Verbraucherinformationsgesetz dient nicht der
Abwehr akuter Gefahren, bei der schnelles Handeln erforderlich ist.“
Unternehmen und Marken könnten durch Falschinformationen irreparabel geschädigt
werden.
Skeptisch
zeigt sich auch die Verbraucherschutzorganisation foodwatch. Es gäbe zwar Verbesserungen, doch vor
Gammelfleisch und bei Hygieneverstößen würden die Verbraucher nicht gewarnt.
Sprecherin Anne Markwardt: „Ob die Verbraucher informiert werden, liegt im Ermessen
der Behörde. Die Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, dass oft nicht die
Verbraucher, sondern die Gammelfleischverkäufer geschützt werden, wenn es keine
klare Verpflichtung zur Veröffentlichung
gibt.“ Für foodwatch gebe es zu viele Ausnahmen, nicht zu veröffentlichen.
VLE