Nicht das Ei des Kolumbus
Ernährung
Eier als Nagelprobe für den Tierschutz in der EU
Die Legehennenhaltung und die Eier werden in den ersten
Tagen zur Nagelprobe des Tierschutzes in der EU. Für die EU und für die
Verbraucher.
Das Ende des Legehennenkäfigs gilt seit dem 01. Januar
2012 europaweit. Die deutschen Eierproduzenten haben vorfristig die
Legebatterie entsorgt, der Tierschutz streitet im vergleichbaren Umfang gegen
den ausgestalteten Käfig weiter, doch 12 EU-Länder haben gar nichts geschafft, die
Produktion in den letzten 12 Jahren umzustellen. Im Gegenteil wollten sie eine
Fristverlängerung. Doch EU-Verbraucherkommissar John Dalli hat das abgelehnt.
Wer ab heute noch Käfigeier produziert sieht sich einem
EU-Vertragsverletzungsverfahren ausgesetzt.
Auf der Agenda der EU steht noch mehr in punkto
Tierschutz und die ersten Wochen des neuen Jahres werden zeigen, wie
verlässlich die EU mit ihren Vorgaben und Fristen umgeht. Eine informelle
Fristverlängerung beim Hühnerei wird künftigen Verfahren und Plänen, wie Ferkelkastration,
Tierschutzlabel, Tiertransporte oder Stallbau zum Vorbild werden. Darf man
Umsetzungen schleifen lassen, weil die EU zahnlos bleibt? Damit würden alle
Länder abgestraft, die vorfristig auf neue Produktionsverfahren umstellen,
investieren und Marktanteile riskieren.
Keine verlässlichen Zahlen
Selbst der Marktinfo Eier und Geflügel (MEG) liegen
keine verlässlichen Zahlen vor, wie viele Hennen in der EU noch in
Legebatterien stehen. Es sollen zwischen 50 und 100 Millionen Hühner sein. Nur
die Brüterstatistiken weisen darauf hin, dass nun auch die letzten umstellen.
Für Deutschland und Österreich, die beide frühzeitig umgestellt haben, lesen
die Experten aus der Statistik die Phase des Bestandsaufbaus heraus. In
Deutschland wurden bis September 3,5 Prozent, in Österreich sogar 17,8 Prozent
mehr Küken gezählt.
In den anderen Ländern, die erst noch umstellen müssen,
sank der Schlupf. In Frankreich sank die Zahl neuer Küken um 27 Prozent, in
Spanien um elf, in Polen um 19 und in Tschechien um 28 Prozent.
Insgesamt dürfte nach Berechnungen der MEG mit 315
Millionen Hennen der Bestand um sieben bis acht Prozent niedriger als im
Vorjahr sein. Da der Bestandsabbau in den verbotenen Käfigen größer als der
Bestandsaufbau für die neuen Haltungsformen ist, bleiben Eier knapp. Damit auch
der Eierpreis nach der Saisonhausse Weihnachten hoch.
Schon gepatzt
Ein paar Zähne hat die EU bereits eingebüßt, das sie es
verpatzt hat, klar zu stellen, was heute mit den verbotenen Haltungsformen und
den darin verbliebenen Hennen geschieht. Der Deutsche Tierschutzbund fürchtet
um Massentötungen von Legehennen. Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes:
„Aus unserer Sicht ist es Aufgabe der EU-Kommission sicherzustellen, dass das
Käfigverbot in den Mitgliedsstaaten umgesetzt wird. Gleichzeitig ist es aber
auch die Aufgabe der Kommission, hierbei für ethische und moralisch tragbare
Lösungen zu sorgen.“
Damit steht auch die nächste Aufgabe für die Kommission
ins Haus. Lose und abgepackte Eier müssen mittlerweile einen Stempel tragen,
auf dem die Haltungsform codiert ist. „0“ steht für Bioware, die Ziffer „1“ für
Freiland- und die Ziffer „2“ für Bodenhaltung und die „3“ für die Käfighaltung1).
Für die industrielle Verwendung in lebensmittelverarbeitenden Betrieben gibt es
diese Kennzeichnung nicht. Vor dieser Ausweitung der Kennzeichnung hat sich die
EU bislang gedrückt.
Graubereich
Der Verein für kontrollierte alternative
Tierhaltungsformen (KAT) hat zum 01. Januar sogar einen Graubereich ausgemacht,
der Käfigeier nicht verbietet.
Nach Auffassung eines beauftragten Rechtsanwalts
besteht seit dem 01. Januar ein Vermarktungsverbot im Zusammenhang mit der
Legehennenhaltungsrichtlinie 1999/74/EG für Eier der Klasse A, sofern sie in
den konventionellen Käfigen produziert wurden. Das Vermarktungsverbot gelte
nicht für die Eier der Klasse B. Nach Auffassung der Kanzlei Krell, Weyland und
Grube gelte das EU-Recht nur, wenn es auch national in den Mitgliedsstaaten
umgesetzt wurde. Für die Eier der Klasse B, also für die Industrieeier, gelte
das nicht. Damit dürften sie auch aus der Käfighaltung heraus vermarktet
werden.
In Deutschland gibt es auch keine nationale Vorschrift,
dass Einfuhr und Vermarktung der Eier
der Klasse B verboten ist. Das würde „gegen den verbürgten Grundsatz der
Warenverkehrsfreiheit verstoßen“ und dürfte nicht angewendet werden.
Lesestoff:
Dalli gegen Fristverlängerung
1) Der Zahlencode für frische Eier: www.was-steht-auf-dem-ei.de
Roland Krieg