NLV: Die reine Lehre

Ernährung

Müssen Verbraucher umdenken?

Der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) hat sich gestern in einer Pressemitteilung massiv beschwert, dass der Entwurf über die Neuartige Lebensmittelverordnung erst am Abend des 14.01. zugestellt wurde. Weniger als 48 Stunden vor der öffentlichen Anhörung im Bundestagsausschuss. Bis dahin mussten alle Experten ihre Expertisen nur auf gehörte Argumentationen aufbauen.

Die reine Lehre wechselt die Seite
Umweltverbände und Opposition begrüßen die neue Regelung, die bei Futtermitteln gentechnisch modifizierte Organismen unter bestimmten Bedingungen in der Herstellung erlaubt. Der BLL hingegen verurteilt die Verordnung als Irreführung, Bauernpräsident Sonnleitner bezeichnet sie als „scheinheilig“, weil irgendwo doch irgendwann veränderte Organismen beteiligt sind. Geschäftsführer des BLL, Dr. Markus Girnau glaubt, dass dem Verbraucher nicht vermittelbar sein wird. „dass er beim Kauf eines Lebensmittels mit dem prominenten Hinweis „ohne Gentechnik“ ein Produkt erwirbt, das über den Einsatz von Verarbeitungshilfsstoffen, Enzymen oder Zusatzstoffen vom Hersteller bewusst und zielgerichtet mit gentechnischen Verfahren hergestellt wurde“.
Konsumenten müssen ihre Vorstellungen in der Tat überdenken, was „ohne Gentechnik“ bedeutet. Wem vorher nicht bewusst gewesen ist, wie weit die Gentechnik bereits praktiziert wird, so haben Verbraucher doch „ihre Ablehnung nicht allein auf Futtermitteln aus gentechnisch veränderten Pflanzen, sondern auf den gesamten Herstellungsweg ihrer Lebensmittel“ bezogen, so Prof. Dr. Klaus-Dieter vom Max Rubner Institut in seiner Stellungnahme.
Jetzt gibt es „ohne Gentechnik“ im konventionellen Bereich, mit Beihilfe derselben, und „ohne Gentechnik“ in der reinen Lehre des Ökoanbaus.
Oder aber: Die Grenzen zwischen grüner, roter, weißer und blauer Gentechnik verschwinden und mit ihnen die individuellen Akzeptanzen. Denn im Bereich der roten Gentechnik, der Humanmedizin ist sie längst akzeptiert. Beim Einsatz nachwachsender Rohstoffe ist der Widerstand auch wesentlich geringer als bei Lebensmitteln. Jetzt haben die reinen Lehrer in der grünen Gentechnik verloren: Prinzipiis obsta – wehret den Anfängen. Vorbei. Jetzt geht es um den Markt.

Die nächste Grenze
Derzeit steht in den USA die Zulassung von Produkten geklonter Tieren bevor. Die amerikanische Lebensmittelbehörde Food and Drug Administration (FDA) hatte bereits im Dezember 2006 die Unbedenklichkeit von Fleisch und Milch bescheinigt, die von geklonten Tieren gewonnen werden. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) konnte die Argumente der FDA nachvollziehen, sah aber im vergangenen Jahr noch Forschungsbedarf. Die Auswahl „der analysierten Inhaltsstoffe und mögliche Abweichungen von nicht untersuchten, aber bekannten Inhaltsstoffen sowie von neu gebildeten Verbindungen“ müssten noch erfasst werden.
Die Lebensmittelbehörde der EU (EFSA) hat am 11. Januar bekannt gegeben, dass sie einen zu diskutierenden Entwurf für die Zulassung bis Mitte Februar bereit halten will. Das wissenschaftliche Komitee will dann bis Ende April oder Anfang Mai eine erste Bewertung herausbringen.
Das BfR sieht derzeit keine Nachweismethode für die Rückverfolgbarkeit solcher Lebensmittel.
Geklonte Schafe können kürzere Telomere aufweisen. Das sind die Chromosomenkappen zum Schutz der Erbinformationsträger. Als Risikobewertung hält das BfR derzeit den Gesundheitszustand des Klons als Grundlage für denkbar.
Sollten die Amerikaner Nahrungsmittel von geklonten Tieren zulassen, dann wird es sie jedoch zunächst nicht geben. Nach Angaben des „Wall Street Journal“ plant kein Hersteller konkrete Pläne. Dadurch dürften die ersten Waren erst in drei bis fünf Jahren nach der Zulassung auf den Markt kommen.

VLE

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