Ölkännchen verschließen? Jetzt!
Ernährung
Ölkännchen-Diskussion im EU-Agrarausschuss
„Dümmlich“, „bürokratisch“, „Typisch EU“. So lauteten
die öffentlichen Reaktionen, nicht nur, in Deutschland zum Olivenölkännchen-Beschluss.
Die Karaffen in den Restaurants sollen nicht mehr wieder befüllbar sein. Die „Explosion“
in der Öffentlichkeit wurde zum Kommissionsdesaster. Agrarkommissar Dacian
Ciolos hat am Mittwoch den Beschluss zunächst einmal zurückgezogen – aber die
Diskussion mit den Parlamentariern im Agrarausschuss zeigte, dass die
Pressekommunikation bigott war: Fleischkennzeichnung zur Verhinderung von Pferdefleischeinmischung,
Kennzeichnungspflicht für Obst in Tiefkühlkost, wie die letzte Verbraucherschutzministerkonferenz
es beschlossen hat, wollen alle. Außer der Industrie. Einweg-Olivenölfläschchen
zur Verhinderung von vergleichbarem Betrug wollen die Erzeuger, was bei den Verbrauchern
aber nicht ankam. Luis Manuel Capoulas Santos (portugiesischer Sozialdemokrat)
argwöhnte sogar, es habe eine Anti-Europäische Verschwörung gegeben. Einen
Verschnitt mit Sonnenblumenöl bekämen die allermeisten Verbraucher gar nicht
mit.
Antrag der Erzeuger
Dacian Ciolos legte noch einmal die
Entstehungsgeschichte dar. Seit zwei Jahren will die EU den Absatz von Olivenöl
als hochwertiges Speiseöl fördern und hat dazu verschiedene Programme
aufgelegt. 80 Prozent des Olivenöls wird in den Erzeugerländern verzehrt. Dort
wollen die Erzeuger ihre Produkte besser schützen und haben unter anderem den
Vorschlag des verschlossenen Olivenölkännchens vorgelegt. 15 hauptsächlich
erzeugende europäische Länder haben den Vorschlag unterstützt. Weil das keine
klare Mehrheit ist und die Kommission von der öffentlichen Reaktion überrascht
war, hat Ciolos den Vorschlag zunächst einmal zurückgezogen.
Der EU-Kommissar weiß aber um die Argumente der
Erzeuger und will eine Konsultation mit Gastwirten und Verbrauchern für eine
pragmatische Lösung starten. In Portugal ist das verschlossene
Olivenöl-Kännchen bereits Praxis und die Erzeuger sind damit zufrieden.
Differenzierte Reaktion
Die Reaktionen auf den Rückzug der Kommission fand
geteiltes Echo. Albert Dess (Christdemokrat, Deutschland) und Georg Lyon
(Liberaler, Großbritannien) stellten diesen in den Vordergrund ihrer
Statements. Martin Häusling (Grüner, Deutschland) brachte es auf den Punkt des
Kommunikationsdesasters, dass Ciolos mit der Konsultation überwinden soll.
Enttäuscht vom Rückzug zeigten sich die spanischen
Abgeordneten Maria Auxiliadora Correa Zamora (Christdemokratin) und Iratxe
Garcia Pérez (Sozialdemokratin). Es gebe viel Betrug und der Vorschlag sei
wirklicher Verbraucherschutz. Die Idee sei bei den Olivenöl-Erzeugern gut
angekommen. Garcia Pérez brachte den Vergleich mit der Fleischkennzeichnung.
Länder, die in diesem Bereich eine Kennzeichnung vorantreiben, wehrten sich
gegen eine vergleichbare Produktsicherung bei Olivenöl. Der Verbraucher möchte aber
auch wissen, welches Öl in dem Kännchen ist.
Das Thema ist komplex und die Konsultation kann eine
andere Lösung hervorbringen. Britta Reimers, Liberale aus Deutschland,
bemängelte die Kohärenz zwischen den Politikbereichen. Würden halb genutzte
Inhalte weggeworfen, obwohl die EU gegen Lebensmittelverschwendung ist, und
werde sich das Abfallaufkommen erhöhen, wenn die Flaschen nicht mehr wieder
befüllbar sind? Der neue Anlauf sollte alles mit berücksichtigen.
Peter Jahr (CDU) lud den Kommissar ein, das Parlament
bei solchen Vorschlägen zu beteiligen. Das hätte manche Verwirrung erspart.
Roland Krieg