Omega-3-Fettsäure im Fleisch verpackt
Ernährung
Chancen und Risiken der Nanotechnologie
Wissenschaftler haben in den Zwergen („Nano“) einen Narren gefressen: Die Teilchen, die nur einen milliardsten Meter groß sind, vergrößern ihre Oberfläche, verändern ihren Schmelz- und Siedepunkt. Sie folgen nicht mehr der klassischen Physik, sondern entfalten ihren Charme im Bereich der Quantenmechanik. Vom Autolack über bakterizide Silberionen bis zu Kapseln, die Moleküle zu ihrem Einsatzort transportieren: Das Einsatzspektrum ist groß. Auch das Risiko?
Zumindest forderte die Studie zur Nanotechnologie, die der englische Umweltrat vor einem Jahr vorstellte, die Risikoforschung zu intensivieren. Denn wenn das Verbrauchervertrauen nicht mitwächst, ist die steigende Anzahl Patente, verlorenes Bemühen. Wurden 1994 nur eine handvoll Patente im Bereich der Nanotechnologie erteilt, waren es im Jahr 2007 bereits mehr als 1.700. Für Gerd Billen, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverband, ist die Akzeptanzampel für die Nanotechnologie bereits auf „Gelb“ gesprungen – Produkte enthalten Nanopartikel und Konsumenten wissen es nicht.
Vorteil Nano in Functional Food
Dr. René Zimmer vom Unabhängigen Institut für Umweltfragen aus Berlin beleuchtete auf der 2. Tagung „Nano-, Micellentechnologie, Mikroemulsionen“ der Beuth Hochschule für Technik die Chancen der Nanotechnologie. Wie alle neuen Techniken muss sich auch die Nanotechnologie ethischen und ökonomischen Fragen stellen. Es lohne nicht, in Techniken zu investieren, die von der Gesellschaft nicht akzeptiert werden, so Dr. Zimmer. Für den Verbraucher entwarf er die einfache Formel: Je näher die Technik an ihn heranrückt, desto größer wird die Ablehnung. Das könne ein Signalwert für etwaige Marktchancen sein.
Im Bereich der Lebensmittel zeige sich, dass Nanotechnologie für Verpackungen viel eher akzeptiert werden, als innerhalb des Lebensmittel selber.
Bei Verbrauchern ist der erste Eindruck auf die neue Technik entscheidend. Und da kann die Nanotechnologie punkten. Sie wird meist noch neutral mit Oberflächenbehandlungen in Verbindung gebracht und nicht mit einem Risiko assoziiert.
Trotzdem muss die Nanaotechnologie gegen den Trend der Natürlichkeit ankämpfen. Der werde bei Verbrauchern mit dem Satz „frei von...“ begleitet. Also kann Nanotechnologie bei Lebensmitteln nicht natürlich sein. Vor allem, weil Konsumenten „Lebensmittel“ als zweiten Punkt aufführen, der ihre Gesundheit gefährden kann. Der Risikovorbehalt sinkt aber mit steigendem Nutzenvorteil. Daher, so Dr. Zimmer, könnte die Nanotechnologie im Bereich des Functional Food ihre Einsatznische finden.
Innovationsdefizit bei Fleisch
Bei Fleisch sieht Prof. Dr. Stefan Drusch von der Beuth Hochschule Innovationsdefizite. Der Markt für Functional Food wachse mit acht Prozent, hingegen bei Fleisch unterdurchschnittlich mit drei Prozent. Das sei gemäß seines Wertschöpfungsanteil in der Lebensmittelkette stark unterrepräsentativ: „Der Fleischsektor ist noch im Dornröschenschlaf!“
Dabei versprechen Innovationen gerade auf dem gesättigten Markt für Fleisch eine Marktchance. Bei Fleischprodukten konnte die Energiedichte gesenkt werden, indem beispielsweise 15 Prozent des Schweinefetts in der Cervelatwurst durch Omega-3-Fettsäure ersetzt wurde. Die Nanotechnologie kann auch andere Zusatzstoffe und Probiotik in das Fleisch bringen.
Außer den gesundheitlichen Aspekten bedienen Gewürze und Aromen, in einer Fettkapsel eingebracht, den Genussfaktor. Sie entfalten sich erst, wenn das Fleisch in der Pfanne liegt.
Grundsätzlich wird die Zielsubstanz in Fett, Proteine oder Cellulose „verpackt“. Auch wenn es kein einfacher „Setzkasten“ sei, Substanzen, ihre Kapseln und die Einbringungstechnik zu kombinieren, so bilden sich mittlerweile doch schon gängige Verfahren heraus. Bewährt hat sich die Sprühtrocknung, bei der die Zielsubstanzen in einer Kammer mit einem Fettfilm besprüht und umhüllt werden. Prof. Drusch ist es gelungen Omega-3-Fettsäuren in das Fleisch zu bringen, das danach weder fischig noch ölig schmeckt. Nach der Originalwurst hat es die besten Geschmacksnoten bekommen – weit vor Würsten, in denen die Fettsäure mit einer Emulsion eingebracht wurde.
Nutzen, der Sinn ergibt
Das hessische Wirtschaftsministerium kümmert sich in einer Broschürenreihe um das Thema Nanotechnologie. In der Ausgabe „NanoKommunikation“ ist die Kommunikation als Schlüsselfaktor aufgelistet. Chancen für die Akzeptanz der Nanotechnik liegen in der gesellschaftlichen Anerkennung des Produktnutzens. Die Autoren Ludger Benighaus und Ortwin Renn bezeichnen vier Kommunikationsstrategien, die zum Erfolg führen können. Nanoprodukte ergeben für Konsumenten Sinn, wenn sie gesellschaftliche Herausforderungen wie Probleme der Trinkwasserqualität oder Heilungschancen lösen, den Alltag leichter machen und für Komfort und Spaß sorgen, Anwendungen und Nutzeneffekte schaffen, die vorher nicht möglich gewesen sind und schließlich einen bestehenden Produktnutzen durch Higtech und intelligente Lösungen verbessern.
Lesestoff:
Die Royal Commission on Environmental Pollution (RECP) stellte ihre Studie bei ihrer Schwestergesellschaft, dem Sachverständigenrat für Umweltfragen vor.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband nahm die Nanotechnologie unter die Lupe und das Bundesinstitut für Risikobewertung hielt zum Thema ein Verbrauchervotum ab.
Die Broschürenreihe aus Hessen finden Sie unter www.hessen-nanotech.de
Roland Krieg