Pankower Smiley ist kein Vorbild

Ernährung

Lebensmittel: Weniger Keime, mehr Imitate

Im Jahr 2009 haben die amtlichen Lebensmittelkontrolleure risikoorientiert 930.000 Inspektionen in rund 545.000 deutschen Betrieben durchgeführt und 387.000 Proben untersucht. Die Zahlen belegen nach Dr. Helmut Tschiersky-Schöneburg die Leistungsfähigkeit der Lebensmittelkontrollen. Das sagte der Präsident des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) bei der Vorstellung des Lebensmittel-Monitorings am Donnerstag in Berlin. Das erste Fazit aller Kontrollen: „Der Verbraucher erhält sichere und gesunde Lebensmittel!“.

Hygieneprobleme
Ziele der lebensmittelrechtlichen Bestimmungen sind der Schutz vor Gesundheit, der Schutz vor Täuschung und sachgerechte Informationen, so Dr. Gerd Fricke, BVL-Abteilungsleiter.
Vor diesem Hintergrund ist die Zahl der Verstöße gegen die Betriebshygiene und das Hygienemanagement unverändert hoch. Beim Hygienemanagement müssen die Betriebe dem HACCP-Konzept folgen, dass innerhalb der Verarbeitungs- und Distributionskette Schwachstellen identifiziert und Maßnahmen festlegt, das Eintragsrisiko zu verringern. So sind beispielsweise Temperatur und Zeitdauer für das Pasteurisieren von Milch festgelegt. Beide Parameter werden gezielt kontrolliert.

Allerdings ist das Risikomanagement ziemlich umfangreich und überfordert vor allem die kleinen Betriebe, so Dr. Fricke. Ein Grund, warum die Kurve des Hygienemanagement zunächst ansteigt. Während große Betriebe meist in Verbänden zusammengeschlossen sind und über sie Verbesserungen in der Hygiene umsetzen, sind kleine Betriebe und Imbisse unorganisiert.
Das macht sich in der Mängelliste bemerkbar, erklärt Bernhard Remde, Vorsitzender der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz. So gerieten die Dönergeschäfte im Jahr 2008 ins Visier der Lebensmittelkontrolleure und die Verbände gingen auf das BVL zu, um sich beraten zu lassen. Seit dem ist von mangelhaften Dönern kaum noch etwas zu hören, was Remde auf den Erfolg der amtlichen Lebensmittelkontrolle zurückführt. Sie solle auch nur die Eigenkontrollen der Industrie prüfen und unterstützen.
Die Suhsigeschäfte haben hingegen keinen Verband und stehen im Monitoringbericht des BVL in diesem Jahr im Fokus.
Es wurden 136 Sushi-Betriebe kontrolliert. 126 davon stellten das sensible Rohprodukt selber her. Davon wiesen 73 Prozent Mängel an den HACCP-Konzepten auf und 44 Probleme mit der Personalhygiene.
In diesen Betrieben wurden 156 Proben gezogen von denen 41 eine erhöhte Keimzahl aufwiesen und fünf Prozent schon verdarben. Positiv: In keiner Probe wurden Salmonellen gefunden.
Dr. Fricke zum HACCP-Konzept: „Man hat zwar ein System, aber nutzt es nicht!“

Weniger Keime, mehr Imitate
Von den insgesamt 386.845 gezogenen Proben haben die Kontrolleure 51.730 Proben mit Mängeln beanstandet. Im Vergleich zu den Vorjahren haben sich die Zahlen kaum geändert. Die Analyse der Mängel hingegen zeigt, dass zwar 62 Prozent der Lebensmittel mit unzulässigen oder falschen Zutaten sowie fehlender sowie falscher Kennzeichnung Mängel aufwiesen und in diesem Bereich eine Steigerung zu finden gewesen ist – aber bei den gesundheitlich wirklich gefährlichen Befunden ist ein Rückgang zu verzeichnen: Insgesamt sind nur noch 28 Prozent der Proben mit pathogenen Keimen belastet.
Dr. Fricke: „Die Lebensmittelsicherheit ist besser geworden!“
Hingegen nicht die Natürlichkeit des Essens. Es ist zu beobachten dass Schinkenimitate mit weniger Fleischanteil, Fremdwasser, Stärke, Verdickungsmittel und oftmals auch Pflanzeneiweiß festgestellt werden. Vom Geruch und Geschmack her, hat der Verbraucher keine Chance, den Unterschied festzustellen. Im Rahmen des Überwachungsplanes wurden 1.345 Gaststätten und 743 Imbisse überprüft. Rund die Hälfte der Betriebe verwendet Schinkenimitate. Der Anteil bei den Imbissen lag bei 70 Prozent. Die Kontrolleure sprachen 449 mündliche Verwarnungen, gaben 276 schriftliche Verwarnungen aus und verhängten 117 Bußgeldverfahren.

Aus für die Pankower Ekelliste
Im kommenden Jahr will das Bundeslandwirtschaftsministerium mit der Verbraucherzentrale Hessen ein neues Informationsportal für Verbraucher aufstellen. Die Ankündigung von Ministerin Ilse Aigner verursachte Anfang der Woche bereits großen Wirbel, weil ein „Pranger“ drohte. Das BVL wird zwar jede Initiative unterstützen, die sachgerechte Informationen bereitstellt, aber Tschiersky-Schöneburg wollte sich am Donnerstag nicht näher zu dem künftigen Portal äußern.
Bernhard Remde hingegen stellte fest, dass vor allem die Kennzeichnungsmängel in den letzten Jahren erheblich zugenommen haben: Da müsse gegengesteuert werden. Letztlich solle der Verbraucher von so einem Portal Informationen erhalten und auch erfahren was alles im Lebensmittegesetzbuch steht. Remde erwartet einen sinnvollen Verbraucherdialog: „Man wird sehen wie sich das weiter entwickelt. Wir sehen dem mit Spannung entgegen.“
Es gibt aber auch noch ein anders Projekt. Die Verbraucherschutzministerkonferenz entschied Mitte September, dass es für die Gastronomie ein bundeseinheitliches Kennzeichnungssystem geben solle. Lautstarke Fürsprecher hat das Pankower Smiley-System, dass vor allem mit Ekelbilder Schlagzeilen macht.
Zwar glauben die Lebensmittelverbände nicht, dass für ein vergleichbares System ausreichend Personal und Budget zur Verfügung stehen, aber Bernhard Remde bestätigte im Gespräch mit Herd-und-Hof.de, dass es „definitiv kein vergleichbares System wie in Pankow“ geben wird. Die Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz arbeite bereist an Vorgaben, die rechtlich vertretbar sind. Durchaus orientiere man sich an dem Vorbild Dänemarks. Ein vergleichbares Datenblatt scheint derzeit der Favorit zu sein. Das könne der Kontrolleur vor Ort ausarbeiten und ausdrucken. Der Betrieb wird verpflichtet, es auszuhängen und die Kunden können ablesen, wie der Betrieb die Vorjahre abgeschnitten hat. Dann müsse auch nicht innerhalb von 14 Tagen nachkontrolliert werden, so Remde. Bei so einem Modell reichen die Budgets und die Mitarbeiter aus. Es wird auch ein Symbol geben. Ob das aber ein Smiley wird, ist offen. Es könnte auch ein Stern werden, sagte Bernhard Remde zu Herd-und-Hof.de.

Lesestoff:
Den vollständigen Bericht des Lebensmittel-Monitorings 2009 finden Sie unter www.bvl.bund.de

Roland Krieg

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