peb-Forum Teil I

Ernährung

Auftaktforum „Besser essen – Mehr bewegen“

Das typische Fallbeispiel ist 156 cm groß, wiegt 90 Kilogramm hat einen Body Mass Index (BMI) von 37. Der BMI zeigt das Verhältnis von Körpergewicht und Körpergröße und sollte 25 nicht übersteigen. Zudem hat der typische Fall einen Blutzuckerwert von über 300 mg/dl. Die Diagnose des Diabetes Typ II beschreibt aber in diesem Fall nicht die „klassische“ Altersdiabetes bei sehr übergewichtigen Menschen, sondern der „typische Fall“ ist erst 14 Jahre alt.

„Wir brauchen Prävention gegen Übergewicht“
Auf dem Auftaktforum „Besser essen. Mehr bewegen“ der „Plattform Ernährung und Bewegung“ am vergangenen Freitag in Berlin, beschrieb Prof. Dr. Martin Wabitsch von der Deutschen Gesellschaf für Kinder- und Jugendmedizin, mit dem Fallbeispiel etwas, was die Mediziner vor 20 Jahren noch für unmöglich gehalten hatten: Altersdiabetes bei Kindern. Eine Analyse zeigte, dass der Junge täglich sechs Stunden fernsieht, kein Obst und Gemüse verzehrt, im Haushalt der beiden berufstätigen Eltern kaum gekocht wird und er vorzugsweise Fast Food und kalorienreiche Snacks zu sich nimmt. Das es sich hierbei nicht um Diabetes Typ I handelt belegen die Nachweise von Insulin, Triglyceriden und erhöhte Leberwerte. Nicht alle Kinder sind so dick, aber Gert Lindemann, Staatsekretär aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium, gab an, dass 42 Prozent der Mädchen und 58 Prozent der Jungen übergewichtig sind.
Die Altersdiabetes ist nach Dr. Wabitsch in rund 300 Fällen dokumentiert, rund 5.000 Fälle werden geschätzt und 15.000 Fälle seien bereits in der Vorstufe erkannt. Genaue Datenerhebungen für Deutschland liegen jedoch nicht vor. Der aktuelle Bericht der International Obesity Task Force (IOTF) vom März 2006 besagt, dass in der EU rund 20.000 Jugendliche Altersdiabetes haben, meist ohne das sie es wüssten. 400.000 haben eine gestörte Glukosetoleranz, eine Million zeigen bereits verschiedene Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen und 1,4 Millionen haben eine Fettlebererkrankung.
Die Folgen für die Kinder sind dramatisch. Sie leiden unter Depressionen, haben Spreizfüße, zeigen Lungeneffekte, Schlafstörungen und sind neben all den körperlichen Veränderungen zudem unkonzentriert. Sie leiden in jungen Jahren bereits unter Hüftgelenkveränderungen. Kinder, die in diesem Alter gegenüber der vorherigen Generation schon bereits sieben Kilo mehr auf die Waage bringen haben sich eine „Polster“ von rund 35.000 kcal angegessen.
Das Problem wirkt auf die gesamte Gesellschaft, denn eine amerikanische Studie hat die adipositas-assozierten Krankenhausfolgekosten zwischen 1979 und 1999 verglichen. In der Altersklasse der 6 – 17jährigen stiegen diese in den 20 Jahren von 35 auf 127 Millionen US-Dollar an.
Daher betonte Lindemann, dass Deutschland eine Prävention gegen Übergewicht für alle Bevölkerungsschichten braucht. Deutschland hole im Vergleich zu anderen Industrienationen auf und die Situation „wird sich verschlechtern, wenn wir nicht gegensteuern“. Die Gründung des britischen „Ministeriums für Fitness“ wolle er als Warnsignal für die Bundesrepublik verstanden wissen, denn rund ein Drittel der Kosten des deutschen Gesundheitssystems werden schon für die Behandlung ernährungsbedingter Folgekrankheiten aufgewendet. Deshalb seien weiterhin 6 Millionen Euro für die Ernährungsaufklärung aus dem Ministerium eingeplant. Die Menschen in Deutschland seien zunehmend mobil, bewegen sich aber zu wenig.

Mehr als nur Gewicht messen
Zur Prävention gegen Übergewicht gehört viel mehr als nur das Gewicht messen und Ernährungsempfehlungen auszusprechen. Der Präventionsansatz ist viel komplexer, wie Ph. D. Karim Abu-Omar vom Institut für Sportwissenschaften an der Universität Erlangen-Nürnberg beschrieb, dass die Sport-Initiativen bis in die 1990er Jahre hinweg einseitig Kraft- und Ausdauersport in den Vordergrund gestellt haben. „Damit hat man es nicht geschafft, die gesamte Bevölkerung zu bewegen.“ Gesundheitliche Effekte treten hingegen bereits bei „moderater Bewegung“. Nach der Ottawa Charter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Gesundheitsförderung ein Prozess, der Menschen befähigen soll, die Kontrolle über ihre eigene Gesundheit zu erhöhen und dadurch ihre Gesundheit zu verbessern. Hier ist das Stichwort „Alltagsbewegung“. Pro Tag sollen Kinder 0,5 Stunden und Erwachsene eine Stunde pro Tag den Alltag zu Fuß meistern, wobei diese Richtwerte in einer Empfehlung zukünftig verdoppelt werden sollen. Mit der Alltagsbewegung werden auch Kalorien verbrannt und damit das Gleichgewicht zwischen Energieaufnahme und -verbrauch in die Balance gebracht.
Dabei hilft beispielsweise ein Stadtumbau im Sinne „Public Health Policy“: Städte müssen wieder so konzipiert werden, dass sie das Einkaufen zu Fuß ermöglichen und nicht nur mit dem Auto „erfahrbar“ machen. Einfache Dinge, wie beispielsweise eine sicherer Überweg für Fußgänger über große Straßen zu schaffen, führte Karim Abu-Omar als einfache Lösung an. Somit beginnt die Prävention gegen Übergewicht bereits in einer Organisationsentwicklung im öffentlichen Raum mit ganz anderen Ideen.

Roland Krieg

[Im zweiten Teil dieser Woche geht es um den sozialen Aspekt, den Spaßfaktor und ein Projektbeispiel
[Der dritte Teil gibt ein Gespräch mit Prof. Dr. Pudel wieder, ernährungspsychologe aus Göttingen

Die Plattform Ernährung und Bewegung (peb) wurde vor zwei Jahren gegründet und wird seit einiger Zeit durch Tagungen und Initiativen auch in der Öffentlichkeit immer präsenter. So zum Beispiel kennen Vorschulkinder Peb und Pebber bereits aus dem Fernsehen.

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