Pyrrolizidinalkaloide in Futter- und Lebensmitteln

Ernährung

BfR-Symposium zu Pyrrolizidinalkaloide

Der Zungenbrecher besteht aus zwei Wortbestandteilen. Alkaloide sind meist alkalische, stickstoffhaltige organische Bestandteile des pflanzlichen Sekundärstoffwechsels. Pyrrolizidin ist ein schmetterlingsähnlich aufgebauter Strukturbestandteil mit einem N-Molekül in der Mitte. Rund drei Prozent der Blütenpflanzen bilden Pyrrolizidinalkaloide zum Schutz gegen Verbiss. Pferde können solche Bitterstoffe vor dem Biss „ertasten“, sofern sie nicht in Futterpellets versteckt oder geschmacklich übertüncht werden. Einige Insekten nehmen diese Stoffe gezielt auf, um sich ihrerseits vor Fressfeinden zu schützen.

Mehr als 500 Pyrrolizidinalkaloide sind bekannt, über 6.000 Pflanzenspecies bilden sie. Vorzugsweise Astern und Schmetterlingsblütler. Bekannt wurde 2007 das Gemeine Geiskraut (Senecio vulgaris) in einer Salatmischung mit Raddicchio, Frisee- und Feldsalat. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) beschäftigte sich mit der Risikoanalyse und hielt 2010 das erste Symposium zum Giftstoff ab, der vor allem durch seine ungesättigten Varianten gefährlich wird. Seit Donnerstag tagen Wissenschaftler erneut in Berlin-Mariendorf im BfR. Es geht um die Problematik der Giftstoffe entlang der gesamten Nahrungskette, denn Warentester finden teils hohe Konzentrationen in Futter- und Lebensmittel. Der heute bekannteste Vertreter ist das Jakobskreuzkraut. Aber da Hunderte andere Pflanzen den Abwehrstoff ebenfalls bilden, ist die gesamte Wertschöpfungskette gefragt.

Pyrrolizidinalkaloide schädigen zuerst die Leber von Nutztieren und wird mit der Veno Occlusive Disease (VOD) beschrieben. Über Bienen und Honig, Eiern, Milch und Fleisch sowie Tees, Kräuterpräparate und Salate können die Stoffe bis zum Menschen gelangen. Leberschäden sind bei täglich hoher Aufnahmemenge zu beobachten. Der Stoff gilt auch als Genotoxisch und krebserzeugend. Lebererkrankungen mit Todesfällen durch Verzehr von mit Senecio-Samen verunreinigtem Getreide wurden bereits 1918 beschrieben. 2008 starben 270 Menschen in Afghanistan durch verunreinigtes Mehl.

2007 war das Geiskraut eine Verunreinigung bei der Zubereitung. Daher beginnt der Schutz schon auf dem Feld. Von der Guten Landwirtschaftliche Praxis (GLP) mit Fruchtfolgen gegen Unkräuter bis hin zur Aufbereitung von Rohstoffen sind Vorsichtsmaßnahmen, die Stoffe aus der Lebensmittelkette zu halten. Das gilt auch für die Futterbereitung bei der Silagegewinnung.

Je nach Pflanzenart, verwendeten Pflanzenteilen sowie Klima und Bodenbeschaffenheit können die Gehalte an Pyrrolizidinalkaloiden (PA) stark variieren. Im letzten Jahr war nach Prof. Dr. Dr. Alfonso Lampen vom BfR Schleswig-Holstein sehr betroffen. Die Imker selbst haben die Lebensmittelkontrolleure um Analysen gebeten, weil sie um den Ruf ihres Honigs fürchteten. Mit einer Bestimmung von Zeit und Ort der PA-Bildung ist nicht getan. Dr. Monika Lahrssen-Wiederholt vom BfR verweist auf den Klimawandel. Der erleichtert nicht nur die Einwanderung neuer PA-Bildner, sondern gibt beispielsweise dem Jakobskreuzkraut mittlerweile Chancen für eine vierte und sogar fünfte Blüte im Jahr.

Zwei Trends erhöhen die Gefahr von PA-Bildnern in der Nahrungskette. Das Greening kann Blühmischungen für Blühstreifen und Schutzstreifen mit unerwünschten Pflanzen kontaminieren. Die Kontrolle der Mischungen ist wichtig, die Streifen selbst aber bieten PA-Bildnern nach Lahrssen-Wiederholt Einwanderungsrefugium. Auch die naturnahe und gesunde Ernährung kann PA ungewollt auf den Speiseplan bringen. Botanicals im Menü sind zwar „hipp“, aber bei ungenügender Kontrolle finden sich PA-Pflanzen in Kräutermischungen und Tees. Dazu zählen auch Nahrungsergänzungsmittel. Bedenklich wird das eigene Sammeln von Pflanzen als Akt der Naturbezogenheit. Huflattich und Borretsch werde im Internet gerne als Bestandteil für „Grüne Smoothis“ beworben. Doch beide Pflanzen bilden Pyrrolizidinalkaloide.

Zurück zur Natur beinhaltet auch ein Zurück zu überholt geglaubten Gefahren. Die Hersteller sind sensibilisiert. Vor der Kräuterernte wird in Deutschland das Feld händisch nach PA-Bildnern durchforstet. Teehersteller müssen bei ihrer Sortierung an eine spätere Kontamination mit Honig denken. Die Lebensmittelkontrolle hat die Überprüfung aufgenommen.

Lesestoff:

Die aktuelle Risikobewertung des BfR zu Pyrrolizidinalkaloiden finden Sie auf www.bfr.bund.de

Roland Krieg; Grafik: Dr. Birgit Dusemund (BfR)

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