Quallen knackig zubereiten
Ernährung
Kommt die Qualle auf den Tisch?
Während die Fischbestände sinken, gelten Quallen als Gewinner des Klimawandels und schweben durch die Meere. Anderen Tieren gegenüber lassen die Nesseltiere die Putzigkeit vermissen. Alle Quallen produzieren in ihren Nesselzellen Gift, wenn auch das Aufeinandertreffen mit europäischen Quallen nicht tödlich endet.
Entgiftung
In der Evolution sind die durchsichtigen Lebewesen seit 670 Millionen Jahren erfolgreich und werden in China als Beilage serviert. Nachdem sie entgiftet wurden. Meist durch Abschneiden der Tentakel. Dann sind selbst Quallen ernährungsphysiologisch sinnvoll. Sie sind fettfrei, reich an Protein und enthalten viele Spurenelemente.
Zubereitung
Neben der ästhetischen Herausforderung stellt die gelartigen Lebewesen auch die Köchin vor neuen Problemen. Die botanisch mit dem Begriff Mesogloea bezeichnete Masse ist wie die zwischen ihnen liegende Epithelschicht für den Menschen unverdaulich. Das ist nicht ungewöhnlich. Allerdings helfen Kochen und Braten hier auch nicht weiter.
Das Kochen würde die Qualle nur in eine schleimige Masse verwandeln. Das Trocknen hinterlässt am Ende ein Puder.
Dennoch gaben Mie Thorborg Pedersen von der Universität Süddänemark in Odense und Thomas Vilgis vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung nicht auf. Sie haben eine Zubereitungsform gefunden, das auf dem chemisch-physikalischen Verständnis der gelartigen Quallenstruktur basiert.
Die Qualle wird für einige Monate in eine Salzmischung gelegt. Diese besteht aus normalem Kochsalz (Natriumchlorid) und Alaun, dem so genannten Tonerdesalz. Beide Salze verwandeln die Mesogloea in essbares Material, das sogar eine „knackige Textur“ aufweist.
Was passiert beim Einlegen?
„Wir konnten in unserer Forschung zeigen, dass beide Salze notwendig sind“, so Vilgis. „Nutzen wir nur eines, so schlägt die Zubereitung fehl.“ Dies führen die Forscher auf die Wechselwirkung der aus dem Salz stammenden Ionen Natrium und Aluminium mit den komplexen chemischen Strukturproteinen der Mesogloea zurück. Diese besteht größtenteils aus dem aus der Kosmetik bekannten Stoff „Collagen“ sowie „Elastin“. Beide sind auch im Bindegewebe wie der Haut vorhanden. Vilgis: „Wir führen die Zubereitungsmethode darauf zurück, dass Aluminium dreifach geladen auftritt, während Natrium nur einfach geladen vorliegt.“ Die einzelnen Moleküle der Qualle müssen während des Einlegens durch die Salze zusammengebunden und stabilisiert werden, um am Ende eine stabile und damit im kulinarischen Sinne „knackige Textur“ zu erhalten. Dies funktioniert nur durch große und mehrfach geladene Ionen – die elektromagnetische Kraft und Reichweite kleiner odr nur einfach geladener Ionen wie Natrium reicht nicht aus, um eine stabile Bindung zu erzeugen.
Schneller als in Asien
Die asiatische Küche legt die Quallen wochenlang ein. Aus ihren Erfahrungen haben Pedersen und Vilgis jetzt ein neues Verfahren entwickelt, bei dem die Qualle schneller auf den Teller kommt. Sie haben dafür die Löslichkeit der Quallenbestandteile berücksichtigt. Die Qualle wird hierbei nicht mehr in Salz eingelegt, sondern wenige Tage mit Ethanol behandelt. Im Gegensatz zu Wasser lösen sich in Ethanol Proteine der Qualle, die in Wasser unlöslich sind. Diese sogenannten Mucoproteine und polare Polysaccharide (Vielfachzucker) bilden einen großen Teil der gelartigen Struktur der Qualle. Ein Lösen in Alkohol führt dazu, dass man ein elastisches, gummiartiges Gel erhält. „Von einem gastronomischen Standpunkt her gesehen erwarten wir, dass dies ein sehr interessantes Mundgefühl ergibt“, so Vilgis.
Die neue Präparationsmethode erlaubt es, die Qualle innerhalb von zwei Tagen zuzubereiten. Nach dem Trocknen und dem vollständigen Verflüchtigen des Alkohols verändert sich die Textur von gummiartig zu knusprig. Auf molekularer Ebene spricht man in diesem Fall von einem sogenannten „Glasübergang“, ganz wie bei vielen Polymermaterialien.
Übrigens: Quallen als Lebensmittel sind in Europa derzeit nicht zugelassen. Von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gibt es noch nicht einmal eine erste Nutzungseinschätzung.
Lesestoff:
Pedersen und Vilgis: Soft matter physics meets the culinary ars: From polymers to jellyfish; Intenational Journal of Gastronomy and Food Science Feb.2019 https://doi.org/10.1016/j.ijgfs.2019.100135
Roland Krieg; Foto: MPI-P