Reale Gefahr Listerien
Ernährung
Detektivarbeit bei Listerien
Aktuell ruft in Deutschland das „Bergpracht Milchwerk“ immer mehr Käse zurück. Was mit „Bioland Bio Hofkäse“ vor ein paar Tagen begann, hat sich zu einem großen Rückruf verschiedenster Käsesorten ausgeweitet [1]. Der Käse ist mit Listerien befallen, stäbchenförmige Bakterien, die immer wieder vorkommen und eine realere Gefahr für Verbraucher darstellen als Dioxine, Gentechnik oder Pflanzenschutzmittelrückstände.
Schwere Erkrankungen und Todesfälle
Lysteria monocytogenes, wie die Keime wissenschaftlich heißen, können in Rohmilch, Weichkäse, Räucherfisch, rohem Fleisch und Fertiggerichten vorkommen. 2009 und 2010 haben Listerien in Käse in Österreich 34 Erkrankungen und acht Todesfälle ausgelöst. „Es gibt zum Glück relativ wenige Fälle der sogenannten Listeriose in Österreich. Wenn es allerdings zu einem Ausbruch kommt, hat die Erkrankung die höchste Sterberate unter allen lebensmittelbedingten Infektionen“, beschreibt Kathrin Rychli von der Vetmeduni Vienna. Sie hat gerade eine wissenschaftliche Arbeit zum Thema veröffentlicht [2]. Die Krankheitsfälle traten auch in Deutschland und in Tschechien auf. Am Ende musste die betroffene Molkerei schließen.
Per Genetik den Ursachen auf der Spur
Die Erkrankungen wurden durch zwei Bakterienstämme verursacht, die unabhängig voneinander in den Betrieb gelangt waren. Beim ersten Kontaminationsereignis im Juni 2009 bis Januar 2010 trat ein Bakterienstamm auf, der besonders gut Epithelzellen des Darmes und Leberzellen infiziert. Dieser Keim ist extrem virulent. Er besitzt vier zusätzliche Virulenz-Gene und verursachte 14 Erkrankungen, davon 5 Todesfälle. Einige Monate später, im Dezember 2009 tauchte dann der zweite Keim auf, der besonders gut Makrophagen infizierte. Das sind Zellen des Immunsystems. Dieser löste allmählich den ersten Keim ab und infizierte bis zum Februar 2010 insgesamt 20 Menschen, von denen 3 Personen verstarben. Auch der zweite Keim war sehr infektiös. Im Schnitt waren die Erkrankten rund 70 Jahre alt.
Betriebshygiene wichtig
Listerienexperte und Co-Autor Stephan Schmitz-Esser betont die Bedeutung der Sauberkeit in den Betrieben: „Das Um und Auf [österreichisch für „A und O“; roRo] sind die richtigen Desinfektionsmittel entsprechend angewendet, viel Salz und wenig Futter für die Keime. Bei einem positiven Listerien-Befund müssen die ausgelieferten Produkte sofort rückgerufen werden. Solche Rückholaktionen bedeuten einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden für die Betriebe und sollen in jedem Fall verhindert werden.“
Lesestoff:
[1] Alle aktuellen Rückrufe finden Sie unter www.bergpracht.de
[2] Kathrin Rychli, Anneliese Müller et al.: „Genome sequencing of Listeria mnocytogenes „Quargel“ listeriosis outbreak strains reveal two different strains with distinct in vitro virulence potential, PLOS ONE, DOI: 10.1371/journal.pone.0089964
Roland Krieg