Rehe als EHEC-Überträger

Ernährung

Vorkommen VTEC bei Rehwild in Hessen

Als nützlicher Bestandteil der Darmflora von Mensch und Tier sind Escherichia-coli-Bakterien allgegenwärtig, einige Stämme können aber auch Krankheiten auslösen: In die Schlagzeilen geraten immer wieder EHEC-Varianten, die blutige Durchfälle verursachen. Diese sind ein prominenter Vertreter der Verotoxin-bildenden E.-coli-Bakterien (VTEC). Die Gifte solcher Bakterien zerstören Zellen der Darmwand und der Blutgefäße, insbesondere in Gehirn und Nieren, und können insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern zu Komplikationen bis hin zu akutem Nierenversagen führen.

Der Mensch kann sich mit VTEC entweder über infizierte Menschen, verunreinigte Lebensmittel oder den direkten Kontakt mit Tieren infizieren. Als eigentliches Reservoir solcher Stämme stehen landwirtschaftliche Nutztiere wie Rinder, Schafe oder Ziegen im Mittelpunkt. Diese Tiere erkranken selbst nicht, scheiden aber unter anderem mit dem Kot die Bakterien aus und verbreiten die Erkrankung weiter.

Rehe als Überträger

Welche Rolle spielt Wild bei der Verbreitung solcher Erreger? Zwischen 2002 und 2006 fand man am Referenzlabor für Epidemiologie der Zoonosen am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin vermehrt VTEC-Bakterien – der Anteil der kontaminierten Proben lag höher als bei Rindfleisch. Eine Reihe von Studien nährte den Verdacht, dass Rehe bei der Übertragung der Krankheit auf den Menschen eine Rolle spielen könnten. Für eine Bewertung des Risikos war die Datenlage jedoch noch nicht ausreichend.

Im Rahmen ihrer Doktorarbeit untersuchte Dr. Andrea Bartels repräsentativ für das Bundesland Hessen das Vorkommen von Verotoxin-bildenden E. coli (VTEC) bei Rehwild. Dazu wurden Kotproben von 353 erlegten Rehen aus Revieren von 12 hessischen Forstämtern aus insgesamt 12 Landkreisen und insgesamt 65 Jagden einbezogen. Nach selektiver kultureller Anreicherung wurden im Enzymimmunoassay (EIA) bzw. in einem immunchromatographischen Verfahren Verotoxin-positiv getestete Proben weiter untersucht. Mittels Hilfe der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) und Anzüchtung der VTEC auf geeigneten Nährmedien konnten insgesamt 68 Tiere (knapp 20 Prozent) als Ausscheider solcher Stämme nachgewiesen werden. Unter den positiven Rehen waren die jüngeren Tiere mit knapp 30 Prozent häufiger betroffen als die anderen Altersklassen. Eine Abhängigkeit vom Geschlecht konnte nicht festgestellt werden. Es zeigten sich jedoch deutlich unterschiedliche Häufigkeiten in den verschiedenen Landkreisen (10,5 bis 41,4 Prozent); in zwei Landkreisen fand Bartels keine infizierten Tiere.

Faktor Tierdichte

Dr. Bartels kommt aufgrund ihrer Untersuchungen zu dem Schluss, dass Rehwild in Hessen als natürliches Reservoir für VTEC angesehen werden muss. Prinzipiell handelt sich jedoch bei den gefundenen VTEC-Stämmen vorwiegend um ungefährliche Stammformen. Zusätzlich deutet die Tatsache, dass VTEC aus Rehwild und landwirtschaftlichen Nutztieren Gemeinsamkeiten aufweisen und sich die Tierzahl pro landwirtschaftliche Fläche auf die Häufigkeit auswirkt, auf eine wechselseitige Übertragung hin. Hinsichtlich der Qualität und der Sicherheit des Lebensmittels Wildbret ist eine fäkale Kontamination von VTEC in das Wildbret entweder durch eine Kotverschmutzung oder auch durch eine Übertragung von Darminhalt ins umliegende Gewebe durchaus denkbar.

Jagdverhalten

Besonders die Jagdart, der Zustand des Tieres vor und nach dem Schuss sowie das anschließende Versorgen spielen hier eine erhebliche Rolle. Somit hat der Jäger einen entscheidenden Einfluss auf die Qualität des Wildbrets und beim Eintrag von VTEC ins Wildbret. Ferner sollten sich Jäger darüber im Klaren sein, dass sie auch sich selbst durch unvorsichtiges Aufbrechen und Ausweiden der Rehe dem Risiko einer Infektion mit potentiellen EHEC aussetzen.

Vita

Andrea Christine Bartels, Jahrgang 1976, studierte Biologie an der RWTH Aachen und der Georg-Aust-Universität Göttingen. Dort fertigte sie auch ihre Diplomarbeit über Verwandtschaftsanalysen beim Rotfuchs mit Hilfe molekulargenetischer Methoden an. Anschließend studierte sie Tiermedizin an der Justus-Liebig-Universität Gießen bis zur Approbation im Jahr 2008. Die Promotion über ihre „Untersuchungen zum Vorkommen von Verotoxin-bildenden Escherichia coli (VTEC) bei Rehwild in Hessen“ schloss sie Anfang 2014 ab. Seit Ende 2013 hat sie einen Lehrauftrag im Rahmen der Fleischhygienevorlesung am Institut für Tierärztliche Nahrungsmittelkunde (IFTN) an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Daneben engagiert sie sich als freie Mitarbeiterin im Tiergarten Weilburg und entwickelt dort neue Konzepte zu fachspezifischen wildbiologischen Themen, öffentlichen Veranstaltungen bis hin zu spielerischen Erkundungen für Kinder (Schulklassen, Kindergärten) und Erwachsene.

Für ihre Arbeit wurde sie im Rahmen der 55. Arbeitstagung Lebensmittelhygiene im September mit dem Stockmeyer Wissenschaftspreis ausgezeichnet www.heinrich-stockmeyer-stiftung.de

Margret Riewenherm, roRo; Foto: Heinrich Stockmeyer Stiftung

Zurück