Rettung für den Bramley-Apfel

Ernährung

Bramley-Klone retten englische Küchentradition

Als ihre Mutter einige Äpfel in der Küche zubereitete, nahm Töchterchen Mary Ann Brailsford im englischen Southwell, Grafschaft Nottinghamshire, einige Kerne und pflanzte sie in einen Blumentopf. Das war 1809. Einer dieser Kerne wurde der erste „Bramley-Apfel-Baum“, im Blumentopf großgezogen und im Garten eingesetzt, den es noch heute an der Church Street gibt. Woher die Samen kamen, kann nicht mehr nachvollzogen werden. Es war wohl eine spontane Kreuzung verschiedener Apfelsorten, die vor 200 Jahren den Ruhm begründeten, dessen sich die englische Apfelküche noch heute rühmt.

Original Bramley Tree in Church StreetBramley kauft Garten und Baum
1846 hat Matthew Bramley den Garten mitsamt des Baumes gekauft. Zunächst schätzte nur er die besonders Vitamin C-reichen Äpfel des mittlerweile Früchte tragenden Baums, bis sein Gärtner Henry Merrywater noch einmal zehn Jahre später die Qualität dieses Apfels entdeckte. Merrywater fragte Bramley, ob er nicht ein paar Zweige von diesem Baum verwenden könne und versprach ihm, wenn er jemals mit diesem Apfel wirtschaftlich erfolgreich sein sollte, würde der Apfel seinen Namen tragen. Und erfolgreich ist der Apfel bis heute. 1876 wurde er der Königlichen Gartengesellschaft als erster Küchenapfel vorgestellt und Ausstellungen in London und Birmingham brachten dem Bramley Apfel „Erste Klasse“-Auszeichnungen.
Das Geheimnis des Bramley ist sein höherer Säure- und geringerer Zuckergehalt. Das macht den Bramley so geeignet für das Kochen, denn er behält dabei seinen Geschmack. Auch in punkto Textur schneidet er deutlich besser ab als andere Äpfel. Wenn in England Stück Apple Pie himmlisch schmeckt, dann steckt da der Bramley drin. Das weisen die Engländer mit einem eigenen Logo auch aus.

Lebende Gendatenbank
Den Original Bramley Apfelbaum hat das Schicksal schwer mitgespielt. In den frühen 1900er Jahren stürzte ein Sturm ihn fast zu Boden, doch trug er weiter Früchte. 1991 wurde er von zwei Seiten her erneut angegriffen: Das Alter und Pilze machten ihm zu schaffen. Doch schafften es Biologen der Universität Nottingham, den Begründer der englischen Apple Pie – Kultur zu retten und befreiten ihn vom Pilzbefall. Selbst in seinem 200. Jubiläumsjahr liefert er noch die Früchte für die eine oder andere Festveranstaltungen.
Bramley LogoFür die Bramley-Industrie wurden seine Ableger immer wieder verwendet und die meisten Bramleybäume sind bereits Ableger von Ablegern. Damit hat sich auch das Apfelbild langsam gewandelt. Die Früchte der verzweigten Ableger-Genereationen sind kompakter und die Bäume tragen mehr Ernte. Sie sollen auch nicht mehr die besondere Qualität aufweisen, die den Baum an der Church Street auszeichnet.
So haben sich Biologie-Professor Ted Cocking und Dr. Brian Power bereits 1990 auf den Weg gemacht, das Original zu klonen und die Eigenschaften bereits für die Zeit zu bewahren, wenn das Original längst keine Früchte mehr trägt. Zwölf der Klone wachsen derzeit im Millennium Garten der Universität heran.

Gewebekulturtechnik
Grundlage ist das Prinzip, dass jede einzelne Zelle die Eigenschaften in sich trägt, um aus sich in einen ganzen Baum zu entwickeln – vorausgesetzt, sie bekommt die Chance in einem speziellen Nährmedium. Im Frühjahr 1990 haben die beiden Biologen dem Original-Baum Sprossen entnommen, in kleinere Stücke geschnitten und alle Bakterien- und Pilzspuren, die ein alter Baum in sich trägt, penibel entfernt.
Die inaktiven Sprossknospen wurden entfernt und in eine Nährlösung gelegt, die alle vier Wochen erneuert wurde. Ab einer Länge von drei Zentimetern wurden sie zum Wurzeln in eine anderes Nährmedium verlegt. Sind die Wurzeln ausgetrieben, wurden die Klone in Erde in einem Gewächshaus gesteckt. Zunächst in einem abgedunkelten, dann in einem offenen. Diese herangezogene Gewebekultur sichert die Eigenschaften des Originalbaums und weitere Sprossen. Im Gegensatz zur Pfropfung als Vermehrungstechnik, haben die Sprosse ihr eigenes Wurzelsystem entwickelt, sagen die Wissenschaftler. Sie wachsen besonders schnell und haben in zwei Jahren bereits eine Wuchshöhe von 2,20 Meter erreicht.

Lesestoff:
Bramley-Forschung: http://research.nottingham.ac.uk
Bramley-Handel: www.bramleytrade.co.uk

roRo (Fotos: Bramley Trade)

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