Schmidt „Macht Dampf“ in der Kita-Küche
Ernährung
Schmidt gründet Qualitätszentrum Kita- und Schulessen
Der Ende 2014 in Berlin durchgeführte erste Bundeskongress Schulverpflegung hat gezeigt, dass nicht alles schlecht ist [1]. Luft nach oben gibt es immer. Am Dienstag hat Bundesernährungsminister Christian Schmidt nachgelegt und eine Qualitätsoffensive für besseres Essen in Kitas und Schulen gestartet. „Macht Dampf“, lautet das Motto auf der gleichzeitig gestarteten Postkarten- und Plakatserie.
Schmidt hatte sich bereits mehrfach für ein Schulfach „Ernährung“ stark gemacht, muss aber auf den Föderalismus Rücksicht nehmen. Dafür hat sich in Deutschland in verhältnismäßig kurzer Zeit sehr viel getan. Schmidt will mit einem „Qualitätszentrum mit fünf Dienstposten“ nachlegen, das noch in diesem Sommer in Berlin gegründet wird. Angesiedelt bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE). Das Zentrum wird den Bundesländern keinen Speiseplan vorschreiben, aber einen Rahmen setzen, in dem die Kitas und Schulen nahezu automatisch ihren Schützlingen zu einer ausgewogenen und gesunden Ernährung verhelfen können. So soll eine Musterausschreibung das Angebot von Caterern gleich in die Richtung schubsen – „nudging“ heißt das Neudeutsch. Mitte März will Schmidt das auf der Hamburger Internorga mit den Verbänden eintüten: „Ich will einen gesellschaftlichen Pakt für gutes Essen in Kitas und Schulen“, sagte er in Berlin.
Umsorgt werden besonders die Kleinen
Grundlage werden die DGE-Standards für die Schulverpflegung sein, die er „flächendeckend“ umsetzen will. Da ist noch was zu tun. Prof. Ulrike Arens-Azevedo von der HAW Hamburg, die gleich zwei Studien zur Verpflegung in Schulen und in Kitas vorstellte, beklagte, dass nur 47 Prozent der befragten Kitas die Qualitätsstandards überhaupt kennen. Nur 29 Prozent berücksichtigen sie auch.
Zudem gibt es ein Gefälle zwischen Kitas und Schule. Bei den Kleinen werden im Bereich Gemüse die Qualitätsstandards zu über 90 Prozent mindestens teilweise erfüllt. Wechseln sie auf die Schule sinkt der Anteil der Qualitätsstandards auf 65 Prozent. Ähnlich ist es auch in den Kategorien „Mindestens 8 x Salat oder Rohkost in 20 Verpflegungstagen“ und „Maximal 8 x Fleisch in 20 Verpflegungstagen“. Beim Wechsel auf die Schule wird das Essen schlechter.
Zudem wird direkt vor Ort auch nur zu 30 Prozent gekocht. Die meisten „Küchen“ bekommen die Speisen warm angeliefert und sind auf Aufrechterhalten der Temperatur ausgerichtet.
Schmidt will ausdrücklich die Eltern ins Boot holen. Bei bundesweit durchschnittlich 2,42 Euro pro Mittagessen, sind keine großen Sprünge möglich.
Die Professorin für Gemeinschaftsverpflegung hat eine Schwachstellen hervorgehoben: Es gibt zu wenig Fachpersonal in den Einrichtungen. Meist sind es Lehrer ohne Fachkenntnisse, die sich um die Verpflegung kümmern. Dort wo ein Ernährungswissenschaftler den Hut aufhat und die Qualitätsstandards umgesetzt werden, verbessere sich die Essensqualität, erklärt Arens-Azevedo.
Geld ist genug da
Die Länder sind bereit, die Verpflegungsqualität zu verbessern. Geld sei auch genug da, sagt Schmidt. „Wir haben ein Umsetzungsproblem.“
Mecklenburg-Vorpommern hat ein Gesetz für die Kitaverpflegung und Berlin für die Schulverpflegung erlassen. Die Stadt München hat gerade eine Ausschreibung für beide Unterrichtsstätten veröffentlicht, die auf die DGE-Qualität setzt. Brandenburg bastelt seit einem Jahr an einem eigenen Qualitätsstandard. „QBra“ befindet sich derzeit noch in einem Prozess [2].
Bayern geht seinen eigenen Weg und hat eine eigene Umfrage zur Verbesserung der Schulverpflegung durchgeführt. Die Bundesstudie hat auf diese Daten zum Teil zurückgegriffen.
Kreativität gefragt
Zahllose Projekte im ganzen Land zeigen die Kreativität in Kitas und Schulen. Schmidt fordert diese auch ein. Angesichts der wachsenden Zahl muslimischer Kinder, solle das Schweinefleisch nicht generell gegen Geflügelfleisch ausgetauscht werden. Möglich seien beide Varianten, so Schmidt.
Essen alleine reicht nicht
Der landwirtschaftliche Branchenverband „information.medien.agrar“ (i.m.a) begrüßt die Qualitätsoffensive des Ministers. Geschäftsführer Patrick Simon will aber mehr. „Es reicht nicht aus, den Kindern nur besseres Essen anzubieten. Genauso wichtig ist es, dass sie erfahren, wie gutes Essen entsteht und wie unsere Nahrungsmittel erzeugt werden.“ Simon beruft sich auf eine Umfrage, in der sich die Mehrheit der Bundesbürger ein Schulfach „Landwirtschaft“ wünschen: „Wenn die Kinder lernen, wie Milch und Fleisch erzeugt, Gemüse angebaut und unsere Nahrungsmittel verarbeitet werden, werden sie die Lebensmittel mehr wertschätzen. Das ist die Grundvoraussetzung gesunder Ernährung.“ Nur zehn Prozent der Lehrer nutzen kostenfreies Material des i.m.a.
Bitte, kein neues Ernährungsfach!
Die mittlerweile im Ruhestand befindlichen Prof. Dr. Ines Heindl und Prof. Dr. Barbara Methfessel wurden vom Bundesernährungsministerium im vergangenen Jahr mit der höchsten Auszeichnung des BMEL für ihr Lebenswerk geehrt: Der Professor Niklas-Medaille. Beide haben sich für die Ausbildung, Qualitätsstandards und Weiterbildung einen Namen gemacht. Dennoch sind sie mit der ständigen Forderung nach einem Ernährungsfach des Ministers alles andere als zufrieden.
Die Stärkung des Schulbereiches sei zwar lobenswert, aber kontraproduktiv. Vielfach bestehen solche Fächer schon oder die Ernährungsbildung ist in einem Fächerverbund untergebracht. Die Möglichkeiten haben die EU bereits im EU-Curriculum 1999 und das REVIS-Curriculum zur Ernährungs- und Verbraucherbildung in Deutschland bereits hinterlegt [3]. Vor allem das durch das Ministerium geförderte REVIS habe bereits zu zahlreichen Facheinführungen geführt.
Die Ernährungswissenschaftlerinnen schlagen daher eine „Verankerung der Ernährungs- und Verbraucherbildung (ggf. kombiniert mit Gesundheitsbildung) in einem sog. „Ankerfach“ bzw. Fächerverbund“ vor. Das wäre ein Signal für die Unterrichtung durch fachlich und didaktisch kompetente Lehrer.
Lesestoff:
[1] Bundeskongress Schulverpflegung
[2] Qualitätshandbuch Schulverpflegung Brandenburg
[3] REVIS: Was die Schule leisten kann
Roland Krieg; Fotos: roRo