Schnitzel ohne Leiden
Ernährung
Laborfleisch für die Weltbevölkerung
Fleisch hat derzeit keinen
guten Stand: Um eine tierische Kalorie zu erhalten müssen vorher
durchschnittlich sieben pflanzliche Kalorien verfüttert werden. Zwei Drittel
der deutschen Getreideernte wandert in den Futtertrog, der Regenwald
verschwindet unter Sojaflächen. Kühe rülpsen klimaschädliche Gase in die schon
aufgeheizte Atmosphäre, Umweltverbände sehen in jeder Herde bereits eine
Massentierhaltung, Futtermittelskandale erschüttern die Republik und Tiere
durchleiden auf ihrem letzten Gang das Horroszenarium Schlachthaus.
Auf der anderen Seite ist
„Fleisch (noch immer) ein Stück Lebenskraft“, wird als regionale Delikatessen,
wie das Altmühltaler Lamm, hoch gehandelt und ist das saftige Steak auf dem
Teller ein Genussfaktor.
Ausgangspunkt NASA
Wie so oft war die
amerikanische Raumfahrtbehörde NASA Trendsetter und machte sich die Eigenschaft
von Zellen zu Nutze, dass im Labor aus einer einzigen Muskelzelle eine ganze
Zellkultur heranwachsen kann. Um auf den Raumflügen mit dem knappen Platz
auszukommen, experimentierten die Wissenschaftler mit Fischzellen, die
unterwegs zu einem Filet heranwachsen.
Was bei Fisch funktioniert,
klappt auch bei Landtieren. Im Labor können Muskelzellen von Rind, Schwein und
Geflügel zu Zellverbänden herangezogen werden. Schon seit den 1990er Jahren
geistern Begriffe wie Laborfleisch, kultiviertes Fleisch oder in vitro-Fleisch
durch wissenschaftliche Beiträge.
Wie das Original
Im Jahr 2005 forschte Jason
Matheny von der amerikanischen Universität Maryland über das Schnitzel aus dem
Bioreaktor. Für eine Produktion im industriellen Maßstab hat er herausgefunden,
dass die Zellen auf einem flachen Bett in die Breite wachsen können. Um dem
Schnitzel seine gewisse Dicke zu geben, werden neue Muskelzellenschichten
darüber gelegt. Oder die Zellen wachsen temperaturgesteuert gleich in einem
dreidimensionalen Reaktor. Die verschiedenen Geschmacksrichtungen Rind oder
Schwein seien kein Problem, aber um die richtige Textur eines Steaks zu
erhalten müsse noch geforscht werden.
Nach Matheny kann das Fleisch
auch „gesünder“ gemacht werden. Man könne gezielt günstige Fettsäuren wie
Omega-3 integrieren.
Muskelzellen auf Nährboden (Chalmers University)
Potenzial ohne Nachfrage…
Sein Forschungskollege Dr. Vladimir Mironov von der Medizinischen Universität in Süd Carolina verkündete ein Jahr später, dass die Technik für das in vitro-Fleisch ausgereift sei – aber keine Nachfrage nach den Produkten bestehe. Deshalb fehlen die Millionen an Investitionen, das tierlose Fleisch wettbewerbsfähig herzustellen.
… aber noch immer aktuell?
Anfang September 2011 gab es im
schwedischen Göteborg auf Einladung der Chalmers Universität für Technologie
und der Europäischen Wissenschaftsstiftung einen Workshop zu diesem Thema. Die
Technologie habe in den letzten Jahren weitere Fortschritte erzielt, um in
vitro-Fleisch im Industriemaßstab herstellen zu können, lautet das Resultat.
In vitro-Fleisch gewinne
gegenüber Fleisch von echten Tieren eindeutig den Klimavergleich, weil Aufwand
für die Tierzucht, das Füttern und der Transport wegfallen. Laborfleisch
beansprucht keinen knappen Boden, der beispielsweise für den
Energiepflanzenanbau frei würde.
Die Produktion von in
vitro-Fleisch würde sogar noch umweltfreundlicher, wenn die Nährstoffe für das
Zellwachstum mit Hilfe erneuerbarer Energien hergestellt würden. Man könnte, so
die Forscher, Nährstoffe nehmen, die von Blaualgen produziert werden.
Julie Gold von der Chalmers
Universität lädt alle Wissenschaftler ein, die noch offenen Fragen für diese
Fleischproduktion zu lösen.
Lesestoff:
Workshop in Schweden: www.chalmers.se/en/areas-of-advance/lifescience/Pages/ESF-Exploratory-Workshop.aspx
Universität Maryland: www.newsdesk.umd.edu/scitech/release.cfm?ArticleID=1098
Medizinische Universität Süd Carolina: www.musc.edu/catalyst/archive/2006/co1-20invitro.html
Roland Krieg; Foto: Chalmers University of Technology