Schule und Ernährung

Ernährung

1. Fortbildungstagung für Lehrkräfte

>Der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (www.dge.de) ist es ein "besonderes Anliegen" Lehrkräften Informationen zur Verfügung zu stellen, um bereits in der Schule mit den Kindern über Ernährung zu sprechen. Über 120 registrierte Lehrkräfte und Multiplikatoren fanden sich gestern in dem fast schon zu klein gewordenen Konferenzraum des InterCity Hotels in Schwerin ein. Geladen hatte die DGE Mecklenburg-Vorpommern und Vorsitzender Prof. Dr. Jörg Meier konnte aktuelle Aktionen vorstellen und die DGE als "Plattform des Wissens" präsentieren. Spätestens seit Ende September kümmert sich ein breites Bündnis um die Gesunderhaltung von Kindern und Jugendlichen. Aber wer lehrt die Lehrer?

Kinderwelt
Prof. Dr. Ines Heindl von der Universität Flensburg beschreibt die veränderte Situation in der Kinder mit Nahrungsmitteln aufwachsen. Dadurch, dass Lebensmittel nicht mehr selbst hergestellt werden, geht viel Kontakt verloren. Es dominiert ein reines Konsumverhalten, dass durch die ständige Präsenz und Verfügbarkeit von Lebensmitteln hervorgerufen wird: Die Qual der Wahl. In Familien zeigt sich auch, dass die Emanzipation die Küche erreicht hat. Vermehrt werden Mahlzeiten von Männern zubereitet und diese werden zu ungewollten Trendsettern durch Fertigmahlzeiten und Außer-Haus-Verzehr. Weil Lebensmittel praktisch nur noch verpackt erhältlich sind, gehen sinnliche Erfahrungen verloren. Nahrung lässt sich kaum noch ertasten und beriechen. Zuletzt stellt die Lebensmittelindustrie auch vermehrt funktionelle Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel her, die den Ursprung der Ernährung verschleiert. Getränke werden zu Kult und das Image entscheidet über die Wahl des Schokoriegel.
Woher sollen Kinder jedoch auch wissen, was richtig ist? Eltern sind meist die schlechteren Vorbilder, wie Prof. Dr. Jörg Diehl von der Universität Giessen zusammenfasst. Männer haben bereits einen zu hohen Body Mass Index (BMI) von 25 - 30 und Oma und Opa sitzen mit fünf Stunden länger vor dem Fernseher als Kinder. Wieso also sollen es die Jugendlichen besser machen? Übergewichtige Eltern neigen dazu, das Gewicht ihrer Kinder zu unterschätzen. In dieser Welt ist es nicht einfach schlank zu bleiben. Schließlich können auch Ernährungsprofis die Frage, warum Kinder dieses oder jenes nicht essen, nicht beantworten. Dazu sind die Ursachen viel zu komplex. Während Süßes bereits bei Säuglingen eine hohe Präferenz hat und daher Kinder keinen Antrieb haben bitteres Bier zu trinken, können, so der Giessener Psychologe, nur andere Faktoren den Ausschlag geben: Frotzeleien bei Familienfesten, dass Bier trinken zu Männern gehört, lässt die Jungen es probieren. Auch Kaffee wird bei Kindern sozial angestoßen, da dieses Getränk zum Erwachsensein gehört. Spinat steht übrigens auf der Bestsellerliste gekochten Gemüses ganz oben.
Denn: Kinder und Jugendliche wissen schon, eigentlich wie die Erwachsenen, was gut und gesund ist. Obst steht als Knabberei auch ganz oben, wird jedoch von den Eltern zu wenig angeboten. Wenn Kinder eine hohe Präferenz für Hamburger haben, müssen diese nicht automatisch 3 bis 5-mal die Woche bei McDonald´s sitzen.

Bildungsauftrag
Ernährungswissen ist angesichts übergewichtiger Kinder und Erwachsener also nicht alles. Wichtiger ist die Umsetzung des Wissens. Für die Schulen gibt es mittlerweile ein europäisches Kerncurriculum zur Ernährungsbildung, dass mit sieben Themenfeldern, wie Essen und Körper, Essgewohnheiten, Ernährung und persönliche Gesundheit verlorengegangene Ernährungsbildung wieder zurückholen soll. Das alte Fach Hauswirtschaft, beklagt Prof. Heindl, wurde von der Ökonomie übernommen. Selber kochen statt Catering: und die Küche wird zu einem Kommunikationszentrum. "Health Literacy" ist das neue Konzept. Kinder müssen gesundheitlich gebildet werden, damit sie ohne Erziehungseffekte lernen, sich bewusst zu ernähren. Prof. Heindl verweist auf die Seite www.deutscher-praeventionspreis.de mit zahlreichen Beispielen von Schulaktionen auch zum Thema Ernährung.

Fitte Schule
Gerade abgeschlossen wurde eine Testphase in einer Eutiner Schule. Ernährungspsychologe Dr. med. Thomas Ellrott von der Universität Göttingen stellte ganz frisch die Primärprävention "Quizaktiv-Pausen" vor. Es richtet sich an die 5. und 6. Klasse, ist keine umfangreiche Ernährungsbildung, allerdings die kleine Zwischenmahlzeit. Das Prinzip sind auflockernde Spielrunden während des ganz normalen Deutsch- oder Mathematikunterrichts. Sind die Kinder unkonzentriert hat der Lehrer die Möglichkeit einmal am Tag für sechs bis sieben Minuten die Kinder aktiv werden zu lassen. Aus einem Korb wird eine Kugel gezogen, die entweder eine Quizfrage beinhaltet oder eine Bewegungsübung. Bei der Quizfrage (Was sind Kalorien?) wird die Klasse in zwei beliebige und immer wechselnde Gruppen geteilt und löst im Wettbewerb die Frage. Wird eine Bewegungsübung gezogen können Kinder mit überkreuzten Armen einen Kreis bilden und den Rücken wie in einem Blütenkranz nach hinten beugen. Spielerisch bewegen sich die Kinder und erfahren in Fernsehquizform etwas über die Ernährung. Der Test hat den Kindern gefallen und es wird ein Interventionsset geben, für das noch Sponsoren gesucht werden, damit vor einem neuen Schuljahr rund 80 Kugeln in dem Netz sind. Für die Lehrer gibt es ein begleitendes Handbuch.
Angebote gibt es also genug. Für unterschiedliche Altersklassen könne ansprechende Materialien bei www.5amtag.de heruntergeladen werden. Auch die Verbraucherzentrale in Mecklenburg-Vorpommern ist fast täglich in Schulen mit Spielen und Materialien unterwegs. Ein Anruf genügt.

Nicht nur die Kinder müssen etwas tun
Allerdings müssen auch die Erwachsenen etwas tun. Prof. Heindl stellte in einem zweiten Vortrag die Mängel in den Schulbüchern vor. Dort rufen manchmal noch Hamburger Alpträume hervor, sind 60 Prozent der Krebsfälle ernährungsbedingt (richtig ist: 30 Prozent), ist Zink-Mangel häufig (richtig ist: selten) oder gibt es "etwa 20 Vitamine" (richtig ist: 13). Die Defizite werden durch Fortschreiben alter Ausgaben in neue Auflagen immer wieder übernommen und zu wenig überprüft. Zitierte Quellen sind veraltet und mancher Populärwissenschaftler findet Inhalte seines Bestsellers als Ratgeber in Schulbücher. Die Professorin fordert, dass es nur noch Neuauflagen nach Überarbeitung geben soll und dass wieder Spezialisten das Lektorat übernehmen. Generell gibt es zu viele Bücher zu schnell auf dem Markt. Hier sind die Länder-Zulassungskommissionen gefordert.

roRo

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