Schulen und Kantinen
Ernährung
Wo man Verbraucher abholen kann
Der zweitägige Kongress „Lebensmittel & Ernährung“ hat im Wesentlichen klar gemacht, das weder die heutigen noch die morgigen Lebensmittel in der Lage sein werden, „sich gesund essen zu können“. Jegliche Projektion des Verbrauchers in diese Richtung entspricht eher Sehnsüchte als Realitäten. Trotzdem gibt es zwei Bereiche, bei dem der vorsorgende Verbraucherschutz auch als gesellschaftliche Aufgabe greift: Einmal dem Hänschen das beibringen, was er als Hans nimmer mehr lernt, und dem Hans in der Gemeinschaftsverpflegung (GV) dennoch Alternativen aufzuzeigen.
Was die Schule leisten kann
Prof. Dr. Barbara Methfessel von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg grenzte gleich die Hoffnungen ein: „Die pädagogischen Einflussmittel sind sehr begrenzt.“ Kinder und Jugendliche wissen heute ganz genau, wie sie ihre persönlichen Ziele erreichen und treten als selbstbewusste Konsumenten auf. Dabei unterliegen sie der Vielfalt, Verfügbarkeit und Verführungen der Konsumwelt. Heute suggerieren „Friends, Food und Fun“ die Sehnsucht, das alles „ganz easy“ ist und bestimmte Produkte diesen weg ebnen können.
Dabei funktioniert die Werbewelt recht einfach: „Wie kommt dein Geld in meine Tasche?“ Das ist für die Pädagogin ein Ansatzpunkt, Jugendlichen Denkanstöße zu geben, hinter die Kulissen zu blicken. Zwar bleibe „die Clique“ immer stärker, wenn ein Schokoriegel gerade in Mode ist, aber die Jugendlichen erfahren eindrucksvoll wie viel in ihm steckt, wenn sie das Kalorienäquivalent auf dem Ergometer einmal abstrampeln sollen. Jugendliche können eigene Testkriterien aufstellen, wenn sie vergleichbar der Stiftung Warentest, sich gemeinschaftlich überlegen, nach welchen Kriterien Lebensmittel bewertet werden könnten.
Die Portion Pommes wird nicht mehr verboten. Die Pädagogin geht auf die Lebenswelt der Kinder ein und bietet Alternativen an. Das Ziel: der kritische Konsument, der weiß, wo er was, warum gekauft und gegessen hat.
Dann werden nach dem Curriculum der „Reform der Ernährungs- und Verbraucherbildung in Schulen“ (REVIS), die Schüler in der Lage sein, qualitätsorientierte Verbraucherentscheidungen zu treffen und einen nachhaltigen Lebensstil zu entwickeln.
Prof. Methfessel räumte auch mit einer Illusion auf: Fast Food und Snacks gehören zum Alltagsleben der Jugendlichen. Wenn es neue Lebensmittel geben sollte, dann müssten diese verbessert werden.
Gemeinschaftsverpflegung (GV)
Nach Zahlen aus diesem Jahr gibt es fast 14.000 Betriebskantinen, 9.700 GV-Einrichtungen in Altenheimen, 6.000 in Schulen, 3.500 in Krankenhäuser, und 710 in Universitätsmensen. Dabei nahmen die „Vielesser“, die vier- bis fünfmal in der Woche dort speisen zu. Nur bei den Schülern der 11. bis 13. Klasse geht der Besuch zurück, wobei das eine „deutsche Spezialität“ ist. In den Nachbarländern gibt es durchgängige Schulessen und sei bei allen Altersgruppen akzeptiert, sagte Prof. Dr. Ulrike Arens-Azevedo von der Hochschule für Angewandte Wissenschaft in Hamburg.
Sie beklagte das fehlende öffentliche Engagement in den schulischen Einrichtungen. Die Kantinen der Firmen haben für ihre Mitarbeiter erkannt und umgesetzt, dass eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung die Leistungsfunktion erhält und steigert. Auch in der Altenpflege werde genau hingeschaut. Dort gibt es teilweise schon Ernährungsanalysen der Medizinischen Dienste. In den Schulen gibt es das nicht. „Gerade Schulbewirtschaftungen sind meist nicht professionell“, fordert Prof. Arens-Azevedo die Politik heraus, einzugreifen.
Es gebe nur vereinzelte Studien: Die ausgeteilten Essen sind meist zu Fett- und Proteinreich, haben zu wenig Ballaststoffe und zu wenig Mineralien und Vitamine. Die Betriebskantinen haben mittlerweile große Obst- und Gemüsebuffets, vegetarische Angebote und die Firmen zeigten, dass sie Verantwortung übernehmen. In der Schweiz vergibt die Gesellschaft für Ernährung Qualitätslabel für einzelne Menus, die dann von anderen GV übernommen werden können.
Lesestoff:
Die Plattform Ernährung und Bewegung hatte in Berlin kürzlich eine Tagung über „Besser Essen – Mehr Bewegen“.
Der Verband der unabhängigen Ernährungsberatung nahm in sich auf seiner Drei-Länder-Tagung unter anderem des Thema „Seniorenernährung“ an.
Ob Verbraucher „neue Lebensmittel“ annehmen und in welcher Vielfalt diese auftreten zeigte die IRI-Studie über Bestseller in den Regalen und der Kongress „New Foods“ in Hamburg.
Die Schulverpflegung hat in Deutschland im letzten Jahr Rahmenkriterien erhalten.
Den Abschlussbericht REVIS gibt es online unter www.evb-online.de
Die neuesten Trends von Hanni Rützler über das Verbraucherverhaltens gibt es unter www.futurefoodstudio.at
Das Grünbuch der EU zum Thema „Förderung gesunder Ernährung und körperlicher Bewegung“ finden Sie unter:
http://europa.eu/scadplus/leg/de/cha/c11542b.htm
Es ist das europäische Gegenstück zu www.ernaehrung-und-bewegung.de
Roland Krieg
[Sie können sich alle Artikel über den Kongress mit dem Suchbegriff „LM-Zukunft“ im Archiv anzeigen lassen]