Sind tote Algen natürliches Calcium?
Ernährung
EuGH kippt Algenzusatz als Calciumquelle in Bioprodukten
Früher war Essen einfacher. Heute müssen Gerichte darüber entscheiden, was wann wo erlaubt ist. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Donnerstag über Lithothamnium calcareum im Bio-Drink entschieden.
Calcium aus der Kuhmilch oder sonst…?
Auf Kuhmilch zu verzichten hat viele Gründe. Die einen wollen im Rahmen des Tierschutzes auf das tierische Produkt verzichten, den anderen fehlt das Enzym zur Lactoseverarbeitung.
Der Markt für Tiermilchersatz ist groß. Drinks aus Hafer, Mandeln, Reis und Soja stehen in vielen Supermärkten. Als besondere Auslobung bekommt das Produkt ein Öko-Siegel. Für die Hersteller wird es dann erst richtig schwer. Wer auf Kuhmilch verzichtet, gibt eine Calcium-Quelle auf. Daher ist Calcium ein wichtiges Produkt auf dem Markt für Nahrungsergänzungsmittel.
In konventionellen Reis- und Sojadrinks werden der Regel 120 mg auf 100 ml Getränk zugegeben. Das entspricht in etwa der Höhe des Calciumanteils in der Kuhmilch.
Was die Behörden störte
Die deutsche Natumi AG aus Troisdorf im Rhein-Sieg-Kreis gehört zur US-Gruppe „The Hain Celestial Group“ im Bundesstaat New York. Gründungsvater Bruno Fischer hat die Firma 1999 als Spezialist für laktosefreien Milchersatz gegründet und beliefert heute mehr als 2.000 Bioläden und Reformhäuser.
Aus der Zwickmühle, dass Bioprodukten kein Calcium zur Anreicherung zugesetzt werden darf, glaubte das Unternehmen in Lithothamnium calcareum einen wichtigen Partner gefunden zu haben. Die Rotalgenart Lithothamnium fasst 103 Unterarten. Das besondere an Lithothamnium calcareum ist das vorhandene Kalkdepot, weswegen sie auch als Algenkalk für den Algendünger gewonnen wird. Physiologisch wirkt besonders das Tricalcium-Phosphat. Das wird weltweit gerne als Calciumquelle für die Anreicherung von Lebensmitteln genutzt.
Um das Verbot der Calcium-Zugabe bei Bioprodukten zu umgehen, haben die Rheinländer Lithothamnium calcareum als natürliche Mineralstoffquelle definiert. Die abgestorbenen Rotalgen werden aus gereinigten, gemahlenen und getrockneten Sedimenten gewonnen.
Das Land Nordrhein-Westfalen allerdings hat gegen Natumi ein Bußgeld erhoben. Die Produkte wurden mit den Hinweisen „Calcium“, „Soja-Drink-Calcium“ und „mit kalziumreicher Seealge“ oder auch „mit hochwertigem Calcium aus der Seealge Lithothamnium“. beworben. Das Bußgeld wurde fällig, weil Calciumcarbonat einem Bio-Produkt nicht zugesetzt werden dürfe. Demzufolge sei auch der Werbehinweis falsch.
Bis zum EuGH
Die Troisdorfer räumten zwar ein, dass der Zusatz zur Anreicherung verboten sei; doch die tote Alge sei eine natürliche Quelle und daher „bio“. Da es um Unionsrecht geht hat das Bundesverwaltungsgericht den EuGH um die Auslegung des Unionsrechtes EG 889/2008 mit Durchführungsschriften für die aktuelle Fassung der Ökoverordnung 834/2007 gebeten.
Das am Donnerstag gefällt Urteil besagt, dass die Alge selbst nicht ökologisch zertifiziert. Eine Ausnahme für die Verwendung als "nichtökologische Zutat landwirtschaftlichen Ursprungs" in ökologischen Lebensmitteln bestehe nur, wenn das Produkt ohne diesen Zusatz nicht herstellbar wäre. Das sei hier aber nicht der Fall.
Außerdem gebe es sehr strenge Vorschriften für den Ökobereich. Die schließen grundsätzlich die Verwendung von Calciumcarbonat als Zusatzstoff aus. Eine Zulassung des Algenpulvers als Zutat landwirtschaftlichen Ursprungs zur Anreicherung mit Calcium „liefe daher darauf hinaus, dass die Hersteller dieser Lebensmittel dieses Verbot umgehen dürften.“
Rechtssache C-815/19
Roland Krieg
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