Stadt – Land – Bio

Ernährung

Kinder, Schule und Sorgen um die Ernährung

>Schon heute leben mehr als die Hälfte der Menschen in der Stadt. In einigen Industrieländern sind es bereits zwei Drittel der Bevölkerung. Der Stadtmensch wird sich zunehmend vom Landmenschen unterscheiden. Nicht nur, weil er den Kontakt zur Landbewirtschaftung vor den Stadttoren verliert, sondern vielmehr dadurch, dass er sich seine eigenen Vorstellungen realisieren kann. Schon heute werden weltweit rund acht Prozent aller Nahrungsmittel in der Stadt erzeugt. Das reicht von der Kleingartenkolonie bis zu eingemeindeten Feldern und zu modernen Systemen, die Gemüse und Fische in Containersystemen produzieren.

Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) hat das Thema „Stadt – Land – Bio“ über seine Tagung auf der Grünen Woche gestellt und Vertreter aus Dänemark, Frankreich, Deutschland, Italien und Estland eingeladen, um über deren Projekte zu sprechen. Ein Impuls soll von dieser Veranstaltung ausgeben, wünschte sich Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des BÖLW. Der aber ist schon da.

Allen Projekten gemeinsam ist, dass Kinder, Schulen und die Sorge um eine gesunde Ernährung Treiber für neue Stadt-Land-Verbindungen gewesen sind.

Das reicht von kleinen Ökodorf Correns in der Provence, wo innerhalb von zwei Jahren 90 Prozent der Bauern auf 350 Hektar Ökolandbau umgestellt haben. Das Dorf mit nur 870 Einwohnern ist zwar das am meisten umgestellte Ökodorf, aber die umliegende Region gilt in Frankreich als „grüne Provence“, erklärte Bürgermeister Michael Latz.

Kopenhagen hat sich gleich ein eigenes politisches Ziel gesetzt und will die erste klimaneutrale Stadt werden. Die Ernährung gehört dazu. Schon heute liegt der Anteil biologischer Produkte in öffentlichen Kantinen bei 75 Prozent und soll in den beiden nächsten Jahren auf über 90 Prozent steigen.

Was exotisch wirkt, gilt auch für Deutschland. Nürnbergs Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly baut „seine“ Stadt auf Bio um. In Kitas sind die Speisen zu 40 Prozent, in der Schule zu 20 Prozent und selbst auf dem traditionellen Weihnachtsmarkt schon zu 30 Prozent ökologisch aus der Region. Das ist kein Selbstläufer gewesen, weil der Widerstand hoch ist. Den berühmten Nürnberger Würstchen wurde nachgesagt, dass sie auf dem Grill mehr rauchten, wenn sie aus der ökologischen Produktion stammten.

Die Agrarpolitik ist eigentlich keine kommunale Politik, obwohl Agrarumweltmaßnahmen durchaus im kommunalen Interesse liegen. Dr. Maly schreibt den Kommunen aber ihre Nachfragemacht zu. Sie können bei öffentlichen Einrichtungen auf ökologische Speisen setzen, sie können bei kommunalen Veranstaltungen Produkte aus der Region beziehen. Was auf der Landes- oder Bundesebene nicht klappt, können die Kommunen mit Engagement lokal initiieren.

Daher sind Kinder, Schulen und die Sorge um die gesunde Ernährung der Treiber für einen Mentalitätswechsel.

Lesestoff:

Diesen Ansatzpunkt sollte die „große Agrarpolitik“ nicht unterschätzen, denn sie wird von den Wählern betrieben. Europaweit gibt es bereits das Netzwerk Città del Bio: www.cittadelbio.it (nur auf italienisch). Nürnberg hat sich bereits 2006 angeschlossen: www.nuernberg.de/internet/biomodellstadt/cittadelbio.html

Roland Krieg

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