Stillen: Darf es ein bisschen mehr sein?
Ernährung
Weltstillwoche bis zum 08. Oktober
Muttermilch ist optimal auf die Bedürfnisse des Kindes abgestimmt, jederzeit verfügbar, hygienisch einwandfrei und immer richtig temperiert. Das sind Vorzüge, die eine Mutter-Kind-Bindung fördern, resümiert die Berliner Verbraucher Initiative zur Weltstillwoche 2006, die noch bis zum 08. Oktober in 120 Ländern begangen wird.
Experten sind sich einig
„Die beste Ernährung für das Kind in den ersten vier bis sechs Lebensmonaten ist die Muttermilch. Daher ist stillen auf jeden Fall zu empfehlen“, erläutert Ernährungswissenschaftlerin Alexandra Borchard von der Verbraucher Initiative. Schon vor der Geburt sollte ein gemütlicher und ruhiger Stillplatz eingerichtet werden. Da kurz nach der Geburt der Saugreflex des Kindes besonders groß ist, sollte der Neubürger gleich angelegt werde, wenn Mutter und Kind nicht zu erschöpft sind.
Rund 90 Prozent der Berlinerinnen stillen. Das zeigt eine Studie des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). „Das ist zunächst einmal eine positive Nachricht, die zeigt, dass unsere Arbeit in diesem Punkt erfolgreich ist“, führt Prof. Dr. Hildegard Przyrembel, Geschäftsführerin der Nationalen Stillkommission, aus. „Noch nicht zufrieden sind wir mit der Tatsache, dass die Mütter in Deutschland schon früh mit der Zufütterung von Muttermilchersatz und Beikost beginnen.“ Die aktuelle BfR-Studie bestätigt damit Ergebnisse aus der SuSe-Studie (Studie über Stillen und Säuglingsernährung) von Jahr 1997/1998 des Forschungsinstituts für Kinderernährung in Dortmund und eine Erhebung des Bayrischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit aus dem Jahr 2005: Nur rund die Hälfte der Mütter behält das Stillen bis zum sechsten Monat bei.
Industrie ignoriert Werbeverbot
Die Weltgesundheitsorganisation hat aus der Erkenntnis, dass Stillen der Ernährung mit Muttermilchersatzprodukten überlegen ist, zusammen mit dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF 1981 den „Internationalen Kodex für die Vermarktung von Mutermilchersatzprodukten“ vereinbart. Ziel ist der Schutz des Stillens und industrielle Produkte nur angemessen zu bewerben. In Deutschland ist es verboten, kostenlose Proben von Säuglingsanfangsnahrung an Schwangere und Mütter abzugeben. Doch das BfR beklagt, dass sich die Industrie nicht immer daran hält und ermahnt diese im Rahmen der Weltstillwoche „keine kostenlose Päckchen von Säuglingsanfangsnahrung mehr an Schwangere und an die Mütter Neugeborener zu verteilen.“
Muttermilch ist sicher
Mütter sind oftmals verunsichert, ob Stillen wirklich das richtige ist, denn es gibt genug Schlagzeilen, dass Rückstände von persistenten Organo-Chlor-Pestiziden, Dioxinen oder polychlorierten Biphenylen in dem weißen Lebenssaft enthalten sind.
Der Ernährungsbericht 2004 der deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zeigt, dass in den vergangenen 30 Jahren die Belastung der Muttermilch um 70 bis 90 Prozent zurückgegangen ist. Die DGE sieht darin einen Erfolg der Minimierungsmaßnahmen durch die Industrie.
Die Aufnahme von Schadstoffen aus der Umwelt ist kaum vermeidbar. Die Schadstoffgehalte sind im Wesentlichen durch persönliche Daten der Mutter wie Alter, Anzahl der gestillten Kinder und Länge der Stillperiode beeinflusst. Die DGE weist jedoch auch ausdrücklich darauf hin, dass Mütter etliche schädliche Substanzen selbst vermindern können: Stoffe aus Arznei- oder Genussmitteln wie Alkohol, Nikotin und Koffein. Muttermilch ist für die DGE „die erste Nahrung für den Säugling“.
Breast is Best
Die DGE sieht keinerlei Gründe, das Stillen einzuschränken und will während der Weltstillwoche mehr Mütter überzeugen, ihren Kindern das natürliche Lebensmittel anzubieten. Stillen kann man lernen, sagt Alexandra Borchard von der Verbraucher Initiative. Wichtig ist eine positive Einstellung dazu und Hebammen und Stillberaterinnen geben die ersten wichtigen Tipps für das richtige Anlegen und verschiedene Stillpositionen.
Allerdings finden Frauen das Stillen auch aus anderen Gründen unpopulär, wie eine britische Studie aus dem letzten Jahr zeigte. In England wird mit dem Slogan „Breast is Best“ für das Nuckeln geworben.
Lesestoff:
Die Verbraucher Initiative hat zur Stillwoche eine Broschüre herausgebracht, die neben dem Stillen auch über Beikost und Hautpflege informiert: Die 24-seitige Broschüre „Babykost und -pflege“ kostet inklusive Versand 4 Euro und kann unter www.verbraucher.com bestellt werden.
Praktische Hinweise zum Stillen und zur Ernährung im 1. Lebensjahr gibt es auch in der Broschüre der DGE „Empfehlungen für die Ernährung von Säuglingen“, die beim DGE Medien Service bestellt werden kann: Tel.: 0228 / 9092626 oder E-Mail: info@dge-medienservice.de (Artikelnummer 4004209)
VLE