Tierklonierung und Fleischproduktion

Ernährung

Tierklone: Zuchtvorteil kontra ethische Bedenken

Der Deutsche Ethikrat diskutierte am Mittwoch abend in Berlin über ethische Bedenken gegenüber der neuesten Zuchtmethode, dem Klonen von Nutztieren. Das Klonen erlangte 1996 mit dem Schaf Dolly Weltruhm und polarisiert Verbraucher und Wissenschaft.
Grundsätzlich ist mit dem Klonen „ein Dogma der Biologie gefallen. Wir haben heute eine andere Biologie“, sagte Prof. Dr. Heiner Niemann vom Institut für Nutztiergenetik in Neustadt. Die Möglichkeit von Körperzellen durch Einsetzen in eine weibliche Eizelle einen vollständigen und identischen Nachfahren mit seinen erzielten genetischen Leistungsparametern zu duplizieren, biete der Tierzüchtung eine Reihe von interessanten Möglichkeiten.

Züchterbedarf
Hin und wieder entdecken die Züchter einen besonders wertvollen Zuchtbullen. Über seine genetische Veranlagung wird beispielsweise die Milchleistung der Kühe in hohem Grade bestimmt. Je mehr Töchter er hat, je mehr Milchleistungsdaten vorliegen, desto sicherer der Zuchtwert. Sein eingefrorenes Sperma wird ihn überleben und kann für die Zucht weitergenutzt werden. Doch irgendwann ist auch damit Schluss.
Wird der Zuchtbulle geklont, dann bleiben seine geprüften Eigenschaften erhalten und können an immer mehr Töchter vererbt werden. Das gilt auch für Krankheitsresistenzen. Somit haben Klone einen hohen Wert für Züchter, sagte Dr. Dettmar Frese aus der Geschäftsführung von Masterrind in Verden. Klone können auch helfen, gefährdete Nutztierrassen zu erhalten.
Züchtung über Klone ist aber teuer. In der Regel wird ein Klonbulle mit 25.000 US-Dollar gehandelt, so Prof. Niemann. Der Weg dahin ist dornig, wie seine Tabelle über Nutztierklone zeigt:

Tierart

% Lebendtiere aus Klonierung

Anzahl Klone weltweit (geschätzt)

Rind

15 – 20 %

< 4.000

Schaf

8 %

< 200

Ziege

3 %

600

Schwein

2 – 5 %

800

Klonen, so Prof. Niemann, ist eine sehr schwierige Technik und angesichts der Zahlen „sehr ineffizient“.
Deswegen stehen die geklonten Tiere auch nicht im Stall der Bauernhöfe. Gehandelt wird das Bullensperma und die Nachkommen produzieren dann die Produkte Milch und Fleisch. Diese Nachkommen unterliegen den gleichen Einflussfaktoren wie genetischen Wechselwirkungen mit der mütterlichen Genetik, den Umwelt- und Klimabedingungen. Damit gleicht ein Klonnachkomme nicht dem anderen.
Klonen werde nicht die konventionelle Züchtung ablösen, sagte Dr. Frese. Klonen könne aber zu einem Bestandteil der Züchtungspraxis werden.

Ethische Bedenken
Für Prof. Dr. Eve-Marie Engels vom Lehrstuhl Ethik der Biowissenschaften der Universität Tübingen sind nicht nur hohe Sterblichkeit und das Auftreten von Missbildungen ethisch anzuzweifeln. Sie verwies auf bestehende Regelungen des Tierschutzgesetzes, dass sowohl im § 1 als auch im § 7 über Tierversuche den Tieren Schmerz- und Leidensfreiheit zusichert. Das Grundgesetz hat diesen Gedanken im Artikel 20 a aufgenommen und die Internationale Organisation für Tiergesundheit (OIE) führe Vergleichbares in ihren Leitlinien. Die Tierschutzbedenken der Klongegner seien damit bereits mehrfach verankert.
Darüber hinaus könne die Routine des Klonens von Nutztieren beim Menschen „zu einer Änderung der generellen Einstellung zu Tieren und damit zur Verrohung führen.“ Gesellschaftlich gefährde das die in den letzten Jahren erarbeiteten Tugenden beim Tier- und Naturschutz.
Sowohl die Food and Drug Administration (FDA) in den USA als auch die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA stellen in ihren Gutachten fest, dass von Lebensmittel von geklonten Tieren und ihren Nachkommen keine gesundheitlichen Gefahren ausgehen. Das, so Prof. Engels, heiße aber nicht, dass Klonen damit bereits ethisch vertretbar werde.
Angesichts des hohen Aufwandes sieht Engels keinen Nutzen für das Ziel „Fleischproduktion“. Beim therapeutischen Klonen in der Humanmedizin könne die Güterabwägung anders ausfallen.

Klone für...
Reproduktives Klonen wie in der Landwirtschaft für die Erhaltung von Tieren und Eigenschaften
Therapeutisches Klonen in der Humanmedizin: Aus Körperzellen können Herzmuskeln aus Eigengewebe werden, die bei Erkrankung ohne Abstoßreaktion verwendet werden können, weil es Eigengewebe ist
Grundlagenforschung
„Gene Targeting“ als Klonen der nächsten Stufe: Es können neue Eigenschaften eingekreuzt werden. Beispielsweise können Desuterasen beim Schwein zu Fleisch mit gesünderem Fettsäuremuster führen. Das sind Enzyme, die Doppelbindungen von Kohlenstoffverbindungen in einfache umwandeln können. So können mehr ungesättigte Fettsäuren entstehen.
„Gene Pharming“: Milch von Ziegen enthält bereits bestimmte Arzneimittel
in vitro-Meat: Letztlich könnte die Omnipotenz jeder Zelle, sich zu jeder gewünschten Zelle ausdifferenzieren zu lassen, zu „Brutschrankfleisch“ führen: Fleisch, dass aus einem Zellverband entstanden ist, ohne jemals Tier gewesen zu sein.

Prof. Dr. Hille Haker, Moraltheologin an der Universität Frankfurt und Mitglied der Europäischen Gruppe für Ethik in Wissenschaft und neuen Technologien bei der EU-Kommission (EGE) geht mit der Güterabwägung noch eine Ebene weiter. Dem Großbetrieb in Mecklenburg-Vorpommern steht der Kleinbauer in Rumänien genauso gegenüber wie der Subsistenzbauer in Ruanda dem brasilianischen Großbetrieb. Was für großen Firmen in entwickelten Märkten gelte, könne nicht auf die Kleinbauern übertragen werden. Dieser Agrar-Diversität müsse bei der Güterabwägung Rechnung getragen werden. Ob Agrartechnologie einer nachhaltigen Landbewirtschaftung entgegenstehe oder ein Teil davon sei – darüber gebe es verschiedene Sichtweisen. Die Freiheit der Forschung sei genauso zu schützen wie die Sicherung der Nahrungsreserven.
Klone könnten aber auch zu Probleme im Handel führen. Möchte ein Land Importe verhindern, muss es nach Regeln der Welthandelsorganisation WTO die Beweis für eine Gefährdung der Umwelt und Gesundheit antreten. Nachdem die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) ein positives Gutachten über Klone anfertigte, sah sich nach Ansicht von Prof. Haker die EU in der Pflicht bei der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA auch eines fertigen zu lassen. Das fiel schwächer aus, verzeichnete aber auch keine Gefahren. Die EFSA behält sich vor, nicht abschließend zu bewerten, weil die Datenlage zu klein ist und Langzeitstudien fehlen.

„Kontra“ vs. „Pro“
Das Kind liegt bereits im Brunnen. Im Vorfeld wollte Herd-und-Hof.de von der FDA, der amerikanischen Umweltorganisation Anti-Vivisection Society sowie der englischen GM Freeze – Kampagne wissen, wie hoch der Marktanteil von Lebensmittel ist, die von geklonten Tieren oder deren Nachkommen stamme: Es weiß niemand. Die „genaueste Angabe“ stammt von Donald Coover, Viehhändler aus dem amerikanischen Galesburg in der Washington Post vom 16.01.20081): „Es ist ein Märchen, dass diese Technik nicht verwendet wird und nicht bereits in der Nahrungskette ist.“ Jaydee Hansen, Politikanalyst des amerikanischen Center for Food Service sagte am 01.04.2009 FoodNavigator.USA.com2): „Wir wissen von einigen Zuchtunternehmen, die auch Samen für Milchkühe verkaufen, dass sie in den letzten acht Monaten Samen von geklonten Tieren verkauft haben.“
Fehlende genaue Angaben haben mehrere Ursachen: Es wird nirgends festgehalten, wie viele geklonte Zuchtbullen tatsächlich eingesetzt werden und auch nicht wie viel Nachkommen daraus entstammen. Es gibt keine Laboranalyse, die den Unterschied zwischen konventionellem und Fleisch von Nachkommen aus geklonten Tieren feststellen kann. Und: Würden Zahlen veröffentlicht, besteht ein internationales Handelsrisiko, weil Verbraucher in ihrer Ablehnung Druck auf die Politik ausüben können. In einer nicht repräsentativen Umfrage des Deutschen Ethikrates im Sommer 2009 lehnten 72 Prozent der Befragten Nahrungsmittel von geklonten Vatertieren ab. Man wolle wissen was man esse.
Klonen von Nutztieren beinhaltet alle Ingredienzien für die diffuse Hexenküche: Die Technik ist Verbrauchern nicht bekannt. Die Versprechen der Wissenschaft sind groß. Produkte sind bereits auf dem Markt. Keiner weiß wie viel. Niemand will sie kennzeichnen. Die Gegner sind bereits besser gerüstet, als die Wissenschaft:

www truefoodnow org

Die FDA betont in ihrem Gutachten, dass beim Klonen keine neuen Gene hinzugefügt werden.

Prof. Niemann berichtet über Analysen, die bei geklonten Tieren keine Veränderungen in der Körpermasse, in der Körperachse, bei Blutwerten oder bei Milchinhaltsstoffen gefunden haben.

Die Gegner haben bei diffuser Wissenslage leichtes Spiel. Sachliche Argumenten fehlt die Emotionalität.

Eine neue Technik ist vor Klärung aller Grundsatzfragen in der ganzen Wertschöpfungskette bereits Realität geworden. Dr. Stefan Etgeton vom Verbraucherzentrale Bundesverband sieht denn auch mehr das Ziel als die Technik kritisch. Klonen für die Intensivierung der Fleischproduktion widerspreche bereits grundsätzlich den Zielen einer gesunden Ernährung, in dessen Rahmen für weniger Fleisch geworben wird. Das Klonen verhalte sich wie der Scheinriese bei Jim Knopf, so Etgeton: „Je näher man den Auswirkungen kommt, desto kleiner wird der tatsächliche Nutzen.“

Lesestoff:
Der Deutsche Ethikrat hat alle Vorträge und die Diskussion als Hördatei auf seiner Seite www.ethikrat.org publiziert.
Den Artikel über das EFSA-Gutachten auf Herd-und-Hof.de finden Sie hier. Dort sind auch die Links zum Gutachten der EGE.
1) Washington Post: www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2008/01/15/AR2008011501555.html
2) www.foodnavigator-usa.com/Financial-Industry/Ben-Jerry-s-stunt-highlights-concern-over-clones-in-food-chain
Das Kampagnenplakat stammt vom Center for Food Safety: www.truefoodnow.org

Roland Krieg

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