Über 1.000 Wissenschaftler zu Gast in Berlin

Ernährung

24. Symposium zu POPs

>Zuletzt machte PCB in Deutschland Schlagzeilen, als Rückstände im Futter gefunden wurden. DDT und Dioxin sind ebenfalls Synonyme für persistent organic pollutant (POP), die neben einem Nutzen gleichwohl auch Schrecken verbreiten. Dioxin ist fest mit der Katastrophe von Seveso von 1976 verbunden. Seit gestern sind über 1.000 Wissenschaftler aus über 40 Ländern in der Technischen Universität Berlin zu ihrem 24. internationalen Symposium über halogenisierte organische Umweltgifte und POPs versammelt. Die Experten tagen unter dem Titel ?Dioxin 2004? noch bis Freitag.

Das dreckige Dutzend
Selbst in Seen auf der Bäreninsel in der arktischen Barentssee nördlich von Norwegen finden sich hohe Konzentrationen der verschiedensten POPs: polychlorierte Biphenyle, Dichlor-Diphenyl-Dichlorethan, sowie polybromierte Diphenylester. Und mittlerweile werden die Stoffe nicht mehr nur alleine durch den Wind über weite Strecken verfrachtet, sondern, wie Anita Evenset vom Polaren Umweltcenter in Tromso, herausgefunden hat, durch Seevögel. Sie nehmen belasteten Fisch als Nahrung auf und scheiden die sehr langlebigen Stoffe mit dem Kot in ihren Sommerquartieren wieder aus. Alles fressende Seemöwen weisen höhere Konzentrationen auf als reine Planktonfresser, da die Gifte sich bis zu diesen Vögeln auf mehreren Stufen anreichern konnten. Die nächste bekannte Produktion für POPs ist übrigens 500 km von er Bäreninsel entfernt.

Einst ein technischer Fortschritt
Die Chlorchemie konnte einst große Erfolge feiern. Die daraus gebastelten Stoffe dienen als Flammschutzmittel, in der Landwirtschaft als Pflanzenschutzmittel oder auch zu Hause als PVC-Bodenbelag. Viele POPs werden nicht singulär hergestellt, sondern sind unerwünschte und unerwartete Beiprodukte. Das allerdings bereits seit den 1960er Jahren, als DDT Unfruchtbarkeit und Sterblichkeit bei Vögeln hervorrief. Die Stoffe sind auch durchweg krebserregend.
Seit 2001 haben 151 Länder in der Stockholmer Konvention ein Verbot der Herstellung unterzeichnet, allerdings noch keine 50 Länder diesen Entwurf ratifiziert, so dass er noch nicht geltendes Recht ist. Und so tauchen einst eingestellte Anwendungen wieder auf: Bereits 1874 wurde DDT synthetisiert. Paul Muller entdeckte seine insektizide Wirkung in den 30er Jahren, wofür er 1948 den Nobelpreis bekam. Weltweit wurde DDT dann auch eingesetzt, um der Malaria und anderer tropischer Krankheiten Herr zu werden. In Brasilien startete das Programm 1976, berichtet Joao Paulo Machado Torres vom Radioisotopenlabor Eduardo Penna Franca aus Rio de Janeiro. 1985 wurde der Einsatz für die Landwirtschaft zwar verboten, jedoch ist er bei Gesundheitskampagnen für Menschen weiterhin erlaubt. Die Gesundheitsorganisation WHO hat zusammen mit der FAO den Höchstwert der DDT-Aufnahme auf 0,01 mg/kg Körpergewicht/Tag festgelegt. Für Säuglinge liegt der Wert sogar bei nur maximal 5 x 10-3 mg. Brasilianische Mütter, die regelmäßig kontaminierten Amazonasfisch verzehren, können DDT-Werte aufweisen, die darüber liegen.

Wenn die Gondeln Trauer tragen
Die Wasserbehörde Venedig hat zusammen mit der Stadt die Belastung der Lagune von Venedig mit Dioxin und dioxinähnlichen POPs untersucht. Der Report ist auch in englischer Sprache erhältlich und druckfrisch auf dem Kongress vorgestellt worden: "The Sick Lagoon" von Stefano Guerzoni (Meeresinstitut Venedig) und Stefano Raccanelli (Umweltchemiker und Direktor des INCA POPs Labor). Das Buch ist über den Buchhandel erhältlich (ISBN 88-7543-043-8) und kostet 10 €.
Zwar weisen Boden, Wasser und Luft um die Ölraffinerie Porto Marghera die höchsten Werte auf, doch auch in der historischen Altstadt und der Lagune befinden sich unterschiedliche Muster der Verunreinigung. Abwasser trägt die Gifte in die Lagune, aus der sie an die Atmosphäre abgegeben oder hauptsächlich innerhalb des Wassers in der Nahrungskette angereichert werden. Von dort gelangen sie entweder mit der Nahrung in den Menschen oder bei abgestorbenen Lebewesen auf den Lagunengrund, wo sie sich im Sediment anreichern. Wasser spielt deshalb eine so große Rolle für die POPs, weil diese sich nicht darin auflösen, jedoch mit den Strömungen sehr gut verteilt werden können. Die Autoren kommen in ihrer Risikoanalyse zu dem Ergebnis, dass das Risiko an Krebs zu erkranken, zu 30 Prozent aus der Disposition mit Lagunen-Dioxin stammt. Und das wird zu zwei Dritteln aus Fisch übertragen.

Ein Großteil der Europäer nimmt teilweise mehr Dioxin auf, als es der tägliche Wert erlaubt. Auf die Woche gerechnet wird das wöchentliche Maximum meist jedoch wieder unterschritten. Das mag tröstlich für die Europäer sein, die weitgehend unbelasteten Fisch aus dem Mittelmeer verzehren. Für Mahlzeiten mit Fisch aus der Ostsee oder der Lagune von Venedig gilt das weniger. Für ein Produktionsverbot der POPs müssen nur insgesamt 50 Staaten das Stockholmer Abkommen zu geltendem nationalen Gesetz machen.

Roland Krieg

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