UGB-Tagung Teil I
Ernährung
Ernährung 50plus
Was wir in der Schule noch als Bevölkerungspyramide kennen gelernt haben, entwickelt sich zu einem Bevölkerungspilz: Der Altersaufbau in Deutschland zeigt ganz klar, dass die älteren Menschen immer mehr werden und Hans-Helmut Martin vom Verband für unabhängige Gesundheitsberatung e. V. (UGB) aus Wettenberg bei Giessen stellte nicht umsonst auf der Drei-Länder-Tagung die Frage voran, ob wir uns dann anders ernähren müssen?
Ernährung individuell – Für jeden das Richtige
Unter diesem Motto trafen sich Ernährungsberater aus der Schweiz, Österreich und Deutschland zu einer zweitätigen Fortbildung in Überlingen am Bodensee. Über den zweiten Tag berichtet Herd-und-Hof.de in zwei Teilen.
Älter werden heißt vor allem zunächst, nicht krank zu sein, beruhigte Diplom Oecotrophologe Martin. Es gibt natürlich einige Unterschiede, die sich individuell ausprägen. So sinkt der Energiebedarf um 15 bis 20 Prozent, weil der Muskelanteil im Alter weniger wird. Dadurch wird der Proteinaufbau weniger effektiv, bleibt aber weitgehend konstant. Mit zunehmendem Alter sinkt das Durstempfinden, was zu besonderer Beachtung zwingt, denn ältere Menschen neigen dazu, generell zu wenig zu trinken. Auch das Geschmacksempfinden wird weniger, was zudem durch eine verringerte Speichelbildung verstärkt wird, denn der Speichel hilft beim Kauen, Aromastoffe freizusetzen. Senioren werden früher satt, weil sich die Magenwand nicht mehr so stark ausdehnen kann und das Sättigungsgefühl früher eintritt. Bei den meisten Vitaminen und Mineralstoffen verringert sich die Resorption, was negative Auswirkungen auf das Immunsystem, die Blutbildung und den Knochenbau hat. Martin führte bei der Seniorenernährung neben den ernährungsphysiologischen Parametern noch ganz andere Effekte an: 45 Prozent der allein stehenden Rentnerinnen müssen mit einem Bruttoeinkommen von weniger als 1.000 Euro auskommen. Einsamkeit und Medikamenteneinnahmen müssen bei der Zubereitung und Einnahme der Mahlzeiten genauso berücksichtigt werden.
Die Empfehlungen für die Ernährung im Alter fasste Martin auf die Formel zusammen, dass es keine spezielle Seniorenernährung geben, aber die Vollwerternährung leicht modifiziert werden muss.
Nahrungsergänzungsmittel wolle Martin nicht ausdrücklich empfehlen, aber man kann durchaus darüber nachdenken: Auf jeden Fall müsse eine Auswahl ärztlich überprüft werden. Fünf bis sechs kleine Mahlzeiten mit einer hohen Nährstoffversorgung über den Tag verteilt werden den Veränderungen gerecht. Ein alkoholfreier Aperitif führt nicht nur zusätzlich Flüssigkeit zu, sondern verbessert den Appetit und das Kauvermögen.
Die Diskussion zeigte, dass in der Lehre der Altenpflege teilweise das Fach Ernährungslehre gestrichen werde. Hans-Helmut Martin nahm das zum Anlass, festzustellen, dass die Probleme in der Seniorenernährung in Wohnheimen überwiegend durch den Zeitmangel größer sind, als zu Hause bei der Pflege in der Familie. Hier spielt bereits das gemeinsame Essen und die Frage „Schmeckt´s?“ eine integrierende Rolle. Die Großeltern können ihre Wünsche und Bedürfnisse mitteilen.
Leichter durch die Wechseljahre
Es trifft Frauen und Männer in der westlichen Welt gleichermaßen, die Männer etwas später und die Allgemeinärztin Dr. Martha Ritzmann-Widderich aus Rottweil weiß auch warum: „Es fehlt ein Quäntchen Hormone.“ Ein Mangel an Östrogenen, Gestagenen und Androgenen zeigt sich dann in den so genannte Wechseljahren auf vielfältige Weise: Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Leistungsminderungen, Stimmungsschwankungen, Libidoverlust und plötzlich auftretende Schwitzattacken.
Gängige Hormonersatztherapien helfen zwar schnell bei der Beseitigung akuter Mangelsymptome, erhöhen aber das Brustkrebsrisiko. Von 1.000 Frauen sind dann nicht mehr nur jede 25., sondern bereits jede 20. Frau betroffen.
Den gleichen Erfolg wie die Ersatztherapien, aber ohne das Risiko, zeigen hingegen Phytoöstrogene wie Isoflavone und Lignane. Besonders die Isoflavone Genistein und Daidzein nennt die Medizinerin SERM (selektive Östrogen-Rezeptor-Modulatoren). Diese besetzen die entsprechenden Rezeptoren und weisen leichte Hormoneffekte auf Knochen oder Blutfette auf und reduzieren Schwitzattacken.
Auf die Spur kamen die Wissenschaftler, weil sie sich die Diät der Japaner auf der Insel Okinawa angesehen haben. Asiaten kennen keine Klimaxbeschwerden und die Menschen aus Okinawa werden zudem besonders alt. „Essen ist Medizin“ was die Japaner als Ishokodugen ausleben und Dr. Ritzmann-Widderich prägnant als „Trinken, Tanzen, Tofu“ der westlichen Welt näher bringt. Während die Europäer nur bis zu 5 mg Isoflavone am Tag mit der Nahrung aufnehmen, kommen die Japanerinnen mit dem hohen Gebrauch von Soja auf 30 bis 35 mg. Neben Fisch, Gemüse und Obst spielt Soja mit seinem hohen Anteil an Isoflavonen den bedeutendsten Anteil in der Diät. Das es an der Ernährung liegt, belegen die Asiatinnen, die in den Westen übersiedelten sind und seine Ernährungsweise angenommen haben. Im Zeitablauf kommen sie dann auch in die Wechseljahre.
Der Jungbrunnen
Natürlich versprechen seriöse Beratungen keinen Jungbrunnen – aber sowohl Hans-Helmut Martin als auch Dr. Ritzmann-Widderich lüfteten ein Geheimnis, nicht so schnell zu altern: Bereits in der Jugend werden die Weichen gestellt! Wer in jungen Jahren das richtige Trinken bereits gelernt hat, braucht sich im Alter damit nicht abzuquälen. Eine Ernährungsumstellung während der Wechseljahre wird sicherlich das eine oder das andere individuell lindern – wer aber bereits früh seine Ernährung umstellt, der wird die Symptome weiter nach hinten verlagern können. Für die tägliche Praxis hielt die bayrische Ärztin dann auch einen Rezepttipp bereit: als Vorspeise Gemüsesuppe mit Tofustückchen, als Hauptgericht Fisch, Broccoli, Vollkornreis und Zucchini und als Dessert ein Sojaeis mit frischen Früchten.
Wegen der Überfischung der Weltmeere sind die gesunden Omega-3-Fettsäuren über den Verzehr von Seefisch durchaus in der Kritik. Die Verwendung von Lein-, Walnuss- oder Hanföl hingegen kann den gleichen Effekt aufweisen. Dafür müssen die Omega-3-Fettsäuren aus dem Leinsamen erst durch spezielle Enzyme aufgeschlossen werden.
Wer beim Fischkauf ganz sicher gehen möchte, dem empfiehlt Dr. Ritzmann-Widderich den Einkauf beim Ökofischer. Schwierig ist es angesichts des weltweit gehandelten Gensoja, dieses zu meiden. Das Ausweichprodukt Lupine stammt hierzulande meist aus Südamerika und da ist sich die Ärztin über deren Herkunft auch nicht immer sicher. Sichere Zertifikate bieten die Ökoverbände.
Intermittierende Kalorienreduzierung
Altern kennzeichnet sich als schleichenden Prozess dadurch aus, dass Einfachzucker und Eiweiße an der Zellenwand angelagert werden, die freie Radikale fördern. Zudem geht bei jeder Zellerneuerung bei der Kopie vom ursprünglichen Original immer etwas „Qualität“ verloren. Nun wird man das altern nicht aufhalten können, aber „Eintritt und Ausmaß lassen sich teilweise beeinflussen“ stellte Dr. Ritzmann-Widderich in einem zweiten Vortrag fest. Sie bietet nämlich Heilfastenkurse unter fachlicher Leitung an. Viele Ärzte kennen sich damit nicht aus und würden es deswegen nicht empfehlen. Heilfasten solle man aber immer unter ärztlicher Leitung und Begleitung. In ihrer Praxis arbeiten Fastenleiterinnen die den Fastenden Rat anbieten. Es helfe ganz einfach, wenn jemand da ist, den man fragen kann – nicht nur bei Problemen, sondern über die Vorgänge überhaupt.
Nicht fasten dürfen hingegen Menschen mit Schilddrüsenüberfunktion, mit einigen Krankheiten oder unter Stress. Wer fastet und im überwiegenden damit eine Gewichtsreduzierung verfolgt, der hätte das Ziel bereits verfehlt. Gewicht zu verlieren trete beim Fasten zwangsläufig ein, doch stehen bei Menschen mit dem metabolischen Syndrom die Senkung des Blutzuckers, Ökonomisierung der Herzleistung, verstärkte Tumor- und Infektabwehr, erhöhte Stressresistenz, Verbesserung der Schafqualität und Anstieg des Glücks-Hormons Serotonin im Vordergrund. Sie zeigte sich mit einer Studie aus den USA sehr zufrieden, die dem Fasten eine längere Altersverzögerung einräumte als durch die hochtechnisierte Biomedizin.
Im Eigentlichen sei eine kontinuierliche Kalorienreduzierung in der heutigen Gesellschaft bei einer Ernährungsumstellung die richtige Wahl, das Altern hinauszuzögern. Dr. Ritzmann-Widderich half mit einem kleinen Tipp: Der intermittierenden Kalorienreduktion. Versuchen Sie einmal an zwei Tagen der Woche nach 17:00 Uhr außer Trinkwasser nichts mehr zu sich zu nehmen. Schaden kann es nicht.
Roland Krieg
[Der zweite Teil über die Drei-Länder-Tagung wird sich in dieser Woche mit kulturellem und individuellem Wohlfühlen befassen]