Ursache von EHEC noch nicht bekannt
Ernährung
Schlummernde Zoonosengefahr EHEC
In Norddeutschland sind mehr als 70 Menschen an EHEC
erkrankt. Gegenüber der ARD äußerte sich Gerard Krause vom Robert Koch-Institut
(RKI): „Wir haben eindeutig eine ungewöhnliche Situation.“ Die Häufung und
Schwere der Krankheit gibt Anlass zur Sorge. Woher die Erreger kommen steht
noch nicht fest. In Kommentaren wird Stimmung gegen die Landwirtschaft gemacht.
Zeit für einen ersten Blick auf die wissenschaftlichen Daten.
EHEC ist die ist die Abkürzung für Enterohämorrhagische
Escherichia coli – Bakterien (EHEC), die bestimmte Toxine, wie Shigatoxine
bilden. Sie rufen schwere Erkrankungen wie hämorrhagische Kolitis und
hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) hervor. In den letzten zwei Jahrzehnten
fanden Bakteriologen verschiedene Stämme, die auch milde Krankheitsformen
hervorrufen, weswegen EHEC ein Sammelbegriff wurde, der die toxinbildenden E.
coli – Bakterien erfasst.
EHEC und Lebensmittel
EHEC-Infektionen gibt es nach dem Angaben des Robert
Koch-Instituts1) weltweit. Es ist eine Zoonose, eine Krankheit, die
vom Tier auf den Menschen springen kann. EHEC wird vor allem von Wiederkäuern
wie Rinder, Schafe und Ziegen ausgeschieden.
Die Aufnahme der Erreger findet überwiegend oral statt,
also beim Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln. Auch baden in
kontaminiertem Wasser und die Übertragung von Mensch zu Mensch kann bedeutend
sein.
Bei Lebensmitteln stehen rohe Varianten bei der
Übertragung ganz vorne: Rohmilch, Rohwürste wie Zwiebelmettwurst oder Teewurst,
aber auch grünes Blattgemüse wie Spinat oder Sprossen. Auch nicht pasteurisierter
Apfelsaft kann den Erreger beinhalten. Als präventive Maßnahmen gelten bei
einem Besuch von Streichelzoos oder Bauernhöfen, die Finger nach Kontakt mit
den Tieren oder dem Boden nicht in den Mund zu stecken, sondern gründlich mit
warmen Wasser und Seife zu reinigen. Leicht verderbliche Ware soll unbedingt
innerhalb einer funktionierenden Kühlkette gehandelt und dann schnell verzehrt
werden. Beim Garen muss darauf geachtet werden, dass die Kerntemperatur bei der
Zubereitung mindestens zehn Minuten lang 70 Grad Celsius betragen soll.
Forschung zu EHEC
Im Jahr 2009 haben Wissenschaftler untersucht, ob es einen Unterschied in der EHEC-Belastung zwischen Ökobetrieben und konventionellen Höfen gibt. Prof. Reinstein und seine Kollegen fanden mit 14,8 Prozent EHEC-Befall in ökologisch gehaltenen Mastrindern und mit 14,2 Prozent in konventionellen Rindern keine statistisch bedeutsamen Unterschiede.2)
Fleisch ist eine ergiebige Quelle für Erreger, die über Lebensmittel zu den Menschen gelangen. Mit einer Risikoanalyse wird in Schlachthäusern das Aufkommen von Krankheitserregern wie EHEC deutlich reduziert. Auch in der Tierhaltung selbst kann mit geeigneten Hygiene- und Sorgfaltsmaßnahmen die Verbreitung des Erregers deutlich reduziert werden. Ein Team um den US-Professor Callaway hat in einer Arbeit auch die Verwendung von Antibiotika im Futter zur Reduzierung des Krankheitsdruckes beschrieben.3)
Eine Alternative scheint Kwang Cheol Jeong gefunden zu haben. Er geht davon aus, dass eine Reduzierung des Bakteriums im Tierbestand auch den Eintrag in die Lebensmittelkette reduziert. Er hat mit Chitosan experimentiert, ein Polyaminosaccharid als Abkömmling des Chitins. Es wird vielfältig wegen seiner Bindungsstärke eingesetzt. So hat Jeong herausgefunden, dass die Verfütterung von Chitosan als Mikropartikel die Anzahl der Bakterien in Rindern deutlich vermindert. In der Praxis trat der Bindungseffekt von Tier zu Tier unterschiedlich auf, im Labor jedoch zeigt EHEC eine starke Bindung zu Chitosan. 4)
Zwischen 1995 und 2006 gab es in den USA 22 Krankheitsausbrüche, von denen die Hälfte in den Salinas und im San Juan Tal bei Kalifornien lokalisiert waren, wo Salat und Spinat angebaut werden. EHEC O157:H7 wurde über einen Zeitraum von 19 Monaten in 15 von 22 Wassereinzugsgebieten der Salinas identifiziert. Die Krankheitsausbrüche fanden meist in Verbindung mit starken Regenfällen statt. In früheren Studien konnte die Ausbreitung des Bakteriums auf nur kleinem Raum festgestellt werden. In wasserarmen Flussläufen kam das Bakterium von der Eintragsquelle lediglich 135 Meter weit. Bei Starkregen und hoher Wasserführung wurden aber auch Distanzen bis zu 32 Kilometer überbrückt. Bei der Untersuchung im Jahr 2006, wo Spinat betroffen war, spielte Wasser offenbar gar keine Rolle. Prof. Cooley und sein Team sind der Meinung, dass die Kontamination der Umwelt ein dynamischer Prozess ist, der verschiedenen Eintragsquellen und Verbreitungswegen unterliegt. 5)
Im Schlachthof wird bei der Ausweidung von Rinderhälften oftmals Milchsäure zur Reinigung genutzt. Joseph Bosilevac hingegen hat herausgefunden, dass das Spülen mit heißem Wasser viel effektiver gegen EHEC ist. In der Spülkabine mit heißem Wasser wurde dieses 5,5 Sekunden lang mit einer Temperatur von 74 GradCelsius auf die Karkasse gesprüht und hat die Konzentration der EHEC um den Faktor 2,7 log reduziert. Zweiprozentige Milchsäure, die mit einer Temperatur von 42 Grad Celsius angewandt wurde, reduzierte die EHEC-Konzentration lediglich um 1,6 log. In Prozent ausgedrückt hatte die Heißwasserbehandlung die Bakterien um 81 Prozent, die der Milchsäurebehandlung nur um 35 Prozent reduziert. Eine kombinierte Lösung mit heißem Wasser und Milchsäure erzielte mit einer Reduzierung von 79 Prozent nicht das Ergebnis der alleinigen Heißwasserbehandlung.6)
Auch in der Gastronomie ist das Thema angekommen und Wissenschaftler experimentieren beispielsweise mit elektrolysiertem Wasser. Im Haushalt und der Gastronomie ist der unsachgemäße Gebrauch von Küchenoberflächen, Schneidbrettern und Messern eine große Gefahrenquelle für Infektionen. Bei einer japanischen Methode wird Salzwasser unter Strom gesetzt. Der pH-Wert nimmt dabei stark zu und das Wasser an der Anode zeigt bakterizide Wirkung. Je stärker das Schneidbrett allerdings zerkratzt ist, desto geringer ist die Reinigungswirkung.7)
Lesestoff:
1) RKI
Epidemiologisches Bulletin 2/2008. www.rki.de
2) Reinstein S et al.: Prevalence of Escherichia coli
O157:H7 in organic and naturally raised beef cattle. Applied and Environmental
Microbiology, 2009; 75 (16): 5421-5423 doi:10.1128/AEM.00459-09
3) Callaway TR et al.: What are we doing about Escherichia
coli O157:H7 in cattle? Journal of Animal Science, Jan 2004 vol. 82 no. 13
suppl E93-E99
4) Kwang Cheol Jeong et al. Reduction of Escherichia
coli O157:H7 Shedding in Cattle by Addition of Chitosan Microparticles to Feed.
Applied and Environmental Microbioloy April 2011, p. 2611 – 2616, Vol 77, No. 8
0099-2240 doi:10.1128/AEM.02587-10
5) Cooley M et al. (2007): Incidence and Tracking of Escherichia
coli O157:H7 in a Major Produce Production Region in Calfornia. PLoS ONE 2(11):
e1159. doi:10.1371/journal.pone.0001159
6) Bosilevac Joseph et al.: Treatments Using Hot Water Instead
of Lactic Acid Reduces Levels of Aerobic Bacteria and Enterobacteriae and
Reduce the Prevalence of Escherichis coli O157:H/ on Preevisceration Beef
Carcasses. Journal of Food Protection, Volume 69, Number 8, August 2006, pp.
1808-1816 (6)
7) Kumar, S. Inactivation of Escherichia coli O157:H7
and Listeria monocygotes on Plastic Kitchen Cutting Boards by Electrolyzed
Oxidizing Water. Journal of Food Protection,Vol. 62, No. 8, 1999, p. 857-860