Verpflegungssituation von Senioren
Ernährung
DGE-Ernährungsbericht: Senioren und Essen auf Rädern
Der alle vier Jahre erscheinende 12. Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat sich in diesem Jahr in einem neuen Schwerpunkt der Seniorenverpflegung gewidmet. Während die Verpflegungssituation in stationären Einrichtungen bereits untersucht ist, schließt die DGE mit dem aktuellen Bericht die Lücke der Verpflegungssituation von Senioren, die zu Hause bleiben. In einer separaten Untersuchung wurde einer der zentralen Elemente, das „Essen auf Rädern“, bewertet.
Pflegebedarf in Privathaushalten
Schon heute sind mehr als 16,9 Millionen Menschen älter als 65 Jahre und der demografische Wandel wird die Zahl der Senioren noch weiter ansteigen lassen. Die Zahl der Hochbetagten mit mehr als 80 Lebensjahren steigt von heute vier Millionen auf sechs Millionen Menschen im Jahr 2020 und noch weiter bis auf zehn Millionen zur Jahrhundertmitte.
Nach Definition des Sozialgesetzbuches sind heute 2,34 Millionen Menschen pflegebedürftig. Mehr als die Hälfte, rund 1,62 Millionen werden zu Hause gepflegt. Zu zwei Dritteln von Verwandten und zu einem Drittel von Pflegepersonal.
Nach Prof. Dr. Peter Stehle von der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, unterscheidet sich der Ernährungsstatus der Senioren nur unwesentlich von dem der stationär gepflegten Menschen. Rund elf Prozent sind mangelernährt. Ein Teil davon wird durch Kau- und Schluckbeschwerden verursacht. Ältere Menschen sind weniger durstig und nehmen zu wenig Flüssigkeit zu sich. Darauf sollten die Verwandten achten, die meist ihre eigenen Ernährungsgewohnheiten auf die Bedürfnisse der Senioren übertragen.
Die Energieversorgung ist nach Prof. Stehle weitgehend in Ordnung, während die Kauprobleme oftmals die Aufnahme von Vollkorngetreide reduziert. Deshalb mangele es an Ballast- und Nährstoffen. Wenngleich die Werbung den Eindruck vermitteln mag, dass Nahrungsergänzungsmittel zu einer Seniorenverpflegung dazu gehören, betont Prof. Stehle gegenüber Herd-und-Hof.de, dass nur wenige Mittel wirklich sinnvoll sind. Aufgrund der geringeren Eigensynthese könnte eine Supplementation von Vitamin D sinnvoll werden. Bei Frauen ist die Vitamin C - Aufnahme aus noch unbekannten Gründen zu gering. Wer jedoch supplementieren will, der soll, so Prof. Stehle, zuerst einen möglichen Mangel vom Arzt überprüfen lassen. Eine Supplementation aufs Geratewohl hinaus sei sogar gefährlich, weil oftmals die Zusammensetzung der Pillen und Kapseln nicht bekannt ist.
Milchprodukte kommen Senioren mit Kau- und Schluckbeschwerden entgegen, weswegen Calcium für die Knochenversorgung eben auch nicht im Minimum sei.
Ein Problem nehmen die älter werdenden Menschen allerdings mit: Dicke werden in Deutschland immer dicker und so weisen auch einen BMI von über 30 auf. Bei ihnen stellt sich nach Prof. Stehle allerdings eher die Frage, das Gewicht zu halten, als abzunehmen. Das ist meist mit Abnahme der Muskelmasse verbunden und geht mit funktionellen Einbußen der Körperfunktionen einher.
Essen auf Rädern
Das zentrale Element der Verpflegung älterer Menschen zu Hause ist das „Essen auf Rädern“, das nach Ansicht von Prof. Ulrike Arens-Azevedo von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, bislang in der wissenschaftlichen Betrachtung ein „Schattendasein“ führte. Seit 1961 bieten gemeinnützige Organisationen den Dienst an. Heute gibt es rund 2.500 Anbieter mit zusammen 325.000 Kunden. Erstmals hat die DGE Anbieter mit einem vollen Vier-Wochen-Speiseplan untersucht, inwieweit dieser den Vorstellungen der vollwertigen Ernährung genügt. Fazit: Die Dienste müssen sich nicht verstecken.
Die Senioren waren zu weit über 90 Prozent mit den Diensten zufrieden, wobei Prof. Arens Azevedo bemerkt, dass sich darin ein Stück weit Dankbarkeit widerspiegelt, Essen geliefert zu bekommen.
Die Dienste bieten eine große Speisevielfalt an und entsprechen bis auf wenige Ausnahmen den zehn Regeln der DGE. Die Anbieter gehen mit verschiedenen Angeboten wie vegetarische Gerichte oder Reduktionskost auf die Bedürfnisse der Kunden ein, bieten auch einen Telefondienst an und unterbrechen bei einem eventuellen Krankenhausaufenthalt die Lieferung sofort.
Die Dienste gehen sogar noch weiter. Es gibt Hol- und Bringedienste, Obstkörbe und den Transport von Getränken. Allerdings müssen die Kunden fast überall nach solchen Zusatzleistungen fragen, sie werden nicht vom Dienst aus selbst angeboten. Die Preise liegen zwischen drei und sieben Euro pro Mahlzeit. Diese werden nicht überall in den üblichen, dreiteiligen Alubehältern angeboten. Es gibt auch Dienste, die das Essen auf Porzellan servieren. Allerdings ist das steuerlich tückisch. Für den Alubehälter gilt der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent, bei Belieferung auf Porzellan sind 19 Prozent fällig.
Die Kunden sind pflegebedürftig, doch die Verbindung zwischen Pflege und Essensbelieferung ist verbesserungsbedürftig. 70 Prozent der Essensdienste sind mit den Pflegediensten nicht vernetzt und 40 Prozent kennen den Pflegezustand ihrer Kunden nicht. Die DEG fordert daher eine stärkere Integration beider Dienste für einen besseren Informationsaustausch.
Lesestoff:
Den 12. Ernährungsbericht finden Sie auch in einer Kurzfassung unter www.dge.de
Roland Krieg; Fotos: roRo