Vom Gottesgeschenk zur Teufelsfrucht

Ernährung

8.000 Jahre Kartoffelgeschichte

Den Inkas war die Kartoffel ein Gottesgeschenk. In Deutschland angekommen galt sie dem Klerus wegen des Gerüchtes, ein Aphrodisiakum zu sein, als Teufelskraut. Zudem gehört sie botanisch der gleichen Familie wie die Hexenkräuter Tollkirsche und Stechapfel an. Aktuell gilt die tolle Knolle als Wellnessprodukt und war die erste Nutzpflanze im Weltraum.

Kartoffeln bringen Wohlstand
Die Kartoffel ist eine Botschafterin des Wohlstands, so Dr. Christoph Kohlmeyer, Referatsleiter „Ländliche Entwicklung, Welternährung“ im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit BMZ. In der Halle 1.2 diskutierten Kartoffelexperten vor dem Hintergrund der neuen Kartoffelausstellung die Vergangenheit und Zukunft des Gemüses. Ein Hektar Kartoffeln ernährt drei- bis viermal so viele Menschen wie Getreide, braucht weniger Wasser und beschäftigt mehr Menschen. Zudem kommt die Kartoffel nur mit der Luftfeuchtigkeit in den subtropischen Regionen nicht zurecht. Das Gemüse kann daher, so Dr. Pamela Anderson vom Internationalen Kartoffelforschungszentrum in Peru, auf marginalen Standorten angebaut werden. Dort befindet sich auch die meiste Armut. Die Kartoffel sichert die Ernährung und schafft Wohlstand.

China ist der größte Kartoffelproduzent
8.000 Jahre Reisen durch die Weltgeschichte – das hat in der Vergangenheit zu neuen Ernährungsgewohnheiten geführt, denn das deutscheste aller Gemüsesorten stammt ja nicht von hier, und wird auch in Zukunft Einzug in fremde Küchen halten. China produziert bereits 22 Prozent aller Kartoffeln weltweit. Deutschland steht mit 11 Millionen Tonnen auf Platz sechs. So häufeln sich die charakteristischen Erdwälle um die Knollen bereits in Vietnam, Indien, China und im östlichen Afrika.
Wer so breit gefächert angebaut wird, der braucht eine breite Sortenbasis. Alleine im Hochland von Peru gibt es 4.000 Kartoffelsorten. Da ist immer eine darunter, die den Herausforderungen Welternährung und Klimawandel gerüstet ist. Wie wichtig eine breite Sortenbasis ist, zeigt das Beispiel Irland. Der Sommer 1845 war kalt und nass. Die Kraut- und Knollenfäule hat in Europa und besonders in Irland fast die gesamt Ernte der wenigen im Anbau befindlichen vernichtet.

Kartoffelkaffee
So hält Ingrid Matthes vom Bauernmarkt Lindchen am Niederrhein an jeder Sorte fest. Zwei Sorten hat sie in der Hinterhand, die „schmecken grauselig“. Aber sie sind sehr krankheitsresistent. Weltweit gibt es etwa fünf Kartoffelmuseen. Das einzige, das sich mit Kartoffelkunst beschäftigt ist das Kartoffelmuseum in München. Museumsleiterin Barbara Kosler sagt, dass es bei der Kartoffelkunst um mehr als den bekannten Kartoffelstempeln geht. Dali und van Gogh haben die Knolle thematisiert. Die irische Kunst hat den Hunger aus dem 19. Jahrhundert abgebildet. Außerdem sind wir von der Kartoffel täglich umgeben. Die Stärkeindustrie nutzt die Rohstoffe der Knolle von der Zeitung bis zum Klebeband. Selbst Tapeten haben diesen irdischen Bezug. In Notzeiten haben die Menschen geröstete Kartoffelschalen in der Mühle gemahlen und mit heißem Wasser übergossen: Allerdings soll der Kartoffelkaffee scheußlich schmecken.

Linda
Nach Bintje ist Linda wohl die bekannteste Sorte. Ihre Zukunft wird sich in diesem Jahr entscheiden. Das Linda von den Feldern verschwunden ist hat mit Kartoffeln, dem Anbau und der Gesundheit nicht das Geringste zu tun. Die Zuchtfirma hat sie beim Bundessortenamt abgemeldet. Die Kartoffelbauern, die Linda noch erhalten, könnte die gelbe cremige Sorte eventuell im Kartoffeljahr 2008 unter anderem Namen wieder auf den Markt bringen. Das wird dann gerichtlich entschieden.

Alles über die Knolle zeigt eine Ausstellung in der Halle 1.2. Nach der Grünen Woche geht die Ausstellung auf Wanderschaft durch Deutschland und wird im April wieder in Berlin zu sehen sein.

Lesestoff:
Internationale Kartoffelzentrum: www.cipotato.org
Museum: www.kartoffelmuseum.de
Kartoffelprojekte: www.gtz.de

roRo

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